Architekt Philipp Oswalt über Berlins Stadtschloss und rechte Spender : „Die Humboldt-Stiftung lügt“

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  • Stiftung Humboldt-Forum widerspricht Philipp Oswalt: „Zutiefst unangemessen und unwahr“
    https://www.berliner-zeitung.de/kultur-vergnuegen/debatte/stiftung-humboldt-forum-reagiert-auf-philipp-oswalt-wir-widersprech

    Der Abriß des Palast der Republik, eines bei der Berliner Bevölkerung beliebten Gebäudes mit Konzertsaal, Bowlingbahn und Restaurants, und der Bau einer Schloßattrappe mit dem beschönigenden Markennamen „Humboldt Forum“ in der Linden-Sichtachse war ein revanchistisches Projekt, an dem sich zahlreiche konservative und nazistische Rechte mit gut gefüllten Brieftaschen beteiligten. Das geschah in Zusammenarbeit mit der reaktionären Mehrheit im Deutschen Bundestag, wobei alle Beteiligten versuchten den Eindruck zu erwecken, es handle sich um ein demokratisches Projekt des deutschen Volkes.

    Diese durchsichtige Lachnummer wird von Philipp Oswalt in einem Buch und in Presseartikeln entlarvt, wogegen nun zwei Schloßhäuptlinge protestieren. Ihr Argument : Man habe von den nazistischen Spendern nichts gewußt. Das ist nicht erstaunlich, gehören die Autoren doch selbst zum kapitalistischen Klüngel aus Alt- und Neonazis, Nationalisten, Transatlantikern, Industriellen, reaktionären Adeligen, stinkreichen Ausbeuter aller Art und ihren Lakaien aus Politik, Kultur und Medien. Man läßt sich ungerne öffentlich mit dieser Tatsache konfrontieren.

    Der Betonkasten steht für die Enteignung des deutschen Volks durch seine pseudo-demokratischen Herren, Konzernlenker und Militärherrscher. Die Vernichtung des DDR-Volkshaus und das wieder errichtete häßliche Hohenzollernschloß verherrlichen ihren Triumph.

    Da soll es niemand mitbekommen haben, wie die Nazis mitgemacht haben? Kaum zu glauben im transatlantischen Westdeutschland, das von seiner Gründung bis heute fest im Griff der Eliten aus Nazizeiten, ihrer Erben und Spießgesellen ist.

    22.04.2024 von Hartmut Dorgerloh und Franco Stella - Die Behauptung, Rechte hätten Einfluss auf das Stadtschloss gehabt, sei falsch – wehren sich die Stiftung Humboldt-Forum und Architekt Franco Stella in einem Gastbeitrag.

    Mit schweren Vorwürfen hat der Architekt Philipp Oswalt die Stiftung Humboldt-Forum konfrontiert und ihr vorgeworfen, Nebelkerzen zu zünden und zu lügen. Oswalt, seit jeher Gegner des neu gebauten Berliner Stadtschlosses, kritisiert in seinem neuen Buch „Bauen am nationalen Haus“ die Intransparenz hinsichtlich der Spender. Nun wehren sich Hartmut Dorgerloh, der Präsident der Stiftung Humbold-Forum, und Stadtschloss-Architekt Franco Stella und widersprechen in einem Exklusivbeitrag für die Berliner Zeitung vehement.

    Der Architekt Philipp Oswalt behauptet in einem Interview mit der Berliner Zeitung, rechtslastige Spender:innen hätten Einfluss auf die Rekonstruktion der Fassade des Berliner Schlosses genommen, und die Stiftung Humboldt-Forum im Berliner Schloss würde diesen Einfluss vertuschen und sogar lügen. Die Rekonstruktion, so Oswalt, sei „etwas merklich anderes als das, was die Expertenkommission empfohlen und was der Bundestag 2002 beschlossen hat“. Als Vorstandsvorsitzender der Stiftung Humboldt-Forum im Berliner Schloss und als Architekt, der für den Bau verantwortlich war, widersprechen wir dieser Darstellung mit allem Nachdruck. Philipp Oswalt wiederholt seine Behauptungen zu vielen Anlässen. Dadurch werden sie nicht wahrer.

