• Einsturzgefahr: Wohnhaus in Schöneberger Goltzstraße evakuiert, mehrere Straßen gesperrt
    https://www.berliner-zeitung.de/news/wegen-einsturzgefahr-wohnhaus-in-schoeneberg-grunewaldstrasse-evaku

    Hier ist die Rede vom Haus Goltz-Grunewald, nordöstliche Ecke. Goltzstraße 1 / Grunewaldstraße 16.

    Alles privat, jeder ist für sich selbst verantwortlich und so braucht der Immobilienkonzern, dem das unbewohnbare Haus gehört, offenbar keinem Mieter eine Ersatzwohnung zu stellen. So ist das in Berlin, hier könnse überhöhte Mieten für Bruchbuden kassiern ohne irgeneine Verantwortung zu übernehmen.

    Wetten, dass hier in zwei oder drei Jahren ein schicker Neubau mit superteuren Eigentumswohnungen steht !

    10.4.2024 von Sophie Barkey, Elizabeth Rushton, Verena Zistler - Ein Haus an der Kreuzung von Grunewaldstraße und Goltzstraße droht zu kollabieren. Der Bereich um das Gebäude ist abgesperrt – darunter verläuft eine U-Bahnlinie.

    Mehrere Anwohner in Schöneberg haben am Mittwoch ihre Wohnungen verlassen, weil ihr Haus in der Goltzstraße, Ecke Grunewaldstraße, einzustürzen droht. Das bestätigte die Berliner Feuerwehr auf Anfrage der Berliner Zeitung. Ein Einsatzleiter hatte dort am Mittag die Lage geprüft. Weil das Gebäude jedoch auf einem privaten Grundstück steht und die öffentliche Sicherheit und Ordnung nicht gefährdet sei, wurde die Zuständigkeit an das Bezirksamt und Bauamt weitergegeben. Das Gebäude weist sichtbare Risse in der Fassade auf, die Kreuzung ist gesperrt. Mehrere Schaulustige hatten sich dort nach Angaben einer Reporterin versammelt. Auch die Polizei war vor Ort.

    Bauarbeiter hatten laut einem Polizisten vor Ort am Mittwochmorgen bei den Sanierungsarbeiten im Erdgeschoss festgestellt, dass offenbar „alles marode“ war und sollen dann gemeldet haben, dass die Sicherheit des Eckteils des Hauses nicht mehr zweifelsfrei gegeben sei. Das Haus wurde schließlich evakuiert, nachdem auch ein Statiker das Haus begutachtet hatte.

    Wie der Polizist weiter sagte, werde das Haus nun zunächst gesichert, bis eine Baufachfirma feststellen kann, ob womöglich der Eckteil des Hauses abgerissen werden müsse. Erst nach der Bewertung einer Fachfirma soll klar werden, wann die Anwohner zurück in ihre Wohnungen können. Bis dann würden die meisten von ihnen bei Verwandten unterkommen, so der Polizist weiter.

    Nach Angaben des Hauseigentümers können neun Mieter zunächst ihre Wohnungen nicht nutzen. Sie würden in Ersatzunterkünften untergebracht, falls sie nicht bei Freunden oder Verwandten unterkommen könnten, teilte die Heimstaden Germany GmbH auf Anfrage mit. „Einen Zeitraum zu nennen, wie lange die Wohnungen nicht genutzt werden können, ist aktuell leider nicht möglich“, hieß es.

    Anwohner erfuhren am Vormittag von Evakuierung

    Von den Evakuierungen betroffen ist auch das junge Paar Ella und Claus (Namen von der Redaktion geändert). Die beiden wohnen seit sechs Jahren im betroffenen Haus. Erst am Mittwoch um 11 Uhr wurden sie von ihrem Vermieter informiert, dass die Sicherheit des Hauses gerade geprüft werde – da hieß es ihnen zufolge noch, sie sollten erstmal zu Hause bleiben. „Wir gehen davon aus, dass das nur eine Vorsichtsmaßnahme ist“, sagt Ella. Die Polizei hat sich dann gegen 17.30 Uhr bei den Einwohnern gemeldet, mit dem Evakuierungsbefehl und der Empfehlung für ein bis zwei Wochen einzupacken.

    „Hoffentlich werden wir aber viel schneller wieder zu Hause sein – wir drücken uns einfach die Daumen“, sagt Claus. Bis dann wird das Paar bei Freunden in Schöneberg übernachten, Claus hat auch Verwandte in Berlin. Ihre Wohnung befindet sich nicht im betroffenen Eckteil des Hauses, sondern im Gebäude daneben in der Grunewaldstraße, ihre Wohnung grenzt allerdings an den betroffenen Eckteil an. In ihrer Wohnung habe es nichts gegeben, das bei dem Paar Sorge ausgelöst hätte, so Ella. „Diese Risse und die bröckelige Fassade waren schon länger so“, sagt sie. „Das Haus ist einfach super alt – das wissen halt alle.“

    Heimstaden sind statische Probleme am Wohnhaus schon länger bekannt

    Nach Angaben von Heimstaden sind tatsächlich schon seit Längerem statische Probleme an dem Gebäude bekannt. Die Ursache dafür habe bislang nicht geklärt werden können, hieß es. Bereits seit Dezember 2023 werde ein sogenanntes Rissmonitoring durchgeführt, bei dem Veränderungen der auffälligen Risse im Mauerwerk beobachtet und dokumentiert würden, teilte das Unternehmen mit.

    Für das Ladenlokal in dem Eckhaus gebe es seit dem 3. April Sicherungsmaßnahmen. Zudem sei das Fundament untersucht worden. Bei einer erneuten Überprüfung habe dann der beauftragte Statiker am (heutigen) Mittwoch eine Ausdehnung der Risse entdeckt. „Danach haben wir unmittelbar die Bauaufsicht in Kenntnis gesetzt, die eine Teil-Sperrung des Gebäudes (Erkerbereich/Eckhaus) und Teile der Grunewaldstraße angeordnet hat“, teilte das Unternehmen weiter mit.

    Die zuständige Bezirksstadträtin Eva Majewski (CDU) zeigte sich erstaunt darüber, dass dem Unternehmen offensichtlich schon länger Probleme bekannt sind. „Ich höre das jetzt das erste Mal, dass das offensichtlich seit Jahren bekannt ist“, sagte Majewski in der RBB-Abendschau.

    U7 verläuft unter dem einsturzgefährdeten Haus: Geschwindigkeit verringert

    Unter dem Gebäude verläuft nach Informationen der Berliner Zeitung auch die U-Bahnlinie 7 der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG). Die Bahnen fahren daher als Vorsichtsmaßnahme derzeit mit deutlich verringerter Geschwindigkeit zwischen den naheliegenden U-Bahnhöfen Kleistpark und Eisenacher Straße, teilte ein BVG-Sprecher mit. Außerdem wird der Nachtbus N7 zunächst umgeleitet, andere Busse fahren dort nicht.

    Nach Informationen von vor Ort war am späten Nachmittag ein großer Bereich rund um das einsturzgefährdete Gebäude für Autos, Fußgänger und Radfahrende gesperrt. Betroffen ist die gesamte Kreuzung Grunewaldstraße/Goltzstraße/Akazienstraße. Wie die Berliner Verkehrsinformationszentrale auf Twitter-Nachfolger X am Mittag mitteilte, war auch die Hauptstraße von den Sperrungen betroffen. Eigentümer und Bezirksamt beraten nun über das weitere Vorgehen. Autofahrer müssen in dem Bereich weiterhin mit Behinderungen rechnen.

    #Berlin #Schöneberg #Goltzstraße #Grunewaldstraße #Immobilien #Wohnen #Kapitalismus

  • Berliner zu arm? Christoph Gröner verrät, warum er in der Hauptstadt nicht mehr baut
    https://www.berliner-zeitung.de/wirtschaft-verantwortung/berliner-zu-arm-christoph-groener-verraet-warum-er-in-der-hauptstad

    9.4.2024 von Liudmila Kotlyarova - Teure Grundstücke, schwache Kaufkraft: Einer der größten Bauherren Deutschlands erzählt im Interview, warum Berlin beim Wohnungsbau absackt und was man dagegen tun könnte.

    Christoph Gröner, einer der größten und prominentesten Bauherren in Deutschland, hat geschäftlich seinen Sitz in Berlin – baut hier aber seit zwei Jahren nichts mehr.

    Er war 2020 der Big Spender der Berliner CDU: 820.000 Euro ließ Gröner der Partei insgesamt zukommen. Auf dem Zukunftsforum seiner Gröner Group Ende März in Berlin erklärte er sich zum überzeugten Sozialdemokraten. Wie passt das zusammen? Wir haben mit ihm gesprochen.

    Herr Gröner, Sie haben ökologisches Bauen zu Ihrer Unternehmensstrategie erklärt. Die Baukosten seien jedoch „komplett aus dem Ruder gelaufen“, merkt die deutsche Wohnungswirtschaft an. Wie wollen Sie erreichen, dass bezahlbare Wohnungen nicht bald reines Wunschdenken werden?

    Es ist nicht das Bauen, das das Wohnen unbezahlbar macht. In München liegen die reinen Baukosten zwischen 3000 und 4000 Euro pro Quadratmeter, die Grundstückspreise dagegen bei 6000 bis 8000 Euro. Bei einem Bauobjekt kommen wir auf bis zu 12.000 Euro Gesamtkosten pro Quadratmeter. In Hamburg kosten die Grundstücke ebenfalls 5000 bis 6000 Euro und das Bauen ähnlich wie in München. In Leipzig ist das Land mit 1000 bis 2000 Euro pro Quadratmeter noch deutlich günstiger.

    Und wie ist es in Berlin?Berlin hat eine interessante Entwicklung hinter sich. Als ich 2010 mit dem Bauen in der Hauptstadt begann, lagen die Grundstückspreise bei 700 Euro pro Quadratmeter. Wir konnten für 2000 Euro pro Quadratmeter bauen und sehr günstigen Wohnraum zum Preis von 3000 bis 4000 Euro pro Quadratmeter anbieten.

    Schon 15 Jahre später kostete der gleiche Baugrund fast das Zehnfache. Wenn wir heute über eine Miete im Neubau von 20 bis 25 Euro pro Quadratmeter in Berlin sprechen, macht eben der Grundstücksteil zwei Drittel dieser Miete, und das Bauen acht, neun, vielleicht zehn Euro aus. Sicher haben wir bei den Baukosten in den letzten 20 Jahren fast eine Verdoppelung vorgenommen. Aber nicht die höheren Baukosten sind unser erstes Problem, sondern die Tatsache, dass das knappe Gut der Grundstücke den Spekulanten überlassen wurde.

    Wir kriegen ein Grundstück sehr teuer serviert und machen nur eine Marge von 15 oder 20 Prozent darauf. Und wenn nach außen das Preisschild von 6000 oder 8000 Euro pro Quadratmeter steht, sind wir dann die bösen Bauträger.

    Steglitzer Kreisel: „Wer da klagt, sind sture Leute“

    Aber Sie machen sicher keine Verluste. Den Steglitzer Kreisel sind Sie rechtzeitig losgeworden, und unglückliche Käufer klagen jetzt gegen den neuen Eigentümer. Wie sehen Sie dieses Problem?

    Wenn beim Steglitzer Kreisel eine Wohnung anbezahlt wurde, kann der Käufer sein Geld über den Notar zurückerstattet bekommen. Wer da klagt, sind sture Leute, die es nicht akzeptieren, dass man von einem Immobilienunternehmen, das die Umsetzung nicht bewerkstelligt bekommt, die Umsetzung auch gerichtlich nicht erzwingen kann.

    Die Gesellschaft, der heute der Steglitzer Kreisel gehört (Adler Group, Anm.d.Red.), ist derzeit aus verschiedenen Gründen nicht in der Lage, diesen Bau zu realisieren. Es gibt finanzielle, technologische Fragen, aber auch die Genehmigung des Sockels ist eine große Herausforderung. Ich habe seinerzeit als CEO der CG Gruppe AG vor Jahren den Bau begonnen und bin dann von Mehrheitsgesellschaftern aus meinem eigenen Unternehmen gedrängt worden. Und damit ist mir die Verantwortung für die Fertigstellung quasi entrissen worden.

    In dem Fall ist aber niemandem ein Schaden entstanden, außer dass der ein oder andere Kunde den Traum hat, aus 100 Metern Höhe aus seinem Apartment nach Tempelhof zu schauen und das zu günstigsten Konditionen. In Wirklichkeit haben wir andere Probleme. Wir haben viele Kunden in Deutschland, die tatsächlich vor der Insolvenz eines Bauträgers stehen, die Kaufpreise einbezahlt haben und dann ihre Wohnung nicht bekommen. Das ist sehr belastend für junge Familien, die sich ihren Traum erfüllen wollten, oder Kapitalanleger, die jetzt ihre Rendite nicht ausbezahlt bekommen, sowie alle anderen Käufer und Bürger, die in einer solchen Situation stecken.

    Was bauen Sie derzeit in Berlin, auf welche Projekte sind Sie stolz?

    Wir haben uns in den letzten zwei Jahren sehr zurückgehalten. Bis dahin haben wir über 5000 Wohnungen in Berlin gebaut, darunter die Lichtenberger Lofts oder ein Apartmenthaus in der Otto-Suhr-Allee in Charlottenburg. In Berlin haben wir ein ganz großes Potenzial.

    Wir haben uns 2022 allerdings zurückgezogen, weil die Grundstückspreise explodiert sind. Bereits im Jahr 2021 hat mein Unternehmen aufgehört, irgendetwas in Berlin zu kaufen, weil der Neubau sich nicht mehr rechnete.

    Um es kurz zu machen: Die Kaufkraft einer Stadt, einer Kommune oder eines Volkes bestimmt den Immobilienpreis. Ich könnte die Verknappung zwar dafür nutzen, um einen exorbitanten Preis aufzurufen, und das kann auch kurz funktionieren. Aber auf Dauer funktioniert das nicht. Im Augenblick sind wir ausgestiegen, weil die Kaufkraft eines Berliners nicht mehr den Mietpreis bedienen kann, den ich brauche, um die Grundstückkosten zu bezahlen und noch etwas zu verdienen.
    Neue Wohnungen: „Kaufkraft in Berlin ist für eine Hauptstadt sehr schlecht“

    Die Berliner sind für Sie also zu arm. Haben Sie sich deswegen auf andere Städte umorientiert?

    Wir sind seit 20 Jahren in ganz Deutschland unterwegs, haben Standorte unter anderem in Köln, Leipzig und Karlsruhe. Wenn Sie von Köln nach Frankfurt, Karlsruhe, Augsburg, Stuttgart, München gehen, haben Sie natürlich eine ganz andere Kaufkraft als hier in Berlin. Und interessanterweise sind die Immobilien da nicht unbedingt teurer als in Berlin.

    Es ist in der Tat eine schlechte Nachricht, dass die Kaufkraft in Berlin für eine Hauptstadt in Europa sehr schlecht ist. Wenn Sie überlegen, dass selbst in Prag die Kaufkraft 1,5 Mal so groß ist wie in Berlin, dann ist das ein trauriges Ergebnis, das einer seit Jahrzehnten verfehlten Wirtschaftspolitik.

    Die Realität ist aber, dass auch gebürtige Berliner sich oft keinen neuen Mietvertrag leisten können, geschweige denn eine Eigentumswohnung.

    Man kann sich immer darüber unterhalten, dass sich niemand eine Wohnung leisten kann. Aber man könnte auch mal die Frage stellen: Wieso kann sich niemand eine Wohnung leisten? Weil es geil bzw. sexy ist, arm zu sein, wie es einmal der Slogan von Berlin war? Das tut mir ein bisschen leid für diese Stadt.

    Es wird dann gesagt, Berlin sollte weiter sozial durchmischt bleiben, Quartiere für Menschen mit günstigeren Mieten sollten neu hergestellt bzw. bewahrt werden. Und dann scheitern wir schon schnell an ideologischen Straßenkämpfen in dieser Stadt.

    Hier ein Beispiel: Ich war bis 2019 für den Postbanktower in Kreuzberg zuständig. Die Politik lehnte das ausgewogene Planungskonzept mit 400 frei finanzierten Wohnungen jedoch ab und entschied, dass ausschließlich Sozialwohnungen (und anstatt von Wohnungen für den frei finanzierten Markt teure Büroflächen) entstehen sollten. Es wurde aus rein ideologischen Gründen verhindert, Wohnraum zu schaffen. Ich finde den Wunsch nach bezahlbarem Wohnraum berechtigt. Aber es muss auch der Bürger bedient werden, der sich eine Wohnung im freien Markt leisten kann. Das führt dann zu einer gesunden Durchmischung.

    Die Politik hat nun einen allmählichen Heizungstausch eingeleitet. Setzen Sie auch auf Wärmepumpen?

    Ich bin ein absoluter Fan von Geothermie. Ich finde den Ansatz sehr schön, dass wir die Wärme zum Heizen und Kühlen aus der Erde holen und die Ausschläge in der Temperatur nach oben und dann wieder nach unten kalibrieren können. Das kann man dauerhaft so regulieren, dass man für diese Zwecke kaum noch Strom verbraucht. Und Geothermie funktioniert auch bei den Hochhäusern auf dem dafür geeigneten Boden sehr gut, bei Felsen geht es dann manchmal nicht. Bei unseren Projekten in Köln, Karlsruhe, Stuttgart und München bauen wir bereits die Geothermie ein.

    Doch grundsätzlich hat jedes Projekt seine Herausforderung und seine Lösung. In Berlin würden wir künftig theoretisch eher mit Photovoltaik, Luft-Wärmepumpen und mit dem Blockkraftwerk arbeiten.
    Energiewende: „Ich bezweifle, dass das Stromnetz den Ausbau der Elektromobilität mittragen kann“

    Deutschlands zweitgrößter Vermieter, LEG Immobilien, will ab 2027 jährlich bis zu 9000 Wohnungen auf Luft-Luft-Wärmepumpen oder Split-Klimaanlagen umstellen. Wäre das etwas für Sie?Das ist nicht bezahlbar und auch energetisch nicht vertretbar. Die Stromnetze werden es in dem Ausmaß nicht schaffen. Ich bezweifle auch, dass das Stromnetz den Ausbau der Elektromobilität mittragen kann. Wir schalten Atomkraftwerke aus und fahren dann Kohlekraftwerke hoch, um mehr Strom zu produzieren. Das ist Unfug, ich will mich an so was nicht beteiligen.

    Wenn wir im Sommer dann draußen nachts 32 Grad haben und alle die Wohnung auf 18 Grad herunterkühlen werden, dann ist es vorbei mit dem Klimaschutz, solange wir nicht ausreichend grünen Strom produzieren, aber auch Wasserstoff als Alternative zum Strom.

    Sie nennen sich einen überzeugten Sozialdemokraten. Gleichzeitig haben Sie 2020 mehr als 800.000 Euro an die Berliner CDU gespendet: Warum?

    Die Sozialdemokraten sind für mich in ihrer Ursprungsform keine Ideologen. Das sind Menschen, die Chancengerechtigkeit wollen, die fleißigen, engagierten Menschen eine Zukunft geben, die trotzdem in der Lage sind, wenn es notwendig ist, Menschen dazu aufzufordern, etwas abzugeben, damit der Ausgleich stattfindet. Ich habe im Zusammenhang mit der CDU-Spende deutlich gemacht, dass dies nichts mit meinem Wahlverhalten zu tun hat und ich deshalb noch lange nicht diese Partei wähle.

    Ich habe die Spende jedoch gemacht, weil ich der Überzeugung war, dass die Stadt Berlin eine bürgerliche Klasse haben muss. Die Stadt war den Grünen, den Linken und der SPD und ein paar versprengten Ehrhardt-CDU-Leuten ausgeliefert, die nicht in der Lage waren, einen vernünftigen Ausgleich zwischen sozialer Gerechtigkeit und wirtschaftlicher Prosperität zu schaffen. Die CDU ist doch morgen wieder weg. Aber sie ist stark genug, um mitzuwirken. Die SPD ist stark genug, um mitzuwirken. Und es bleibt doch der Einfluss der Linken und der Menschen, die auch die Verteilung propagieren.
    „Wenn am Schluss der Polizist ohne Wohnung ausgeht, wird er die AfD wählen“

    Was sind Ihre Vorschläge gegen den Wohnungsmangel in Berlin? Der BBU Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen e. V. schlägt etwa Mehrgeschossigkeit vor.

    Wir können mit einem Helikopter über Berlin fliegen, und ich zeige Ihnen Flächen für 200.000 Wohnungen. Wir müssen die Ressourcen, die wir haben, besser nutzen. Da, wo ein einstöckiges Gebäude ist, müssen wir ein fünfstöckiges bauen. Wir müssen jetzt nicht zehn, siebzehn Stockwerke bauen, es reichen auch sieben oder acht. Wir müssen nur vor allen Dingen schnell Baurecht schaffen.

    Und ich schlage es schon länger vor: Lassen Sie uns doch die Autobahn überdecken. Das ist überhaupt kein Problem. Ich habe der früheren Verkehrssenatorin Bettina Jarasch (Grüne) angeboten, mit ihr über die von uns erstellten Pläne zu diskutieren, wie wir auf die Weise 60.000 Wohnungen bauen können: 50 Prozent davon bezahlbar, 50 Prozent frei finanziert und 100 Prozent CO₂-neutral. Leider gab es dazu keine Reaktion. Mit dem Bauen könnten die Berliner „morgen“ beginnen.

    Es fehlt also die Bereitschaft der Politik?

    Es fehlt die Bereitschaft der Politik, da mitzuwirken. Die Immobilienwirtschaft wird von allen Parteien seit vielen Jahren als Faustpfand für die Ideologie genommen. Ich gehe nach Kreuzberg und bekomme ein Bauprojekt nicht genehmigt, weil mir der Verordnete der Linken sagt: Wenn hier 400 Menschen mit mittleren bis höheren Einkommen einziehen, verliere ich mein Mandat, weil ich 400 Menschen mehr habe, die garantiert nicht links wählen.

    In gleicher Weise argumentiert ein Bürgermeister der CSU eines Vororts in München. Dort spricht man offen darüber, dass die Zuziehenden oftmals jung und damit eher den Grünen oder den Sozialdemokraten zugewandt sind. Also ist auch dort das Interesse an einer neuen Bebauung nicht vorhanden – obwohl die Möglichkeit dazu besteht, da auch dort eine Wiederwahl gefährdet würde. Die Politiker sorgen leider nicht wirklich immer konsequent für mehr Wohnraum, sondern kümmern sich oft nur darum, dass sie nächstes Mal wiedergewählt werden.

    Wir müssten den Wohnungsbau aus ideologischen Diskussionen herausnehmen und einfach einen Masterplan entwickeln für diese Stadt, wo die Grünen, die FDP, die Linken, die SPD und die CDU sich überlegen: Wie entsteht möglichst schnell mehr Wohnraum? Wenn ein Polizist, ein Ukrainer und ein Syrer sich um eine Wohnung schlagen, am Schluss der Polizist immer ohne Wohnung ausgeht, wird er die AfD wählen.

    Und wir müssen das verhindern. Wenn wir Demokratie und Freiheit haben wollen, müssen wir ganz schön kämpfen, ganz schnell viele Wohnungen bauen, damit der Wohnungsmangel nicht dazu führt, dass die Menschen aus Verzweiflung anfangen, Unfug zu wählen.

    Vielen Dank für das Gespräch.

    Zum Gesprächspartner

    Christoph Gröner, 56, geb. in Karlsruhe, ist ein deutscher Immobilienunternehmer. Seit der Gründung des Unternehmens im Jahre 2008 ist er der geschäftsführende Gesellschafter, seit 2022 auch der Vorstandsvorsitzende der Gröner Group AG. Im Herbst 2023 gründete er die neue Firma ecobuilding AG, die er mit dem ehemaligen CDU-Politiker Ronald Pofalla leitet. Seine frühere Immobilienentwicklungsgesellschaft, die CG Gruppe AG, wurde 2020 vollständig von der Consus Real Estate übernommen, die zur Luxemburger Adler Group gehört.

    #Berlin #Wohnen #Immobilien #Spekulation #Stadtentwicklung #Politik

  • Kita-Sterben? Prenzlauer Berg hat zu viele Kita-Plätze – wie kann das sein?
    https://www.berliner-zeitung.de/news/kita-sterben-prenzlauer-berg-hat-zu-viele-kita-plaetze-li.2192322

    Die Gentrifizierung hat mit ihrer Eigentumswohnungisierung die soziale und Altersmischung des Stadtteils zerstört. Wo früher immer wieder neue junge Familien in die großen Mietwohnungen einzogen, bleiben die Alten heute bis zum Tod in ihrer Eigentumswohnung, dem Lebensprojekt.

    Eine unfähige städtische Schulplanung hatte bereits in den Neunzigern zu einem Angebotsmangel an Kindergarten- und Schulplätzen geführt, der von privaten Trägern im Kitabereich aufgefangen wurde. Die leiden nun an den absehbaren Überkapazitäten. Kapitalismus eben, das organisierte Chaos.

    29.2.2024 von Jule Damaske - In Prenzlauer Berg sind Hunderte Kitaplätze nicht besetzt. Einrichtungen sind sogar offen für Familien aus Brandenburg. Warum ist das so?