    Vielmehr erfolgte die Rekonstruktion der Schlossfassade, einschließlich der Kuppel, der Kuppelfiguren, auf Beschluss des Stiftungsrates, und dieser Beschluss wiederum basierte auf den Entscheidungen des Deutschen Bundestages und der dort zuständigen Ausschüsse. Private Spender:innen haben es ermöglicht, dass die in diesen Entscheidungen definierten „baulichen Optionen“ tatsächlich umgesetzt werden konnten – diese private Finanzierung war Wille der Politik. Aber keine und keiner dieser mehr als 40.000 privaten Spender:innen – und auch der Förderverein Berliner Schloss nicht – hat Einfluss auf die Gestaltung und Architektur genommen. Das lag allein in der Verantwortung der zuständigen politischen Gremien, des Stiftungsrates und des Architekten.

    Beim Realisierungswettbewerb des Bundes im Jahr 2008 hat der Entwurf von Franco Stella, hier Mitunterzeichner, den Zuschlag erhalten – ein Entwurf, der damals gerade für seine 1:1-Rekonstruktionen wichtiger Bau- und Stilelemente gewürdigt wurde. Fast alle rekonstruierten Elemente des jetzigen Berliner Schlosses waren schon in diesem Entwurf enthalten, darunter auch die Kuppel, die sich bereits die von Philipp Oswalt erwähnte Expertenkommission explizit vorstellen konnte. Weitere Elemente wie etwa die Figuren rund um die Kuppel und die Balustradenfiguren wurden vom unterzeichnenden Architekten vorgeschlagen, weil sie aus architektonischer Sicht geboten und auch mit Blick auf die gewünschte möglichst originalgetreue Rekonstruktion sinnvoll waren.


    Franco Stella, Gewinner des Bundeswettbewerbs und Architekt des teilrekonstruierten Schlosses Foto Markus Wächter/Berliner Zeitung

    Die konkrete Planung der Kuppel als Vollrekonstruktion mit historischer Hülle begann im August 2010, sobald die historischen Unterlagen ausreichend ausgewertet waren, um die Detail-Planung anzugehen. Dass beim Berliner Schloss im Laufe eines Wettbewerbsverfahrens architektonische Details präzisiert und die Umsetzung genauer bestimmt wurde, ist absolut üblich. Alle, die mit Bauprojekten dieser Größenordnung Erfahrung haben, wissen das.
    Von Spendern mit rechtsextremen Positionen distanzieren wir uns aufs Schärfste

    Der Bund hat diese Planung im Sommer 2011 freigegeben, mit der Auflage, die Umsetzung der sogenannten baulichen Optionen wie der historischen Kuppel über private Spenden zu finanzieren. Dafür hat der Förderverein Berliner Schloss Spenden gesammelt. Insgesamt haben Zehntausende Menschen aus allen Teilen der Gesellschaft gespendet. Darunter, wie wir heute wissen, auch Personen, die rechtsextreme Positionen vertreten. Von diesen Personen und ihren Positionen distanzieren wir uns aufs Schärfste. Die antidemokratischen Positionen widersprechen unseren Überzeugungen und dem, was wir inhaltlich im Humboldt-Forum tun – und sie widersprechen den Werten der großen Mehrheit derer, die für die Rekonstruktion des Schlosses gespendet haben.


    Hartmut Dorgerloh, Generalintendant und Vorstandsvorsitzender der Stiftung Humboldt-Forum Foto Markus Wächter/Berliner Zeitung

    Aber all das hat mit den Entscheidungen, was genau gebaut werden sollte, nichts zu tun. Behauptungen, bei diesen architektonischen Entscheidungen sei eine „rechtsnationale Agenda“ verfolgt worden, sind falsch und zutiefst unangemessen. Unangemessen gegenüber dem Deutschen Bundestag und seinen Entscheidungen, gegenüber dem Stiftungsrat der Stiftung Humboldt-Forum, in dem alle Parteien des Bundestages wie auch die Berliner Landesregierung vertreten sind, gegenüber der Leitung und dem Team des Humboldt-Forums wie auch gegenüber dem Architekten, dessen Entwurf durch eine vom Bund eingesetzte Jury, besetzt mit renommierten Expert:innen, ausgezeichnet wurde.

    Die Entscheidungen der demokratisch gewählten Parteien und der zuständigen Gremien mögen einem nicht gefallen – hierzu kann jede und jeder eine eigene Meinung haben. Aber ihre Akzeptanz ist grundlegend für ein respektvolles demokratisches Miteinander.

    Prof. Dr. Hartmut Dorgerloh, Generalintendant und Vorstandsvorsitzender der Stiftung Humboldt-Forum

    Prof. Arch. Franco Stella, Gewinner des Bundeswettbewerbs und Architekt des teilrekonstruierten Berliner Schlosses

    Architekt erhebt schwere Vorwürfe wegen rechter Spender des Stadtschlosses: „Die Humboldt-Stiftung lügt“
    https://www.berliner-zeitung.de/kultur-vergnuegen/architekt-philipp-oswalt-berlin-stadtschloss-rechte-spender-humbold

    Berliner Schloss: Propheten-Statuen kehren auf Kuppel zurück
    https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/berliner-schloss-propheten-statuen-kehren-auf-kuppel-zurueck-li.219

    #Berlin #Mitte #Schloßplatz #Schloßfreiheit #Liebknechtbrücke #Architektur #Revanchismus #Preußen #Hohenzollern

  • Architekt Philipp Oswalt über Berlins Stadtschloss und rechte Spender : „Die Humboldt-Stiftung lügt“
    https://www.berliner-zeitung.de/kultur-vergnuegen/architekt-philipp-oswalt-berlin-stadtschloss-rechte-spender-humbold


    Der Architekt und Architekturprofessor Philipp Oswalt Foto Nadja Wohlleben

    A Berlin la réproduction en béton armé de du château des rois de Prusse est une affaire d’état et d’extrême droite. Le bâtiment sert la même idéologie nationaliste et réactionnaire comme l’église #Garnisonskirche à #Potsdam. Le nouveau bellicisme y rencontre le militarisme prusse et son siècle triomphal de 1813 à 1914.

    Cerise amtidemocatatique sur le gâteau au goût révanchiste - on y a déplacé les collections éthnologiques dont une partie consiste en objets volés et pillés dans le monde entier à l’époque de l’empire allemand. Ces collections ont été volées une deuxième fois, cette fois aux Berlinois, qui y avaient libre accès dans des bâtiments agréables et modernes à Berlin-Dahlem, afin de les enfermer dans un bâtiment consacré au discours justificateur du nouvel impérialisme woke nationaliste et transatlantique à la fois.

    17.4.2024 von Susanne Lenz - Der Architekt Philipp Oswalt über das Unbehagen, das ihm die Rekonstruktion der Schlossfassade bereitet, und die Verbindung des Fördervereins in rechtsradikale Milieus.

    Als verbissensten Gegner des Neubaus des Berliner Stadtschlosses hat jemand den Architekten Philipp Oswalt mal bezeichnet. Dabei kämpfte er vor allem gegen die historisierende Fassade und die Intransparenz hinsichtlich der Spender. Die Recherchen für sein neues Buch „Bauen am nationalen Haus“ haben erbracht, dass einige dem rechtsradikalen Milieu angehören und sie Einfluss auf die Gestaltung der Fassade genommen haben. Er empfängt uns in seiner Wohnung in Berlin-Schöneberg.

    Sie haben hier im Wohnzimmer ja Lampen aus dem Palast der Republik an der Decke. Wie sind Sie an die gekommen?

    Ich bin mit dem Künstler Fred Rubin befreundet, der einiges aus dem Palast der Republik gesichert hat. Die Lampen hat er umgestaltet. Es geht dabei nicht um Trophäen, sondern um kulturelle Transformation.

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    Wo der Palast der Republik stand, steht heute das Stadtschloss. Sie haben kürzlich in Zusammenhang mit der Aufstellung der Prophetenfiguren an der Kuppel, Transparenz hinsichtlich der Spender gefordert. Warum halten Sie das für so wichtig?

    Ich muss vorausschicken, dass ich mich für den Erhalt des Palasts der Republik eingesetzt habe. Ich wollte, dass man ihn als Ort der deutschen Geschichte in eine Neugestaltung einbezieht. Das hat auch die Expertenkommission empfohlen. Ich lehne historische Rekonstruktionen nicht grundsätzlich ab, habe ja selbst in Dessau die Rekonstruktion der Bauhaus-Meisterhäuser mitverantwortet, aber ich bin gegen die Orthodoxie, mit der das in Berlin betrieben worden ist. Unbehagen bereitet mir auch das Geschichtsverständnis, das mit dieser Rekonstruktion einhergeht. Ich hatte aber nie den Verdacht, dass dahinter rechtslastige Interessen stehen könnten.