    Über Jahre hieß es, in Berlin gebe es zu wenig Kitaplätze. Doch in Prenzlauer Berg sind einem Bericht der Prenzlauer Berg Nachrichten zufolge aktuell rund 800 Plätze nicht belegt. „Das ist fast jeder zehnte von insgesamt 9565 Plätzen, die für 9625 anspruchsberechtigte Kinder zur Verfügung stehen“, heißt es dort. Vor zehn Jahren kämen auf 8700 Plätze noch 10.655 Kinder. Wie kann das sein?

    Schon in den 1990er Jahren wurden in Prenzlauer Berg Schulen geschlossen, weil dafür die Kinder fehlten. Zehn Jahre später kehrte sich das wieder um. Grund dafür ist dem Bericht zufolge die weniger starke Altersdurchmischung im Bezirk. Dadurch komme es zu Schwankungen im Bedarf, nicht nur bei Kitas und Schulen, sondern auch bei Altenheimen.

    Die Kindergärten Nordost in Prenzlauer Berg betreiben den Angaben zufolge 15 Kitas. Von den etwa 1900 Kitaplätzen seien zurzeit rund 300 nicht belegt. „Mittelfristig wäre auch eine Schließung von Einrichtungen, die etwa unsere baulichen und damit pädagogischen Standards nicht mehr gänzlich erfüllen, zu überprüfen“, sagt Sprecherin Judith Frenz den Prenzlauer Berg Nachrichten. Doch nicht nur die sinkende Nachfrage sei dafür verantwortlich, auch der Personalmangel trage dazu bei. Ohne Erzieherinnen und Erzieher könnten nicht alle vorgesehenen Plätze auch wirklich angeboten werden.

    Pankower Kitas offen für Familien aus anderen Berliner Bezirken und Brandenburg

    In den Einrichtungen werde deshalb ein wirtschaftlicher Verlust befürchtet. Vom großen Kita-Sterben sei der Bezirk jedoch noch weit entfernt. Aktuell würden Räume in den Einrichtungen umgebaut oder das pädagogische Profil geschärft, um so im Konkurrenzkampf um Kinder herauszustechen. Selbst kleine Kitas, die jahrelang bewusst auf Werbung verzichteten, sähen sich nun gezwungen Plakate aufzuhängen oder auf Instagram zu posten, um Nachfolger zu gewinnen.
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    Mittlerweile ist der Bezirk sogar offen für Familien aus anderen Bezirken und aus Brandenburg, sagt Pankows Bezirksstadträtin Rona Tietje (SPD) dem Artikel zufolge. Das Pankower Jugendamt helfe dabei, suchende Eltern und Kitas mit Plätzen zusammenzubringen. Doch nicht jede Familie fände automatisch einen Platz in ihrer Wunschkita. Insbesondere Eltern mit Spätschicht oder Kinder mit besonderem Unterstützungsbedarf müssten in vielen Fällen länger suchen.

    #Berlin #Prenzlauer_Berg #Kindergarten #Pädagogik #Stadtentwicklung #Verwaltung #Immobilien #Soziologie

  • Kampf um Steglitzer Kreisel: Das lange Warten auf die Wohnung mit Blick zum Sonnenuntergang
    https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/kampf-um-steglitzer-kreisel-das-lange-warten-auf-die-wohnung-mit-bl

    24.12.2023 von Ulrich Paul - André Gaufer erwarb vor fünf Jahren eine Wohnung im Steglitzer Kreisel, die spätestens Ende Juni 2022 fertiggestellt sein sollte. Doch daraus wurde nichts.

    Wenn André Gaufer an der Baustelle des Steglitzer Kreisels vorbeikommt, wird er immer etwas wehmütig. „Dann stelle ich mir vor, wie ich mit meiner Tochter in unserer neuen Wohnung Weihnachten feiere“, sagt der 58-Jährige. „Doch leider ist das bis jetzt nur ein Traum, der durch gebrochene Vertragsversprechen verhindert wird“, fügt er hinzu. „Hätten meine Vertragspartner ihr Wort gehalten, würden wir jetzt unser zweiter Silvester dort oben feiern“, sagt Gaufer.

    Dort oben, das ist im 19. Obergeschoss des ehemaligen Bürohauses, das zum Wohnturm umgebaut werden soll. Im Jahr 2018 hat Gaufer eine knapp 70 Quadratmeter große Wohnung erworben. „Mit Blick zum Sonnenuntergang“, sagt er. Spätestens Ende Juni 2022 hätte die Wohnung mit der Nummer 256 fertig werden sollen. Genauso wie die übrigen der insgesamt 330 Eigentumswohnungen, die im Kreisel geplant sind. Doch die Bauarbeiten sind ins Stocken geraten. Der Kreisel präsentiert sich seit Jahren weithin sichtbar als Gerippe aus Stahl und Beton, auch wenn die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung unter Berufung auf Angaben aus dem Bezirk zwischenzeitlich von „Maurer- und Stahlbetonarbeiten“ berichtete.

    Gaufer hat den Kaufvertrag vor fünf Jahren für die Wohnung sowie für einen Stellplatz im Parkhaus auf den Namen seiner Firma Profinance unterzeichnet. Kaufpreis: 623.900 Euro. Damals wollte die CG-Gruppe des Unternehmers Christoph Gröner das Projekt realisieren. Doch dann gab es einen Wechsel bei den Projektverantwortlichen. Inzwischen ist die Adler Group Eigentümer des Steglitzer Kreisels. Sie legte Gaufer wie anderen Erwerbern Nachträge zu den Kaufverträgen vor, mit denen die Vereinbarungen im Nachhinein geändert werden sollten.

    So sollte für Gaufer der mit dem notariellen Kaufvertrag erworbene Stellplatz als Kaufgegenstand entfallen. Stattdessen wurde ihm nur noch „die Möglichkeit zum Erwerb eines Stellplatzes in der Tiefgarage des künftigen Bürogebäudes“ zugesagt, das anstelle des alten Parkhauses geplant ist. Darüber hinaus sollte es weitere bauliche Abweichungen vom ursprünglichen Kaufvertrag geben. Zudem wurde der Fertigstellungstermin von 2022 auf 2024 verschoben und Gaufer sollte einen höheren Miteigentumsanteil erhalten, was zum Beispiel eine stärkere finanzielle Beteiligung an künftigen Instandhaltungen mit sich brächte.

    Gaufer lehnte eine Unterschrift unter die nachträglichen Änderungen ab und pochte auf Vertragserfüllung. Die Gegenseite erklärte daraufhin den Rücktritt vom Kaufvertrag – mit Verweis auf einen angeblichen Verstoß Gaufers gegen das „Kooperationsgebot“. Vor dem Landgericht konnte sich die Adler Group damit aber nicht durchsetzen. Das Gericht entschied im Sommer dieses Jahres, dass die Adler Group mangels Rücktrittsgrund nicht den Rücktritt vom Vertrag habe erklären können. Damit bleibe es bei der ursprünglichen Vereinbarung.

    Erstrittenes Urteil ist noch nicht rechtskräftig

    Das Urteil ist jedoch noch nicht rechtskräftig. Die Adler Group ist in Berufung gegangen. Sie argumentiert unter anderem, dass sich die Klage Gaufers an die falschen Adressaten gerichtet habe: an die Steglitzer Kreisel Turm GBR sowie die Steglitzer Kreisel Parkhaus GBR. Diese seien zu dem Zeitpunkt aber bereits in GmbHs umgewandelt gewesen. Die Auffassung des Landgerichts, Gaufer habe ersichtlich seine Kaufvertragspartner in Anspruch nehmen wollen, sei „rechtsfehlerhaft“ gewesen. Die nachträgliche Änderung der Miteigentumsanteile führt der Rechtsanwalt der Adler Group darauf zurück, dass bei der Ermittlung der ursprünglichen Miteigentumsanteile „ein Fehler unterlaufen“ sei, woraufhin die Anteile auf Veranlassung des Grundbuchamts noch mal neu berechnet werden mussten.

    Gaufers Anwalt weist die Argumentation zurück. Die Klage sei „keineswegs gegen eine nicht existierende Partei geführt worden“. Die Änderung von einer GBR zu einer GmbH sei „identitätswahrend“ geschehen. Deswegen habe die Bezeichnung berichtigt werden können. Die Miteigentumsanteile könnten noch geändert werden, wie im Kaufvertrag vereinbart worden war. Das Kammergericht muss den Fall nun entscheiden. Ein Termin wurde bisher aber noch nicht festgesetzt, berichtet Gaufer.

    Die Adler Group macht auf Anfrage keine Angaben zum Baufortschritt und zum geplanten Fertigstellungstermin. Im März dieses Jahres hatte das Unternehmen noch davon gesprochen, „dass große Teile des Komplexes im Jahr 2024 fertiggestellt werden, unter anderem auch die Wohnungen.“ Die gesamte Fertigstellung des Projekts wurde für 2025 in Aussicht gestellt. Das Land Berlin hat, wie berichtet, wegen der Bauverzögerungen bereits eine Strafzahlung verhängt. Diese wurde nach Angaben der Adler Group „vollständig geleistet“. Dass der Turm des Steglitzer Kreisel wieder an das Land Berlin zurückfällt, falls die Bauarbeiten überhaupt nicht fertig werden sollten, ist im Privatisierungs-Kaufvertrag nicht vorgesehen.
    Grundschuld in Höhe von 4,3 Milliarden Euro eingetragen

    Die Adler Group schafft unterdessen neue Tatsachen. So ließ sie im Grundbuch für etliche ihrer Immobilien in Berlin, darunter die von André Gaufer im Steglitzer Kreisel, eine Grundschuld in Höhe von 4,3 Milliarden Euro eintragen. Auf Anfrage erklärt die Adler Group die Eintragung damit, dass im Rahmen ihrer „finanziellen Restrukturierung Grundschulden als Sicherheit für unsere Kreditgeber hinterlegt worden sind“.

    Gaufers Problem: Er hat zwar im Jahr 2018 einen Kaufvertrag für eine Wohnung und einen Stellplatz im Kreisel unterschrieben, doch gibt es zu seinen Gunsten keine sogenannte Auflassungsvormerkung im Grundbuch, also keine Vormerkung für ihn als Eigentümer. Denn Gaufer hat den Kaufvertrag unterschrieben, als die Grundbuchblätter für die geplanten Wohnungen noch nicht angelegt waren. Als sie angelegt waren, sollte er den nachträglichen Änderungen am Kaufvertrag zustimmen, was er nicht tat. Deswegen gibt es im Grundbuch bis heute keine Auflassungsvormerkung zu seinen Gunsten.

    Wäre Gaufer per Auflassungsvormerkung als künftiger Eigentümer der neuen Wohnung im Grundbuch eingetragen worden, hätte die Adler Group die Wohnung nicht mit einer Grundschuld belasten können. Denn eine Auflassungsvormerkung sichert die Rechte eines Käufers gegenüber dem Verkäufer – auch, damit der Verkäufer zum Beispiel eine Wohnung nicht ein zweites Mal verkaufen kann. Gaufer steht nun vor dem Problem, dass er seinen eigenen Kredit, sobald er ihn abruft, kaum per Grundschuld im Grundbuch absichern lassen kann, solange seine Immobilie durch die Globalgrundschuld der Adler Group belastet ist.

    Vorwürfe gegen den beurkundenden Notar erhoben

    Gaufer sieht im Verhalten des Notars, der 2018 den Kaufvertrag beurkundete, eine Pflichtverletzung. Er habe den Notar im Jahr 2021 gebeten, seinen „Pflichten bei der Umsetzung des Kaufvertrages nachzukommen“, berichtet Gaufer. Er habe gegenüber dem Notar betont, dass er auf die „Einhaltung des Vertrages vom 18. Oktober 2018“ bestehe. Doch der Notar habe trotzdem keine Auflassungsvormerkung zu seinen Gunsten eingetragen, „sondern sein weiteres Handeln vom Abschluss“ des geforderten Nachtrags abhängig gemacht, so Gaufer. „Da ich einer solchen Regelung nicht zugestimmt habe, wurde mein Kaufvertrag nicht vollzogen“, so Gaufer.