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    Nadja Wohlleben

    Zur Person

    Der Architekt Philipp Oswalt, geboren 1964 in Frankfurt am Main, ist Professor für Architekturtheorie an der Universität Kassel. Er war u.a. Leiter des Projektes „Schrumpfende Städte“ der Kulturstiftung des Bundes (2002–2008) und Direktor der Stiftung Bauhaus Dessau (2009–2014).
    Er ist Autor und Herausgeber zahlreicher Publikationen zur zeitgenössischen Architektur und Stadtentwicklung. Zuletzt ist von ihm „Bauen am nationalen Haus. Architektur als Identitätspolitik“ (Berenberg-Verlag 2023, 240 S. 22 Euro) erschienen.
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    Wie sind Sie dann darauf gekommen?

    Durch meine Auseinandersetzung mit der Garnisonkirche in Potsdam. Der Name des Großspenders Ehrhard Bödecker war mir daher bekannt. Als ich mir dann in der Deutschen Bibliothek in Leipzig seine Schriften angeguckt habe, war der Fall relativ klar. Nachdem seine antisemitischen Äußerungen bekannt geworden waren, forderte die Familie, dass seine Plakette im Schloss entfernt wird.

    In Ihrem neuen Buch „Bauen am nationalen Haus“ stellen Sie fest, dass es viele rechtslastige Spender gibt.

    Es gibt eine strukturelle Verbindung des Fördervereins in rechtsradikale Milieus. Nicht nur, was Spender betrifft, sondern auch einzelne Vereinsmitglieder und Funktionäre des Vereins. Dieter Lieberwirth aus der Partei der Republikaner war Gründungsvorstand und wirkt bis heute im Verein. Karl-Klaus Dittel engagierte sich im baden-württembergischen Zweig des Fördervereins, der fragwürdige Kampagnen für die AfD dort organisiert hat, Stichwort illegale Parteienfinanzierung.

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    Zieht ein solches Projekt rechtslastige Spender an, oder ist es nicht einfach normal, dass unter 40.000 Spendern auch politisch Rechtsstehende oder Rechtsradikale sind?

    Beides stimmt. Bei einem Symbolbau aus vordemokratischer Zeit, der als Identitätsanker propagiert und als nationales Symbol verstanden wird, gibt es eine Anschlussfähigkeit in rechtsradikale und rechtsextreme Milieus. Das wird zum Teil bestritten. Herr Boddien sagt, Preußen spiele in diesen Milieus keine Rolle. Der Förderverein hat aber den Kontakt nicht nur nicht vermieden, wie meine Recherchen zeigen. Er hat bereits 1993 in der Jungen Freiheit inseriert und sich bis heute nicht abgegrenzt.

    Sie behaupten, dass rechtslastige Spender Einfluss auf die Struktur der Fassade genommen haben, etwa was die Gestaltung der Kuppel angeht. Die Humboldt-Stiftung weist das zurück. Die Kuppel sei bereits Bestandteil von Frank Stellas Entwurf gewesen.

    Die Humboldt-Stiftung wirft Nebelkerzen und sie lügt. Das, was hier heute steht, ist etwas merklich anderes als das, was die Expertenkommission empfohlen und was der Bundestag 2002 beschlossen hat. Und der Förderverein hat diese Radikalisierung durchgesetzt. 2003 wurde der Abriss des Palasts beschlossen, damit war auch der Beschluss der Expertenkommission hinfällig, dass er teilweise in den Schlossneubau einbezogen wird. Der Entwurf der Wettbewerbsausschreibung für den Neubau wird durchgestochen, skandalisiert, Thierse mischt sich ein, ein Entwurf für die Kuppel wird zwingend, wobei der Bauherr, also der Bundestag, sich damals noch nicht festlegte, ob es eine historisch getreue oder eine Neuinterpretation sein soll. Dann kam der Wettbewerb, und mit dem Entwurf von Kuehn Malvezzi eine interessante Interpretation, die ein schwebendes Dach statt der Kuppel vorsah. Das wurde von der Jury als unzulässig erklärt: Es sei keine Kuppel. Mit der Entscheidung für Stellas Entwurf entschied man sich für die Rekonstruktion der Kuppel und auch die Innenseite der Portale.

    Philipp Oswalt: „Die Politik sah sich in der Pflicht, Spenderwünschen nachzukommen.“

    Philipp Oswalt: „Die Politik sah sich in der Pflicht, Spenderwünschen nachzukommen.“Nadja Wohlleben

    Wenn der Entwurf Stellas die Kuppel bereits vorsah, warum sagen Sie dann, die Humboldt-Stiftung werfe Nebelkerzen?