    Gaufer hat Beschwerde bei der Notarkammer und beim Landgerichtspräsidenten eingereicht, der als Dienstaufsicht für Notare fungiert. Was aus der Beschwerde geworden ist, hat Gaufer bisher nicht erfahren. Die Notarkammer teilte ihm vor kurzem mit, dass die Beschwerdeabteilung „das in standesrechtlicher Hinsicht erforderlich Erscheinende veranlasst“ habe – und wies zugleich darauf hin, dass sie aufgrund der sie „bindenden Verschwiegenheitspflicht“ weitere Einzelheiten nicht mitteilen dürfe. Was das Landgericht unternommen hat, weiß Gaufer ebenfalls nicht. Die für seine Dienstaufsichtsbeschwerde zuständige Richterin habe ihm am 27. Juni mitgeteilt, dass die „Prüfung des Vorgangs“ noch andauere. Sie versprach, sie werde „unaufgefordert auf die Angelegenheit zurückkommen“. Gaufer: „Dies ist bis heute nicht geschehen.“ Der 58-Jährige ist unzufrieden. Er sei enttäuscht, dass er „als Beschwerdeführer“ keine Informationen darüber erhalte, wie seine Beschwerde behandelt werde, sagt er.

    Der Notar verweist auf Anfrage der Berliner Zeitung auf die „Verschwiegenheit“, der er unterliege. Den Vorwurf der Pflichtverletzung weist er zurück. „Eine Pflichtverletzung in Zusammenhang mit der nicht erfolgten Eintragung von Eigentumsübertragungsvormerkungen habe ich nicht begangen“, erklärt er. „Auch hat wegen der nicht erfolgten Eintragung von Eigentumsübertragungsvormerkungen weder die Notarkammer noch die Dienstaufsicht dienst- oder aufsichtsrechtliche Konsequenzen ergriffen.“
    Einstweilige Verfügung beantragt, um Rechte zu sichern

    Gaufer versucht unterdessen alle rechtlichen Möglichkeiten auszunutzen, um die Erfüllung seines Kaufvertrages durchzusetzen. Über seinen Anwalt hat er einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gestellt, um die Auflassungsvormerkung im Grundbuch zu erwirken. Die Entscheidung steht aus.

    Der Bauherren-Schutzbund (BSB), der sich für die Rechte von Erwerbern von Wohneigentum einsetzt, fordert eine bessere gesetzliche Absicherung für Käufer von Eigentumswohnungen und Einfamilienhäusern. „Bauträger müssen akzeptieren, dass die geschlossenen Verträge einzuhalten sind“, sagt BSB-Sprecher Erik Stange. „Nur in besonderen Ausnahmefällen sind Abweichungen von den getroffenen Vereinbarungen ohne Zustimmung des Erwerbers zulässig“, sagt er. Um die Position der Erwerber zu stärken, setzt sich der Bauherren-Schutzbund seit langem für die Schaffung einer verpflichtenden Rückabwicklungssicherheit ein, sagt Stange. Die Erwerber könnten dann wenigstens vom Bauträgervertrag zurücktreten und erhielten die schon gezahlten Raten zurückerstattet.

    Gaufer sind bereits hohe Kosten entstanden. Er musste Grunderwerbssteuer in Höhe von sechs Prozent auf den Kaufpreis bezahlen, rund 37.000 Euro. Zudem fielen Notarkosten und Ausgaben für den Rechtsstreit an. Hinzu kommen Bereitstellungszinsen für den Kredit, den er aufgenommen, aber noch nicht abgerufen hat.

    André Gaufer zeigt sich kämpferisch. „Ich werde nicht aufgeben, bevor ich zu meinem Recht gekommen bin“, sagt er. „Wie lange es auch dauern mag: irgendwann werde ich in meiner Wohnung im Steglitzer Kreisel zusammen mit meiner Tochter Weihnachten feiern.“

    #Berlin #Steglitz #Hermann-Ehlers-Platz #Kuligkhofstraße #Schloßstraße #Kreisel #Immobilien #Spekulation

  • 20 Jahre „Arm, aber sexy“: Was hat Berlin noch zu bieten?
    https://www.berliner-zeitung.de/open-source/berlin-20-jahre-nach-klaus-wowereits-arm-aber-sexy-was-hat-die-haup

    13.12.2023 vin Ralf Hutter - Ende 2003 pries der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit Berlin in aller Welt mit dem Slogan an, der berühmt wurde. Er hat der Stadt damit geschadet, findet unser Autor.

    Berlin sei arm, aber sexy – die berühmte Aussage von Berlins damaligem Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) ist nun 20 Jahre alt. Sie ist nicht nur in Deutschland sehr bekannt. Eine Internetsuche nach „Berlin poor but sexy“ erbringt gleich auf der ersten Ergebnisseite sowohl Artikel in großen Medien wie Financial Times, Bloomberg und The Economist als auch wissenschaftliche Texte.

    Kürzlich sendete Arte eine sehenswerte fünfteilige Dokureihe über die Geschichte Berlins seit dem Mauerfall namens „Capital B“. Der vierte Teil trägt ebenfalls den Titel: „Arm, aber sexy“. Darin gestehen sogar zwei Wowereit-Kritiker zu, diese Diagnose habe Lage und Lebensgefühl der Stadt gut getroffen.

    Das ist aber zu unkritisch. Wowereits wirkmächtige Aussage drückt auf kürzestmögliche Weise den politischen Ansatz aus, mit dem Ausverkauf der Stadt selbige „groß“ zu machen. Das Zitat ist oft spöttisch wiedergegeben, aber vielleicht nie fundamental kritisiert worden. Wer seine Bedeutung analysiert, wird es nicht witzig finden.

    Arm, aber sexy: Zum ersten Fall fiel der Spruch im Focus-Money-Interview

    Wenn ein Bürgermeister seine Stadt als sexy bezeichnet, klingt das vielleicht positiv. Das wäre aber ein Irrtum. Die so bezeichnete Attraktivität der Stadt soll vor allem eine für Externe sein. Der historische Hintergrund bei Wowereit wird in der Arte-Doku benannt, auch von den politischen Protagonisten selbst: In West-Berlin sprudelten die Sondersubventionen für das einst permanent von jenseits der Mauer begaffte Schaufenster des Kapitalismus nicht mehr, im Osten waren viele Großbetriebe abgewickelt worden. Nun galt es, sich neu auf dem Weltparkett zu Wort zu melden und Investitionen anzuziehen. Aber womit? Was hatte Berlin, was die Welt brauchte?

    Jedenfalls keine Hard Facts. Zur Veranschaulichung: Unter den Nachgeborenen dürfte kaum bekannt sein, dass der noch viel mehr als Wowereits Aussage bespöttelte neue Hauptstadtflughafen schon in den frühen 1990ern geplant wurde – er sollte ursprünglich 2007 eröffnen –, und dass das Projekt erst 2003 von der öffentlichen Hand übernommen wurde, weil das jahrelang interessierte privatwirtschaftliche Konsortium nicht das ganze Kostenrisiko tragen wollte.

    Sprich: Ein neuer Flughafen versprach trotz Schließung der alten nicht unbedingt Profitabilität. Deutschland hatte gerade eine jahrelange Privatisierungswelle hinter sich, aber niemand wollte ohne staatliche Hilfe den Flughafen der Hauptstadt betreiben.

    In dieser Situation, im November 2003, fiel Wowereits Aussage in der Zeitschrift Focus Money. Er wollte eine Kultur, ein Lebensgefühl vermarkten. Dabei besteht prinzipiell eine Gefahr, die die Tourismusforschung so auf den Punkt gebracht hat: Indem die Touris das finden, was sie suchen, tragen sie zu seiner Zerstörung bei. Kultur ist kein beliebig vermehrbares Produkt.

    Wir können nun so gnädig sein, Wowereit zu konzedieren, dass er vielleicht nicht ganz so viel von dem zerstörerischen Tourismus und Immobilienkapital hier haben wollte, wie es nun schon seit etlichen Jahren Realität ist. Es bleibt aber ein grundsätzliches Problem bei seinem Zitat: Es richtete sich nach außen. Die Aussage ergibt gegenüber der eigenen Bevölkerung keinen Sinn.

    Stellen wir uns zum Beispiel eine protestierende Menschenmenge vor, die einem Bürgermeister entgegenruft: Wir verarmen! Wir können uns die Mieten in unserem Stadtteil nicht mehr leisten! Unsere Kinder hängen auf den Straßen rum, weil weder wir noch die öffentliche Hand nennenswert Räume für sie hat! Kein Stadtoberhaupt würde antworten: Hey Leute, aber immerhin ist unsere Stadt doch sexy!

    Wowereits Lob war vergiftet, geradezu heimtückisch. Was auch immer er mit „sexy“ meinte – die Armen hatten immer weniger davon, je mehr Leute von außerhalb an den sexy Dingen teilhaben wollten. Es ist eine allgemeine, auf sozialer Ungleichheit beruhende Dynamik: Wenn die Armen gewisse nette kulturelle Elemente ausbilden, die auf der Verfügbarkeit von freien beziehungsweise billigen Räumen beruhen, dann wird das alles umso mehr verschwinden, je mehr Menschen mit ordentlich Geld dazukommen, die diese Räume vereinnahmen und die Preise für Alltagsdinge wie Miete und Gastronomie steigen lassen.

    Genau so hat Berlin sich entwickelt: Freiräume werden kleiner, Kulturorte werden vertrieben oder teurer, das Leben ist aufgrund der hohen Mieten und des Verdrängungsdrucks stressiger.

    Wowereit konnte die Karriere des Slogans nicht voraussehen

    Wie wenig Wowereit bei seiner Aussage an seine eigene Bevölkerung dachte, wird noch klarer, wenn wir das Zitat auf die individuelle Ebene ziehen. Kaum jemand würde so über sich selbst sprechen: Ich bin arm, aber sexy. Es bringt einem kaum was in seiner Armut, wenn man sexy ist.

    Wo soll da der Sinn sein? Bevor ich hungern muss, kann ich immer noch auf den Strich gehen? Es ist kein Zusammenhang vorhanden. Die Aussage ist austauschbar mit so etwas wie: Ich bin arm, aber ich habe keinen Krebs. Oder: ... aber ich lebe in einer Stadt, in der es keine Erdbeben gibt. Das sind bestenfalls Durchhalteparolen.

    Wowereit konnte die Karriere dieser Aussage nicht vorhersehen, und er hat sie wohl auch nie als Kampagnenmotto genutzt. Aber seine Politik zielte auf genau diese Kulturvermarktung ab, wie auch in der Arte-Doku deutlich wird. Im immer globaleren Wettbewerb um den bestmöglichen Ausverkauf der Städte wurde Deutschlands Hauptstadt als sexy herausgeputzt ins weltweite Schaufenster gestellt, um kapitalkräftigere Leute anzulocken. Wenn wir die sexuelle Metapher aufgreifen, können wir heute feststellen: Weil Berlin so sexy war, wird es seitdem immer mehr vom Kapital penetriert.

    Das lässt sich mittlerweile ohne Metaphern beschreiben. Im Stadtteil Kreuzberg gründete sich im sogenannten Reichenbergerkiez im Herbst 2022 die Nachbarschaftsinitiative No Hype No Hide (der komische Name kommt vom komischen, niemandem verständlichen Namen des Bauprojekts Hype & Hide), weil die Leute festgestellt hatten, dass innerhalb weniger Straßenzüge ein halbes Dutzend Baustellen laufen, bei denen sehr teure Eigentumswohnungen in Innenhöfen errichtet werden sollen.

    Noch mehr Beton und Autos in einem dicht bebauten Innenstadtviertel, noch weniger Bäume und andere Pflanzen in den im Sommer immer stärker aufgeheizten Höfen, noch mehr Wohnraum, den sich kein normaler Mensch leisten kann. Das Kapital aus aller Welt dringt immer tiefer in die Stadt ein.

    Schon 2021, als sich ein berlinweites Bündnis für den Erhalt von Grünflächen gegründet hatte, sagte Florian Schmidt, Grünen-Bezirksstadtrat für Stadtentwicklung in Friedrichshain-Kreuzberg, dem Mitgliedermagazin des Berliner Mietervereins: „Seitdem der vorgeschriebene Mindestabstand in der vorletzten, rot-roten Koalition auf das 0,4-fache der Gebäudehöhe gesenkt wurde, sehen wir eine zunehmende Nachverdichtung in den Hinterhöfen, die wieder in Richtung der Gründerzeitdichten geht.“

    Mit besagter Koalition regierte Wowereit. Dass lange vorher durch Abrisse (größere) Innenhöfe geschaffen wurden und Berlins Bevölkerung nun nicht mehr so dicht gedrängt wie vor 100 Jahren leben muss, gilt als Fortschritt. Jetzt erleben wir den politisch hervorgerufenen Rückschritt. Leute wie Wowereit riefen das Kapital aus aller Welt, und das baut nun die als Anreiz dienenden Freiräume wortwörtlich zu.