    Weil die Stiftung Stellas Entwurf und seine Überarbeitung zwei Jahre später in einen Topf wirft. In dem Wettbewerbsentwurf waren die Propheten nicht enthalten. Die Stiftung lügt, wenn sie sagt, dass es keinen Einfluss der Spender gegeben hat. Die zusätzlichen Rekonstruktionen waren nicht durch den Grundsatzbeschluss von 2002 abgedeckt, und deshalb auch nicht haushalterisch unterlegt. Das heißt, das musste durch Spenden finanziert werden. Das war allen Beteiligten klar. Die Politik sah sich dann in der Pflicht, Spenderwünschen nachzukommen. Und es ist ja auch eigentlich nicht problematisch, dass bei einem Projekt, bei dem es eine zivilgesellschaftliche Teilhabe gibt, eine Mitgestaltung erwünscht ist. Das wird nur deshalb heikel, weil dabei auch rechtsradikale Positionen eine Rolle gespielt haben. Auch beim Eosanderportal. Nehmen Sie die große Kartusche. Das ist eine Zutat von 1904, der Bundestag hat 2002 von einer Barockfassade gesprochen. Da ging es nicht um wilhelminische Elemente. Das hat man dem Förderverein überlassen und diesem ist alles bis 1918 heilig. Natürlich ohne die Schäden der Revolution.

    Warum macht die Stiftung das?

    Das ist schwer zu erklären. Der Förderverein geht ja mit der Stiftung nicht gerade zimperlich um. Hartmut Dorgerloh war teilweise schwer unter Beschuss. Trotzdem – nachdem der Anwalt Peter Raue dem Förderverein einen Persilschein hinsichtlich der rechten Spender ausgestellt hatte, erklärte die Stiftung 2022, nun sei alles in Ordnung, man arbeite gern wieder mit dem Förderverein zusammen. Doch das entbehrte jeder sachlichen Grundlage.

    Was meinen Sie?

    Raues Persilschein – abgesehen davon, dass er in dieser Angelegenheit befangen war, da er Anwalt des Fördervereins und der Familie Bödecker ist – lag dem Stiftungsrat gar nicht vor. Aber vor allem konnte Herr Raue von den 26 Millionen anonym eingegangener Gelder nur etwas über eine Million prüfen, da bei den übrigen 25 Millionen selbst dem Förderverein unbekannt ist, woher das Geld kommt. Da muss man sagen: Liebe Leute, das habt ihr gut verschwiegen und man hat es euch abgenommen. Auch das Gutachten des Instituts für Zeitgeschichte zu Bödecker lag dem Stiftungsrat nicht vor. Herr Dorgerloh hat das beschönigend dargestellt, indem er sagte, Bödecker sei weder rechtsextrem noch im rechtsradikalen Sinne antisemitisch. Es ist für mich offenkundig, dass die Stiftung kein ehrliches Aufklärungsinteresse hatte. Alle, auch die Bundestagsparteien, wollten Ruhe in die Debatte bringen und keine Angriffsfläche bieten. Aber die Spendenpraxis waren ein zentrales Legitimationsinstrument. Man konnte sagen, die Fassade kommt aus der Bevölkerung, es ist ihr Wunsch. Und wenn dies einen Makel bekommt, will man lieber den Deckel draufhalten.

    Philipp Oswalt: „Ist die Reproduktion eines Hohenzollernschlosses im 21. Jahrhundert die adäquate Setzung für die heutige deutsche Gesellschaft?“

    Philipp Oswalt: „Ist die Reproduktion eines Hohenzollernschlosses im 21. Jahrhundert die adäquate Setzung für die heutige deutsche Gesellschaft?“Nadja Wohlleben

    Eine der zentralen Thesen Ihres Buches ist, dass solche Repräsentationsbauten wie das Stadtschloss dazu dienen, gesellschaftliche Identität zu schaffen. Was für eine Identität soll das denn in diesem Fall sein?

    Das Schloss ist das wichtigste Bundesbauprojekt neben dem Reichstag seit 1990: Aber ist die Reproduktion eines Hohenzollernschlosses im 21. Jahrhundert die adäquate Setzung für die heutige deutsche Gesellschaft? Man hat versucht, das mit dem Inneren auszugleichen, mit den außereuropäischen Sammlungen. Das ist eine neokoloniale Instrumentalisierung dieser Kulturen, wenn man damit die preußische Fassade legitimieren und sich als weltoffen darstellen will. Und das Problem mit der Fassade wird man damit nicht los.

    Sie sprechen im Zusammenhang mit der Rekonstruktion von Deckerinnerung. Was ist das?