    Deshalb geht nun, auch im Sinne einer selbstbestimmten Sexualität, eine Ansage aus der Berliner Innenstadt raus: Hallo Welt! Du findest uns sexy, wir dich aber nur so lala. Wir waren und sind weltoffen, aber wir haben damit auch schlechte Erfahrungen gemacht. Du penetrierst uns immer stärker, Welt, wogegen wir nicht prinzipiell etwas haben, aber du tust es auf respektlose Weise. Wir glauben nicht, dass du wirklich auf unsere inneren Werte stehst, die uns wichtig sind. Unsere Freiheitsliebe ist tiefgehend und schließt schädliche Freiheiten aus, zum Beispiel die Freiheit zur Ausbeutung. Deine Freiheitsliebe ist oft nur oberflächlich und, wie wir seit Langem erleben, nicht nachhaltig. Du zerstörst hier Freiräume.

    Viele Menschen aus vielen Ländern haben sich in den vergangenen Jahrzehnten von unserem Widerstandsgeist angezogen gefühlt, der uns vor sehr vielen Metropolen auf dem Planeten auszeichnet. Wir finden nun: Wir brauchen mehr solcher Menschen, die uns nützen, und weniger, die uns ausnutzen.

    Berlin hat in der jüngeren Geschichte ein historisch bedeutsames Zeichen in die Welt gesetzt. Nein, nicht 1989, als wir daran beteiligt waren, den sozialistischen Imperialismus zu stürzen. Schon 1988 zelebrierte Berlin den ersten großen Gipfelprotest gegen den kapitalistischen Imperialismus, als sich Weltbank und Internationaler Währungsfonds hier trafen. Da war übrigens auch Ost-Berlin ein bisschen beteiligt.

    Im Westen, im Umfeld des Gipfels, wendete die Zivilgesellschaft ihre üblichen Mittel des politischen Kampfes an: Gegenkongress, Großdemo, Brandanschläge auf Firmensitze und Autos. Wenn du an massive Gipfelproteste denkst, dann bestimmt an die Periode ab den legendären Blockaden von Seattle 1999, Welt. Wir waren elf Jahre vorher am Start. Leider ist das wegen 1989 in Vergessenheit geraten.

    Aber zum Glück nicht bei allen. Als die schwedische Band Refused, eine der erfolgreichsten und wichtigsten Hardcore-Bands überhaupt, 2016 hier spielte, sagte Sänger Dennis Lyxzen auf der Bühne: „Für uns als eine Band der 90er war Berlin immer eine harte Stadt.“ Nachdem er über 20 Jahre lang seinen Antikapitalismus ins Mikrofon geschrien hatte – zwischendurch bei den heute wohl bekannteren The (International) Noise Conspiracy –, bekannte er, sich in den 90ern nicht hart genug für diese Stadt gefühlt zu haben. „Berlin ist eine politische Stadt“, führte Lyxzen aus, und das bewunderten diese „paar Feiglinge aus Nordschweden“ nach wie vor.

    Es ist kein Zufall, Welt, dass Lyxzen Berlin nicht sexy nannte. Wahre Zuneigung macht sich nicht an Oberflächlichkeiten fest.

    Wir holen aktuell wieder zu einem welthistorischen Schlag aus. Wir werden in ein paar Jahren den zweiten Volksentscheid zur Enteignung großer Immobilienfirmen gewinnen. Und dann, Welt, werden nicht nur viele Leute in Deutschland blöd schauen, die das Thema bisher weitgehend ignorieren; dann werden nicht nur SPD und Grüne bundesweit auf eine Zerreißprobe gestellt, weil sie sich entscheiden müssen zwischen der Akzeptanz eines Volksentscheids und der sozialistischen Elemente des Grundgesetzes auf der einen Seite und dem üblichen politischen Murks auf der anderen.

    Dann werden wir nicht nur darauf hinweisen, dass Artikel 15 Grundgesetz neben der Vergesellschaftung von Grund und Boden auch die von Naturschätzen und Produktionsmitteln erlaubt; dann werden nicht nur in anderen deutschen Städten Initiativen es uns nachtun wollen – sondern dann werden wir auch sehen, wer auf diesem Planeten uns wirklich toll findet, wie wir sind, und sich auch bei diesem Thema von uns inspirieren lässt.

    Und vor allem, Welt: Wenn wir das geschafft haben, werden wir uns nicht nur sexy fühlen, sondern in allen Bedeutungen des Wortes so richtig geil.

    Ralf Hutter ist studierter Soziologe und lebt seit 20 Jahren in Berlin-Kreuzberg, die letzten 14 Jahre war er als Journalist tätig.

    #Berlin #Politik #Gentrifizierung #Immobilien #Ausverkaiuf

  • Das Einküchenhaus - Roomservice am Lietzensee
    https://www.berliner-zeitung.de/b-history/wohnen/das-einkuechenhaus-roomservice-am-lietzensee-li.224463


    Das Einküchenhaus verfügte über eine Großküche, die alle küchenlosen Wohnungen mit Mahlzeiten versorgte. Über Haustelefone konnten die Bewohner Essen bestellen.

    Der bürgerliche Feminismus hat ein paar interessante Ideen hervorgebracht, die unter kapitalistischen Rahmenbedingungen zum Scheitern verurteilt waren. Das Einküchenhaus wäre in einer sozialistischen Gesellschaft ein Erfolg geworden. Die Politik der DDR war nicht fortschrittlich genug, um die Verhältnisse der Menschen untereinander durch die radikale Änderung der Arbeitsteilung voranzutreiben. Diese Umfähigkeit ist Teil der Geschichte ihres Untergangs.

    Der Kapitalismus entledigte sich des Experiments auf seine Art: Es fanden sich nicht ausreichend Investoren und Mittel für das innovative Konzept, von dem nur die Bausubstanz erhalten blieb.

    7.5.2023 von Ida Luise Krenzlin - Die Frauenrechtlerin Lily Braun hatte eine emanzipierte Idee: die Kollektivierung der Hausarbeit in Zentralküchen. Warum das Berliner Experiment scheiterte.

    Wie bitte, keine Küchen in den Wohnungen? Ein Skandal! Stattdessen die „Einrichtung von Centralküchen, von Centralwaschanstalten, und die Einführung von Centralheizung“, dazu noch Speisesäle, Kindergärten und Turnräume? Wahrlich ein Skandal! Der Gegenwind, der dieser neuen Form des Wohnens entgegenschlägt, nimmt Orkanstärke an. Vom „Zukunftskarnickelstall“ und „Kasernenabfütterung“ ist die Rede, die konservativen Parteien sehen die Kleinfamilie in Gefahr. Denn ohne Küche kein Nachwuchs.

    Lily Braun fordert die Vereinbarkeit von Muttersein und Berufstätigkeit

    Was war geschehen? Die Frauenrechtlerin und Sozialdemokratin Lily Braun, die sich für die Vereinbarkeit von Muttersein und Berufstätigkeit engagiert, hat in einer Streitschrift 1901 gefordert, die Frau durch den Bau von „Einküchenhäusern“ aus „der Sklaverei der Hausarbeit“ zu befreien.

    „Raus aus dem Korsett!“ ist das Motto der Zeit. Das gilt nicht nur für die Garderobe, sondern auch für die Wohnverhältnisse. Denn immer mehr Frauen, sowohl aus bürgerlichen wie auch aus proletarischen Kreisen, sind berufstätig, vor allem in den Großstädten. Dass die kräftezehrende und zeitaufwendige Hausarbeit Frauen nicht mehr von der Teil - habe am gesellschaftlichen Leben abhalten soll, darin sind sich Vordenker*innen wie Lily Braun, Clara Zetkin und August Bebel oder der Architekt Bruno Taut einig. Gegenwind bläst aber auch in ihren Reihen: So hält Clara Zetkin die privatwirtschaftlich organisierten Berliner Einküchenhäuser für elitär. Für Arbeiterinnen, die in Mietskasernen in erbärmlichen Verhältnissen leben, seien die Kosten schlichtweg zu hoch. Sie soll recht behalten.

    Das erste Einküchenhaus am Lietzensee

    Die ersten deutschen Einküchenhäuser entstehen in Berliner Vororten. Am 1. Oktober 1908 ziehen Frauen – mit und ohne Familie – in das Einküchenhaus am Lietzensee. Das fünfgeschossige Wohnhaus in der Kuno-Fischer-Straße 13 in Charlottenburg, entworfen vom Architekten Curt Jähler, verfügt im Untergeschoss über eine Zentralküche. Mittels Haustelefon können die Bewohner die Speisen bestellen, Aufzüge bringen die Mahlzeiten hoch in die Zwei- bis Fünf-Zimmer-Wohnungen. In Windeseile sind alle Wohnungen belegt.


    Lily Braun setzt sich um 1900 für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ein. Die Frauenrechtlerin plädiert für die Kollektivierung der Hausarbeit in Zentralküchen. CC-BY 3.0

    Wenige Monate später, am 1. April 1909, gibt es zwei weitere Wohnanlagen mit gemeinschaftlich organisierten Haushaltseinrichtungen, eine in der Wilhelmshöher Straße 17–20 in Friedenau, die andere Unter den Eichen 53 in Lichterfelde-West. Die Reform-Architekten Albert Gessner und Hermann Muthesius haben die Gebäude entworfen. Außer Zentralküche, Speiseaufzügen, Dachterrasse, Sporträumen, Fahrradkeller und Grünflächen verfügt die von Gessner gebaute Anlage in Friedenau sogar über einen Kindergarten, den Reformpädagogen leiten. Es ziehen jedoch keine Arbeiterinnen ein, sondern gut situierte Familien und ledige Frauen.

    Eine emanzipierte Idee scheitert in Berlin

    Alle drei Berliner Einküchenhäuser werden privatwirtschaftlich gebaut und bewirtschaftet. Die dazu 1907 gegründete „Einküchenhaus-Gesellschaft der Berliner Vororte“ geht allerdings wenige Monate nach Eröffnung der Muthesius-Anlage pleite. Die Häuser sind teuer, die Kapitaleinlagen zu gering.


    Ein Dienstmädchen serviert seiner Herrschaft eine Mahlzeit aus dem Speisenfahrstuhl. ullstein-bild

    Der Widerstand aus dem konservativen Lager ist groß, die Frauenrechtlerinnen sind sich uneins. Als sogar die Sozialdemokraten das bürgerliche Familienmodell wiederentdecken, ist es um das Berliner Einküchenhaus geschehen. Die Umbrüche des Ersten Weltkriegs machen dem Reformprojekt endgültig den Garaus. Am Lietzensee schließt die Zentralküche 1913, in Lichterfelde 1915, in Friedenau 1917/18. Alle Wohnungen bekommen eine Küche eingebaut. Fortan steht dort jede Frau wieder an einem Herd.

    In Berlin scheitert das Einküchenhaus, in anderen Städten hingegen gibt es nach dem Ersten Weltkrieg ähnliche Projekte des kollektiven Wohnens. Dazu gehören der Heimhof in Wien, das Narkomfin-Kommunehaus in Mos - kau und die Isokon Flats (Lawn Road Flats, Isokon Building) in London. In Letzterem wohnen zeitweise Agatha Christie, Marcel Breuer und Walter Gropius.

    #Muthesiusstraße
    https://m.kauperts.de/Strassen/Muthesiusstrasse-12163-Berlin

    #Berlin #Witzleben #Lietzensee #Kuno-Fischer-Straße #Friedenau #Wilhelmshöher_Straße #Lichterfelde #Unter_den_Eichen #Feminismus #Wohnen #Architektur #Immobilien #Gedchichte

  • Schwarz-roter Senat in Berlin beschließt Mieterhöhungen
    https://www.nd-aktuell.de/artikel/1176556.wohnungsmarkt-schwarz-roter-senat-in-berlin-beschliesst-mieterhoe

    25.9.2023 von Patrick Volknant - Bei den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften sollen die Mieten um fast 9 Prozent in drei Jahren steigen

    »Nicht alle sind restlos begeistert«, gesteht Bausenator Christian Gaebler. »Aber so ist das nun einmal mit Kompromissen.« Auf Mieterhöhungen von jährlich 2,9 Prozent dürfen sich rund 370 000 Berliner Haushalte bis einschließlich 2027 einstellen. Und doch sind am Montag nicht die Mieter*innen der Landeseigenen gemeint, wenn der SPD-Politiker im Haus seiner Senatsverwaltung enttäuschte Erwartungen andeutet.

    Forderungen nach einer Mieterhöhung von bis zu 7 Prozent auf einen Schlag sollen laut Gaebler »informell im Raum« gestanden haben. Bei den Verhandlungen habe der Senat den Landeseigenen letztlich aber klarmachen können, dass die Spielräume begrenzt seien. Durch die neue Kooperationsvereinbarung erhofft sich der Bausenator nun, dass Stadt und Land, Degewo, Gesobau, Gewobag, Howoge und WBM das Ziel von jährlich 6500 fertiggestellten kommunalen Wohnungen erreichen. »Ich erwarte natürlich von den Gesellschaften, dass sie den spitzen Bleistift in die Hand nehmen und nachrechnen.« Auch durch Ankäufe soll der Anteil der landeseigenen Wohnungen in Berlin perspektivisch auf über 30 Prozent steigen – wenn die Preise am Markt gesunken sind.

    Mit den Mietsteigerungen bei den Landeseigenen setzt die Große Koalition den Entlastungsmaßnahmen ein Ende, die unter Rot-Grün-Rot für die Hauptstadt beschlossen wurden. Mietenstopp und Mietendimmer seien zu ihrer Zeit »richtig und wichtig« gewesen, erklärt Gaebler. Doch: »Irgendwann stößt das an seine Grenzen.« Sanierung, Neubau und Einhaltung der Umweltziele ließen sich ohne Mieterhöhungen schlichtweg nicht realisieren. Zudem gebe es ja noch die Entlastungsmaßnahmen bei den Energiekosten, durch die ein »erheblicher Ausgleich« geschaffen worden sei.

    Davon, die soziale Verantwortung nicht zu vernachlässigen, spricht neben Gaebler auch Finanzsenator Stefan Evers. »Soziale Mietenpolitik bedeutet, Leistbarkeit zu sichern«, sagt der CDU-Politiker. Genau das habe man getan: Zwar sollen die Mieten der Landeseigenen angehoben werden. Die Nettokaltmiete allerdings darf laut Vereinbarung nicht mehr als 27 Prozent des Haushaltseinkommens ausmachen. Bislang lag die Grenze bei 30 Prozent. Hinzu kommen diverse Staffelungsgrenzen, die sich unter anderem auf die Größe der Wohnungen beziehen. Die Vereinbarung umfasst zudem, dass der Senat das Eigenkapital der kommunalen Unternehmen stärkt, Bebauungsplanverfahren verkürzt und Abläufe beim Bau generell vereinfacht. Die Kooperationsvereinbarung wird ab 2024 in Kraft treten.

    Einen fairen Kompromiss, wie ihn der Senat nach außen trägt, will der Berliner Mieterverein derweil nicht erkennen. »Menschen mit kleinem Einkommen werden durch diese neue Kooperationsvereinbarung benachteiligt«, lässt Geschäftsführerin Ulrike Hamann am Montag wissen. »Sie ist im Vergleich zur vorherigen Vereinbarung eine wesentliche Verschlechterung für alle Mieter*innen.« Während zuvor rund zwei Drittel der frei werdenden Wohnungen an Menschen mit Wohnberechtigungsschein vermietet wurden, sei es jetzt nur noch die Hälfte davon.

    Einen »Skandal« nennt Hamann die deutlich erhöhten Einsteigsmieten im Neubau, bei denen die Wohnungsunternehmen statt den bisherigen 11 Euro pro Quadratmeter nun 14 Euro nehmen dürfen. »Mit der Erhöhung von 3 Euro pro Quadratmeter tragen die Landeswohnungsunternehmen auch zu Steigerungen im Mietspiegel bei.« Auch der Neubau komme somit nicht mehr zur Hälfte Menschen mit kleinem Geldbeutel zugute, sondern nur noch zu einem knappen Drittel.

    Von »Mieterhöhungen mit der Gießkanne« ist derweil bei den Berliner Grünen die Rede. »Das Wohnungsbündnis des Senats ist gescheitert, wenn sich selbst die landeseigenen Wohnungsunternehmen nicht mehr an die Regeln des Wohnungsbündnisses halten«, kommentiert Katrin Schmidberger, Sprecherin der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus für Wohnen und Mieten. Das Bündnis sieht eine Mieterhöhung von maximal 2 Prozent pro Jahr für einkommensschwache Haushalte vor. »Man sucht weiter vergeblich nach dem sozialen Profil im schwarz-roten Senat.« Schmidberger fordert unter anderem, dass die Härtefallregelung künftig von netto kalt auf brutto kalt umgestellt wird: »Die einkommensschwachen Mieter*innen, die in den landeseigenen Wohnungen leben, müssten gezielt entlastet werden.«

    Ebenfalls entsetzt zeigt sich Niklas Schenker, mietenpolitischer Sprecher der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus. Angesichts von Inflation und steigenden Kosten sei es unverantwortlich, die Mieten derart zu erhöhen. »Gerade die SPD macht sich komplett unglaubwürdig. Während Raed Saleh am Samstag noch die Parole ausgab ›Keine Koalition ohne Mietendeckel‹, erhöht sein Senator am Montag die Mieten«, kritisiert Schenker in Richtung des SPD-Landesparteichefs.

    Nicht nur habe der Senat die Vorgaben für die Landeseigenen von 14 auf nur noch drei Seiten reduziert. Bei der energetischen Modernisierung zünde die Große Koalition auch noch den »Verdrängungsturbo«. Bis zu 2 Euro pro Quadratmeter könnten hier nun auf die Miete umgelegt werden, was Erhöhungen von bis zu 30 Prozent ermögliche. »So wird keine Akzeptanz für Klimaschutz geschaffen. Stattdessen müsste gelten: Modernisierung ohne Mieterhöhung.«

    #Berlin #Politik #SPD #CDU #Wohnen #Immobilien #Inflation

  • Neue Daten zu Immobilienpreisen in Deutschland: Absturz um 9,9 Prozent
    https://www.berliner-zeitung.de/wirtschaft-verantwortung/minus-99-prozent-absturz-bei-immobilien-preisen-li.434190

    Tja, da habta et. Kürzlich jekooft? Dumm jeloofen. Jetz wirds teua, nix mehr mit Betonjold. Mieten sinken trotzdem nich. Wär ja noch scheena wennde Prolls wat vom „Marktjeschehn“ ham würn. So isset ehm.

    22.9.2023 - Noch nie seit Beginn des Index haben Immobilien-Preise einen derartigen Absturz erlebt.

    Die Preise für Wohnimmobilien (Häuserpreisindex) in Deutschland sind im 2. Quartal 2023 um durchschnittlich 9,9 % gegenüber dem 2. Quartal 2022 gesunken. Das teilte das Statistische Bundesamt (Destatis) am Freitag mit. Es war der stärkste Rückgang der Wohnimmobilienpreise gegenüber einem Vorjahresquartal seit Beginn der Zeitreihe im Jahr 2000. Im 2. Quartal 2022 hatte der Häuserpreisindex seinen bisherigen Höchststand erreicht, seitdem sind die Preise für Wohnimmobilien gegenüber dem jeweiligen Vorquartal rückläufig. Mit -1,5 % zum 1. Quartal 2023 fiel der Rückgang im 2. Quartal 2023 allerdings geringer aus als in den beiden Vorquartalen (1. Quartal 2023: -2,9 % zum Vorquartal, 4. Quartal 2022: -5,1 % zum Vorquartal).

    Der Rückgang der Immobilienpreise für Wohnimmobilien ist der stärkste Rückgang gegenüber einem Vorjahresquartal seit Beginn der Berechnungen im Jahr 2000.

    Im Vergleich zum Vorjahresquartal sind die Wohnimmobilienpreise sowohl in den ländlichen als auch in den städtischen Regionen im Durchschnitt weiter gesunken. Am geringsten waren die Rückgänge in den dünn besiedelten, ländlichen Kreisen. Hier waren Eigentumswohnungen 7,0 % günstiger als im 2. Quartal 2022, Ein- und Zweifamilienhäuser kosteten 8,1 % weniger. Im Vergleich zum 1. Quartal 2023 fielen die Preise in den dünn besiedelten Kreisen für Eigentumswohnungen um 2,1 %, während die Preise für Ein- und Zweifamilienhäuser leicht um 0,7 % stiegen.

    In den Top-7-Metropolen (Berlin, Hamburg, München, Köln, Frankfurt am Main, Stuttgart und Düsseldorf) gingen die Preise für Eigentumswohnungen gegenüber dem Vorjahresquartal um 9,8 % zurück, für Ein- und Zweifamilienhäuser musste 12,6 % weniger gezahlt werden. Im Vergleich zum 1. Quartal 2023 fielen in den Metropolen die Preise für Eigentumswohnungen um 2,1 % und für Ein- und Zweifamilienhäuser um 2,4 %.

    Mit der aktuellen Veröffentlichung wurden die Häuserpreisindizes für das Jahr 2022 sowie für das 1. Quartal 2023 revidiert. Die Veränderungsrate des 1. Quartals 2023 zum 1. Quartal 2022 liegt für den bundesweiten Häuserpreisindex sowohl vor als auch nach Revision bei -6,8 %. Die Veränderungsrate des 1. Quartals 2023 gegenüber dem 4. Quartal 2022 wurde um 0,2 Prozentpunkte nach oben korrigiert (vorläufiger Wert: -3,1 %, revidierter Wert: -2,9 %). Revisionen werden regelmäßig durchgeführt, um nachträgliche Meldungen zu berücksichtigen.

    #Deutschland #Berlin #Immobilien #Spekulation #Wirtschaft

  • Mitten in Kreuzberg: Neue Sozialwohnungen und klimaneutrale Büros
    https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/mitten-in-kreuzberg-neue-sozialwohnungen-und-klimaneutrale-bueros-l


    Blick auf das neue Quartier auf dem Areal des früheren Postscheckamtes am Halleschen Ufer in Kreuzberg.

    Es geht voran mit dem Geldmachen. Das alte Postscheckamt, eine öffentliche Einrichtung der staatlichen Bundespost und Ort zum Leben und Arbeiten für viele Westberlinerinnen und Berliner, wird endgültig zum Eigentumswohnungsghetto mit ein paar netten fast bezahlbaren Alibiwohnungen nebenan. Verdichtung ist angesagt, der Rubel rollt weil öffentliche Gärten und Freiflächen zugebaut werden. „Niemandsland“ heißt so ein nicht profitables Gelände auf Immobilisch. Ich bin auch so ein Niemandsland, unprofitabel und verwildert. Ein Mensch eben, keine parfümierte Immoschnepfe, die mit hohlem Gedöns ihre Gier schönredet. Die zerrt den verwesenden Leichnam van der Rohes aus dem Grab, um dem ollen Büroturm, wahrlich kein Meilenstein der Architekturgeschichte, ordentlich Mies-Nimbus zu verpassen. So geht das. Noch nicht gebaut wird schon verkauft.

    Grelle Fummels aus den Fifties, Sixties
    Alles hohl und hundsgemein
    Auf Skoda oder Fiorucci
    Flieg ich nicht mehr ein
    Da bleib ich kühl
    Kein Gefühl

    Ideal, Blaue Augen, 1980

    28.12.2022 von Ulrich Paul - Auf dem Areal des ehemaligen Postscheckamtes in Kreuzberg entsteht ein Stadtquartier mit hohem sozialen und ökologischen Anspruch.

    Auf dem Areal des ehemaligen Postscheckamtes in Kreuzberg gehen die Arbeiten für das geplante neue Stadtquartier mit Büros, Wohnungen und Geschäften voran. Nachdem im März 2021 mit dem symbolischen ersten Spatenstich die Bauarbeiten starteten, befinden sich mittlerweile fast alle Teilprojekte am Halleschen Ufer in Bau.

    Der Kölner Investor Art Invest modernisiert den alten 90 Meter hohen Büroturm und baut zwei neue Häuser mit Büros und Geschäften. Die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft Degewo errichtet 337 Mietwohnungen. Und das ebenfalls aus Köln stammende Immobilienunternehmen Pandion plant 86 Eigentumswohnungen.

    „Das Grundstück war vorher eine Art Niemandsland im Herzen Berlins“, sagt Lena Brühne, Berliner Niederlassungsleiterin von Art Invest. „Durch die Entwicklung des Quartiers betreiben wir also eine Stadtreparatur.“ Die Art Invest hat ihrem Projekt den Namen „Die Macherei Berlin-Kreuzberg“ gegeben. Weil die Gebäude am Halleschen Ufer 40 bis 60 liegen, tragen die drei Gebäudeteile als Namenskürzel ein M für Macherei, gefolgt von der jeweiligen Hausnummer. So heißen die Gebäude M40, M50 und M60. Der alte Postbank-Tower trägt das Kürzel M50, die beiden neuen Büro- und Geschäftsbauten firmieren unter M40 und M60.

    Das achtgeschossige Haus M40 entsteht nach Plänen des Büros Robert Neun Architekten als sogenanntes Holz-Hybrid-Haus, also in einer Mischung aus Holz und Beton. Neben bepflanzten Dächern ist ein offener Innenhof vorgesehen, der als das „grüne Herz“ des Gebäudes angekündigt wird. „Unser Holz-Hybrid-Haus M40 wird ab Frühjahr 2023 rasant wachsen“, sagt Lena Brühne. „Zu diesem Zeitpunkt werden die Holzverbundelemente angeliefert, die wie Legosteine aufgebaut werden.“ Bis zum Jahr 2024 soll das Gebäude fertig sein, die anderen beiden der Art Invest ebenfalls.