    Der Begriff kommt aus der Psychologie. Mit einer Erinnerung wird eine andere verdeckt. Der Ort, an dem das Schloss steht, stand für vieles: für Preußen, den Wilhelmismus, die Revolution, die Weimarer Republik, den Krieg, die deutsche Teilung, die friedliche Revolution von 1990. Aber die Geschichte ab 1918 wurde eliminiert. Wobei die stalinistisch motivierte Sprengung des Schlosses 1950 bereits die davorliegende Geschichte eliminiert hat. Immerhin hat man die Erinnerung an die Revolution von 1918 durch den Transfer des Schlossportals ins Staatsratsgebäude zu bewahren versucht. Das Stadtschloss hat die Gewaltgeschichte des 20. Jahrhunderts durch einen Rückgriff auf die Zeit vor 1918 verdrängt.

    Philipp Oswalt bewertet den Abriss des Palasts der Republik als „ikonoklastischen Rachefeldzug oder eine Art Exorzismus“.

    Philipp Oswalt bewertet den Abriss des Palasts der Republik als „ikonoklastischen Rachefeldzug oder eine Art Exorzismus“.Nadja Wohlleben

    In Teilen der ostdeutschen Öffentlichkeit wird der Abriss des Palasts als kolonialer Akt der BRD verstanden.

    Das halte ich für falsch. Es gab eine westdeutsche Kolonisierung, aber was geschichtspolitische Fragen angeht, ist das eher eine Generationenfrage. Es gab auch vehemente Kräfte aus dem Osten, die sich für den Abriss eingesetzt haben. Günter Nooke war einer der Antragsteller, es gab Wolfgang Thierse, Manfred Stolpe, Wolfgang Tiefensee, Vera Lengsfeld, die damals noch in der CDU-Fraktion war, Richard Schröder. In meiner Wahrnehmung ist es die Generation der durch den Mauerbau Traumatisierten in West und Ost, die sich auf einen ikonoklastischen Rachefeldzug begeben oder eine Art Exorzismus betrieben haben. Man will in der Geschichte auch hinsichtlich der baulichen Spuren obsiegen.

    Sie brauchen keine Rache, weil Sie einer anderen Generation angehören?

    Ich bin aus Westdeutschland, lebe seit 1984 in Berlin, und habe nach 1990 eine starke Bindung an ostdeutsche Akteure und Milieus gewonnen. Für mich ist klar, dass die DDR eine totalitäre Diktatur war, aber natürlich ist das eine wichtige Epoche deutscher Geschichte. Und es gab auch in der DDR interessante Entwicklungen, dissidentische und reformerische. Es ist irrsinnig, das in einen Giftschrank zu packen. Die jüngere Generation hat eine gelassenere Einstellung dazu, sie muss sich nicht am SED-Staat rächen. Für sie ist das eine abgeschlossene Periode, die man als Teil der deutschen Geschichte annehmen und einen Umgang damit finden kann. Keinen verherrlichenden Umgang, aber eben auch keinen eliminatorischen, sondern einen differenzierenden und in Teilen wertschätzenden.

    Sie schlagen gemeinsam mit Max Czollek, Agnieszka Pufelska und Jürgen Zimmerer vor, einen künstlerischen Wettbewerb auszuschreiben, mit dem Ziel, die Preußen-Fassade zu brechen. Wird das jemals passieren?

    Warum eigentlich nicht? Die Gründungsintendanz des Humboldt-Forums machte zum Beispiel den Vorschlag, die Skulptur „Zweifel“ von Lars Ramberg temporär auf das Schloss zu setzen. Diese Idee ist dann sang- und klanglos gestorben, denn in vielen Kreisen galt das als Sakrileg. Wenn Ramberg seine Skulptur auf das Louvre setzen würde oder auf die Tate, würde dann die französische oder britische Gesellschaft Sturm laufen? Die Stiftung Humboldt-Forum würde eine solche Aktion aus ihrem Gefängnis befreien. Warum ist man in Deutschland zumindest teilweise so verkrampft? Was soll schlimm daran sein, das Spruchband an der Kuppel zu überblenden oder dem Ort Spuren aus der Zeit zwischen 1918 und 2008 einzuschreiben? Warum soll ich nicht zum Beispiel markieren, was die kaiserlichen Truppen am Schloss kaputt geschossen haben, um die Revolutionsgarden zu schlagen. Das wäre doch interessant. Wen stört das? Müssen wir erst mal drei Generationen warten? Das Schloss ist ein Ort, mit dem sich viele nicht identifizieren können. Warum soll man das nicht öffnen?

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