    Der 24-geschossige Büroturm, der jetzt das Kürzel M50 trägt, wird nach Plänen des Architekten Eike Becker umgestaltet. Er richtet sich dabei nach dem Vorgänger-Bau. „Die Architektur vom M50 greift den Stil des Oberpostdirektors Prosper Lemoine auf, nach dessen Plänen das Objekt entwickelt wurde“, sagt Lena Brühne. „Er orientierte sich dabei an der typischen Architektursprache von Mies van der Rohe, der unter anderem die Neue Nationalgalerie entworfen hat.“

    Büroturm wird im nächsten Jahr als Stahlbetonskelett dastehen

    Nach dem Auszug der Mieter aus dem Turm Ende 2021 hat die Art Invest zunächst mit der Entkernung und Schadstoffsanierung begonnen. Diese Arbeiten dauern bis heute an. „Im nächsten Jahr wird der Turm kurzzeitig im Rohbau als Stahlbetonskelett dastehen, was sicher ein imposantes Bild abgeben wird“, so Brühne. „Zudem werden wir die oberen drei Etagen, die bislang als Techniketagen genutzt werden, abbrechen und neu aufbauen, um sie in Teilen als nutzbare Mietflächen zu entwickeln.“ Die Fassade des Büroturms wird erneuert, außerdem entsteht am Fuß des Towers ein eingeschossiger Flachbau. Dort soll neben einem Restaurant ein Fitnessstudio einziehen – mit Außenlaufbahn auf dem Dach. Oben im Turm ist eine Skybar geplant. Mit bester Sicht über die Stadt.

    „Bei der Fassade des Turms arbeiten wir mit speziellen Elementen, die vorproduziert und anschließend eingesetzt werden“, sagt Lena Brühne. Für die Montage werde ein rund 120 Meter hoher Kran eingesetzt, der an dem Hochhaus verankert wird. An der Südfassade des Büroturms sollen auf einer Fläche von 760 Quadratmetern Fotovoltaik-Elemente montiert werden, um aus Sonnenlicht Strom zu gewinnen.

    Das M60 entsteht nach Plänen des Architekturbüros Sauerbruch Hutton als achtgeschossiges Bürohaus. Im rückwärtigen Teil sind die Eigentumswohnungen der Pandion geplant. Das Besondere: Das Bürohaus soll ein „Zero-CO₂-Haus“ werden, also ein klimaneutrales Haus. Erreicht wird dies freilich durch einen gewissen Kunstgriff: Die Fotovoltaik-Elemente, die Sonnenlicht in elektrischen Strom umwandeln, sollen nämlich nicht nur auf dem eigenen Dach stehen, sondern zugleich auf den Dächern der benachbarten Degewo-Häuser.
    Autofreies Quartier heißt, dass oberirdisch keine Autos fahren

    Beim Verkehr wird Nachhaltigkeit ebenfalls großgeschrieben. „Die Macherei Berlin-Kreuzberg wird ein autofreies Quartier“, sagt Lena Brühne. Der Begriff „autofrei“ wird von der Art Invest allerdings sehr großzügig ausgelegt. Autofrei bedeute, „dass die Außenanlagen für den normalen Autoverkehr gesperrt sind“, sagt Brühne. Autos sind als Verkehrsmittel weiter eingeplant, zumindest in begrenzter Zahl. „In zwei Tiefgaragen, die von der Hauptstraße erreicht werden, entstehen 120 Stellplätze für Autos“, sagt Brühne. Sie versichert: „Wir setzen auf urbane Mobilität, weswegen wir unseren künftigen Mietern zusätzlich 800 unterirdische Fahrradstellplätze sowie Duschen und Umkleiden anbieten.“

    Das Projekt zeigt: Nachhaltigkeit spielt bei Immobilienprojekten eine immer größere Rolle. Unter anderem, weil sich viele Unternehmen das Ziel gesteckt haben, bis zu einem bestimmten Zeitpunkt CO₂-neutral zu werden. In alten Büros mit hohem Energieverbrauch lässt sich das Ziel nur schwer oder gar nicht erreichen. In neuen Quartieren wie in der Macherei schon eher. „Das Quartier richtet sich an Mieter, die neben einem hohen Anspruch an Lage, Qualität und Flexibilität der Flächen einen besonderen Wert auf ökologische Nachhaltigkeit legen“, sagt Lena Brühne. „Hier sehen wir einen wachsenden Bedarf.“ Einerseits müssten viele Unternehmen immer höhere Anforderungen im Bereich CO₂-Emissionen erfüllen, was sich natürlich auch in ihren Flächen widerspiegeln müsse. Andererseits sei Klimagerechtigkeit ein „ganz wesentlicher Aspekt für junge Berufseinsteiger“, so Brühne. „Sie legen viel Wert auf ihren eigenen Carbon Footprint, auch an ihrem Arbeitsplatz.“

    Die Wohnungen der Degewo entstehen im rückwärtigen Teil des Areals auf insgesamt drei Baufeldern mit jeweils zwei Häusern. „Die Rohbauarbeiten für die Baufelder eins und drei haben begonnen“, sagt eine Degewo-Sprecherin auf Anfrage. „Im Frühjahr 2023 wird Richtfest gefeiert und der Innenausbau kann beginnen.“ Die Arbeiten auf Baufeld zwei sollen im Februar 2023 starten. Geplant sei, dass die neuen Wohnhäuser ab Mitte 2024 übergeben werden. Dann beginne auch die Vermietung.
    Degewo baut 75 Prozent Sozialwohnungen

    75 Prozent der Wohnungen, die die Degewo errichtet, sollen als Sozialwohnungen entstehen und für eine Kaltmiete ab 6,50 Euro je Quadratmeter vermietet werden. Der Entwurf für die Wohnhäuser stammt vom Büro Dahm Architekten + Ingenieure. Nach ihren Plänen entstehen Wohnungen mit einer Größe von 35 bis 105 Quadratmetern.

    Die Pandion baut keine Mietwohnungen, sondern Eigentumswohnungen. „Wir planen insgesamt 86 Zwei- bis Vier-Zimmer-Wohnungen für Paare und Familien“, erklärt eine Unternehmenssprecherin. Die Wohnungen sollen zwischen 46 und 95 Quadratmeter groß sein. Die Baugrube für das Projekt sei fertig. Im Januar 2023 solle der Rohbau beginnen. Zum genauen Start der Vermarktung der Wohnungen und zum Fertigstellungtermin könne man aktuell aber noch keine Auskunft geben, so die Sprecherin.

    Postbank-Hochhaus (Berlin)
    https://de.m.wikipedia.org/wiki/Postbank-Hochhaus_(Berlin)

    Blaue Augen
    https://de.m.wikipedia.org/wiki/Blaue_Augen?searchToken=2wqimfpy2l6ptlnzu8q7191bk

    https://www.youtube.com/watch?v=uaEiVAODN-A

    #Berlin #Kreuzberg #Hallesches_Ufer #Großbeerenstraße #Stadtentwicklung #Architektur #Privatisierung #Gentrifizierung #Wohnen #Immobilien

  • Update: Adler Group, Steglitzer Kreisel, Berliner Staatsanwaltschaft und Gerichte
    https://www.fr.de/pressemitteilungen/update-adler-group-steglitzer-kreisel-berliner-staatsanwaltschaft-und-gerichte-91

    Das ist Werbung aber interessant.

    Berlin (ots) - Im Zusammenhang mit der Adler Group und dem Bauprojekt am Steglitzer Kreisel sind mehrere Verfahren bei der Staatsanwaltschaft und an Berliner Gerichten anhängig. Jetzt kommt heraus: Das Ausmaß ist größer als bisher bekannt. Das geht aus der Antwort einer aktuellen Anfrage an die Berliner Senatsverwaltung hervor. Diese liegt André Gaufer, Geschäftsführer der PROfinance GmbH, vor.

    Sein Unternehmen hatte den Immobilienkonzern Adler Group wegen Nichterfüllung eines Kaufvertrages verklagt. Gaufer: „Ich bin sehr froh, dass durch meine Fragen weitere Details an die Öffentlichkeit gelangen.“

    Bei der Frage, welche weiteren Gerichtsverfahren im Zusammenhang mit der „Adler Group“, der „Consus Real Estate“ und der „Adler Real Estate“ anhängig sind, lautet die Antwort des Senats aufgrund der schriftlichen Anfrage vom 14. November 2022:

    „Amtsgericht Neukölln zum Aktenzeichen 13 C 360/22 betreffend Mängel einer Mietsache und die Mietpreisbremse. Der Streitwert beträgt nach Parteiangaben 3.837,30 EUR.“ Zum Aktenzeichen 8 C 111/22 betreffend Mängel einer Mietsache mit unbekanntem Streitwert."

    "Ferner sind am Landgericht Berlin insgesamt vier aktienrechtliche Verfahren unter Beteiligung der Adler Real Estate AG zu den Aktenzeichen 91 O 70/22 (Streitwert vorläufig 50.000,00 EUR), 95 O 69/22 (Streitwert vorläufig 500.000,00 EUR), 102 O 122/22 AktG (Streitwert vorläufig 50.000,00 EUR) und 102 O 155/21 SpruchG (Streitwert vorläufig 200.000,00 EUR) anhängig. Ein Bezug zum Bauvorhaben „Steglitzer Kreisel“ ist insofern nicht ersichtlich."

    Bei der Frage, in welchen Abteilungen die Ermittlungsverfahren geführt werden und ob diese mit den Tochterunternehmen der Adler Group in Zusammenhang stehen, lautet die Senatsantwort:

    "Nachfragen bei der Staatsanwaltschaft Berlin ergaben, dass die Verfahren mit Bezug zu der „Adler Group“ im Wesentlichen in der Wirtschaftsabteilung 241 geführt werden, welche zum Teil auch einen Bezug zu den Unternehmen „Consus Real Estate“ und „Adler Real Estate“ aufweisen. Eine stichpunktartig durchgeführte Systemrecherche zu Personen, welche in Beziehung zu der „Adler Group“ stehen sollen, ergab einige Verfahren in Allgemeinen Abteilungen. Auf unmittelbare Nachfrage bei den jeweiligen Dezernentinnen und Dezernenten in den Allgemeinen Abteilungen konnte ein Bezug zu der „Adler Group“ als solcher jedoch mit den nachfolgenden Ausnahmen nicht bestätigt werden. In einem Verfahren der Abteilung 252 soll ein Bezug zur „Adler Group“ bestehen, nicht hingegen zum Projekt „Steglitzer Kreisel“. In einem weiteren Verfahren der Abteilung 283, welches formal ein anderes Unternehmen betrifft, konnte ein Bezug zu der „Adler Group“ zwar nicht ausgeschlossen werden. Die Verfahrensakte, welche bereits archiviert ist, war innerhalb der Berichtsfrist nicht verfügbar, so dass keine gesicherten Erkenntnisse gewonnen werden konnten."

    Bei der Frage, welche Konsequenzen der Senat aus diesen staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen zieht, wenn es um die Baustelle am Steglitzer Kreisel geht, lautet die Senatsantwort „keine“. Bei der Frage, wann zuletzt welche Behörde oder Abteilung der öffentlichen Hand vor Ort eine Begehung durchgeführt hat und aus welchem Grund:

    „Durch das Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf (Bauaufsicht) wurde zuletzt am 22. November 2022 eine Ortsbegehung durchgeführt, um den aktuellen Bautenstand in Erfahrung zu bringen. Die Berliner Immobilienmanagement GmbH hat sich am 17. Januar 2020 im Rahmen eines Ortstermins über den Stand der Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen informiert.“

    Bei der Frage, welche Bauverzögerungen oder anderweitige Mitteilungen zum Bauprojekt und den Bauarbeiten am Turm bzw. am Sockel zuletzt beim Bezirk eingegangen sind, lautet die Senatsantwort:

    „Zu den Bauarbeiten am Turm liegen dem Bezirk Steglitz-Zehlendorf keine neuen Mitteilungen und Erkenntnisse bezüglich der eingetretenen Bauverzögerungen vor. Zu dem in Prüfung befindlichen Bauprojekt Umbau Sockelbereich - hier Umbau Bauteil C und E (Parkhaus und Bürogebäudeteil) - wurden zum laufenden Genehmigungsverfahren am 15. November 2022 angeforderte Unterlagen nachgereicht; die Prüfung wird dahingehend fortgesetzt.“

    Hintergrund: Die ursprüngliche Fertigstellung des Turms war für Ende 2021 vorgesehen. Autofahrer, Fahrradfahrer, Fußgänger und die Geschäfte im Erdgeschoss müssen seitdem die Beeinträchtigungen am Steglitzer Kreisel hinnehmen. Ein Baufortschritt ist nicht in Sicht, Aktivitäten und Bauarbeiter sind an der Baustelle nicht zu sehen.

    André Gaufer gegen die Adler Group

    Dem anhängigen Verfahren „PROfinance GmbH ./. Steglitzer Kreisel Turm GbR u. a.“ war ein Schlagabtausch zwischen einem Rechtsanwalt der Adler Group und André Gaufer vorausgegangen. Ein Anwalt des Konzerns hatte versucht, den Geschäftsführer der PROfinance GmbH einzuschüchtern. Die Adler Group indes hatte mit einem Rücktritt vom Kaufvertrag gedroht. Gaufer wurde unter Druck gesetzt, „binnen zehn Tagen die Wirksamkeit des Rücktritts zu bestätigen“. Denn für den Notarvertrag wollte die Adler Group neue Konditionen vorgeben. Gaufer unterschrieb den Nachtrag nicht und klagte stattdessen auf Einhaltung des Vertrages. Der Wirecard-Jäger Fraser Perring nimmt sich die dubiosen Geschäfte der Adler Group vor und macht Gaufers Klage international publik. Im Zentrum seiner Betrugsvorwürfe steht der Investor Cevdet Caner, der nach der Klage seinen Einfluss bei der Adler Group erhöht.

    Immobilienpoker

    Mit Christoph Gröner fing alles an. Von seiner CG-Gruppe erwirbt Gaufer mit seinem Unternehmen PROfinance eine Wohnung im Hochhaus am Steglitzer Kreisel im Jahr 2018. Dann übernimmt 2020 die Adler Group die geplanten 330 Wohnungen von Christoph Gröner. Und damit kommt der nächste Immobilienspekulant ins Spiel, der Immobilienpoker geht weiter. Während der 50 Jahre andauernden Skandalgeschichte rund um den Steglitzer Kreisel war die Staatsanwaltschaft schon einmal mit im Spiel und ein Finanzsenator musste zurücktreten. Sigrid Kressmann-Zschach begann mit der Errichtung des Steglitzer Kreisels und verspekulierte sich. Später baute sie das Ku’damm-Karree. Auch dieses Grundstück wechselte mehrfach den Besitzer. Im vergangenen Jahr erwarb die Aggregate Holdings das Grundstück. Cevdet Caner ist an dem Unternehmen beteiligt und wurde im Juli 2022 dort Vorstand.

    Anstatt zu bauen, wird spekuliert

    Anstatt das Wohnungsprojekt am Steglitzer Kreisel fertigzustellen, wird es wie am Pokertisch hin und her geschoben. Gaufer: „Ich bin nicht grundsätzlich gegen Spekulationsgeschäfte, dabei muss es aber gerecht und fair zugehen. Das gilt für die Börse und für Immobilien. Das Spekulieren mit Grundstücken gerät aus den Fugen. Anstatt zu bauen, wird spekuliert.“ Es wird gepokert um das große Geld. Und viele schauen weg. Dabei treffen Immobilienspekulationen nicht nur Wohnungskäufer, sondern verändern grundlegend den Wohn- und Lebensraum. Denn wenn Grundstückspreise künstlich aufgebläht werden, steigen Mieten explosionsartig. Und das betrifft am Ende uns alle.

    Über die PROfinance GmbH

    Die PROfinance GmbH existiert seit 1997 und hat ihren Sitz in Berlin. Geschäftsführer André Gaufer hat mit dem Unternehmen seinen Ansatz für ein faires Miteinander im Börsengeschäft realisiert. Seine Kunden erhalten Sonderkonditionen bei diversen Depotbanken, unter anderem bei der comdirect und der FFB. So sparen sie Geld beim Einkauf, können über 20.000 Fonds günstiger erwerben und somit schneller ihr Vermögen aufbauen. Der Großteil der Bestands- und Verwaltungsprovision wird an die Kunden ausgeschüttet. Über die günstigen Konditionen der PROfinance GmbH hat auch schon Finanztest von der Stiftung Warentest mehrfach informiert.

    Pressekontakt:
    André Gaufer
    PROfinance GmbH
    Giesensdorfer Str. 15 A
    12207 Berlin
    Tel. 030 859550-0
    E-Mail: presse@profinance.de
    Web: https://www.profinance.de

    #Berlin #Steglitz #Schloßstraße #Hermann-Ehlers-Platz #Steglitzer-Kreisel #Immobilien

  • Linke Hausprojekte in Berlin : Geräumte Träume
    https://taz.de/Linke-Hausprojekte-in-Berlin/!5894992

    26.11.2022 von Marie Frank, Erik Peter - Ausgerechnet unter einer rot-rot-grünen Regierung wurden zahlreiche linke Projekte geräumt. Welche Zukunft haben Freiräume in der Stadt?

    Aus berlin, 26.11.2022, 16:46 Uhr

    Die Fenster und die Tür zur einstigen Neuköllner Kiezkneipe Syndikat sind verbarrikadiert. Seit mehr als zwei Jahren, seit der durch viel Protest begleiteten polizeilichen Räumung im August 2020, hat sich hier nichts getan. Außer für die Nach­ba­r*in­nen oben drüber im Haus. Die beschweren sich inzwischen häufiger über den Gestank, der aus den vor sich hin schimmelnden ehemaligen Kneipenräumen aufsteigt, weiß der einstige Betreiber und Wirt Christian, der seinen Nachnamen nicht in der Zeitung lesen will, zu berichten.

    Im November 2019, als sich schon abzeichnete, dass für Berlins alternative Infrastruktur schwierige Zeiten anbrechen würden, trat die Initiative „Kein Haus weniger“ auf den Plan. 200 Projekte und ehemals besetzte Häuser und mehr als 100 Prominente überwiegend aus dem Kulturbereich schlossen sich zusammen, um sich dem Ausverkauf der Stadt entgegenzustellen. Sie schrieben: Ohne seine alternativen Haus- und Kulturprojekte wäre Berlin „sozial, politisch und kulturell um vieles ärmer“.

    Doch es nützte alles nichts. Das Syndikat machte im darauffolgenden Sommer nur den Anfang. Ihm folgten die Räumungen des queerfeministischen Hausprojekts Liebig34 in Friedrichshain im Oktober 2020, der Kreuzberger Kneipe Meuterei im März und des Köpi-Wagenplatzes in Mitte im Oktober vergangenen Jahres. Unmittelbar davor musste auch der selbstverwaltete Jugendclub Potse seine angestammten Räume in Schöneberg verlassen.

    wochentaz

    Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

    „Rein rechtlich mögen die Räumungen vollkommen korrekt sein, aber an sich stimmt irgendwas am System nicht“, sagt Christian heute im Rückblick. Immerhin waren das Syndikat und die Meuterei mehr als nur Kneipen, in denen das Bier trotz gentrifizierter Innenstadtlage noch bezahlbar war. Es waren für die Nachbarschaft auch wichtige Orte für Vernetzung, Austausch, politische Organisierung und soziales Miteinander.
    Ein Mann steht vor einem Haus mit verammeltem Fenster

    Ausgeräumt: Christian vor der nun leer stehenden Kiezkneipe Syndikat Foto: André Wunstorf

    Gemein ist allen Räumungen, dass sie für private Eigentümer durchgeführt wurden – und auf großen Protest stießen. Jeweils mehr als 2.000 Po­li­zis­t*in­nen wurden bei den Räumungen der langjährigen linken Symbolprojekte eingesetzt – entstandene Kosten für die Steu­er­zah­le­r*in­nen jeweils im siebenstelligen Bereich.
    Der neue Leerstand

    Obwohl inzwischen doch reichlich Zeit vergangenen ist, steht heute nicht nur das Syndikat leer, sondern auch die Meuterei und der ehemalige Wagenplatz auf dem Gelände des autonomen Wohn- und Kulturprojekts Köpi. 20 Jahre lang lebten hier mitten in Berlin rund 40 Menschen in kleinen Bauwagen ihren Traum vom alternativen Leben jenseits von bürgerlichen Konventionen. Als kleines Dorf mit vielen verschiedenen Kulturen und Sprachen, in dem sich alle gegenseitig helfen und voneinander lernen, bezeichnen die Be­woh­ne­r*in­nen ihr einstiges Zuhause.

    Eine von ihnen ist Mollie. Fünf Jahre lang hat die junge Frau auf dem Köpi-Wagenplatz gewohnt – bis dieser geräumt wurde. „Wir waren wie eine große internationale Familie“, sagt sie der taz. Mit dem Leben in einer normalen Wohnung könne man das nicht vergleichen. „Du hattest deinen eigenen Raum und hast gleichzeitig in einer großen Community gelebt, die sich gegenseitig hilft, Konzerte organisiert und sich in unterschiedlichen Kollektiven organisiert.“ Freiräume wie der Wagenplatz bedeuten für sie vor allem eins: eine andere Art zu Leben, kollektiv, selbstverwaltet und solidarisch.

    Dass dieser Raum nun verloren ist, ist für sie ein schwerer Verlust. „Am schlimmsten ist für mich, dass unsere Familie getrennt wurde“, sagt Mollie. Zwar haben viele Wagenplätze den ehemaligen Be­woh­ne­r*in­nen einen Platz angeboten, auch Mollie ist in einem untergekommen. Allerdings hat kaum einer der rund 20 Berliner Wagenplätze eine langfristige, vertraglich gesicherte Bleibeperspektive.

    Vom Köpi-Wagenplatz ist nur eine große Baugrube geblieben, verborgen hinter einem mit Stacheldraht gesicherten Bauzaun. Der Security-Mitarbeiter, der je­de*n misstrauisch beäugt, der*­die sich dem Gelände nähert, bewacht hier jedoch kein Bauprojekt, sondern eine Brache. Bagger oder andere Baustellenwerkzeuge sind nicht zu sehen.

    Bezirk und Eigentümer sind sich uneins darüber, ob die Baugenehmigung noch gültig ist. Die Bauaufsicht sieht diese jedenfalls seit Ende November 2021 wegen des „nicht erfolgten realen Baubeginns“ als erloschen an – also seit nur sechs Wochen nach der Räumung. Der Besitzer, die Sanus AG, hinter der der umstrittene Immobilieninvestor Siegfried Nehls steht, will das Gelände laut taz-Informationen verkaufen. Die Sanus AG dementiert das.
    Spekulieren auf Wertsteigerung

    Sollte ein Verkauf gelingen, würde sich Nehls sein Immobilienpoker vergolden lassen – schließlich dürfte sich der Grundstückswert wesentlich gesteigert haben, seit die widerständigen Be­woh­ne­r*in­nen weg sind. Die hatten schon vor der Räumung spekulativen Leerstand prophezeit. „Wir haben das erwartet, aber es ist trotzdem enttäuschend. So eine Verschwendung“, sagt Mollie über das brachliegende Gelände, das einst ihr Zuhause war.

    Einige Kilometer entfernt befindet sich die Friedrichshainer Liebigstraße. 30 Jahre lang bot hier das feministische Hausprojekt Liebig34 einen sicheren Rückzugsort für Frauen*. Zwar steht das Gebäude im Gegensatz zu den anderen geräumten Projekten nicht leer, dafür verfällt es seit zwei Jahren zusehends. Die Zustände im Haus gelten als katastrophal: kaputte Rohre, nicht funktionierende Heizungen, Müllberge im Hinterhof, überteuerte Mietverträge. Mittlerweile hat sich wegen der Mängel auch die Bau- und Wohnungsaufsicht eingeschaltet, wie eine Sprecherin des Bezirksamts auf taz-Anfrage mitteilte.
    Eine Frau mit umgehängtem Protestplakat

    Gegen den Ausverkauf: bei einer Demo für den Erhalt von linken Projekten im März 2021 Foto: Stefan Boness/Ipon

    Wie auch in vielen anderen seiner rund 50 Immobilien in Friedrichshain soll der Besitzer, der umstrittene Immobilienunternehmer Gijora Padovicz, auch hier die Not von geflüchteten Menschen auf dem angespannten Wohnungsmarkt der Hauptstadt systematisch ausnutzen. Das System ist dabei weder neu noch beispiellos: Für heruntergekommene Wohnungen wird der Höchstbetrag verlangt, den das Jobcenter oder Landesamt für Flüchtlinge übernimmt. Für die Vermittlung sollen zudem teils vierstellige Summen fließen. Die Be­woh­ne­r*in­nen des benachbarten linksradikalen Hausprojekts Rigaer94 vermuten, dass Padovicz auf diese Weise noch ordentlich Profit aus dem Gebäude schlagen will, bevor er es in teure Eigentums- oder Luxusmietwohnungen umwandelt. Für sie ist die Räumung der Liebig34 – ebenso wie die Angriffe auf das eigene Hausprojekt – der Versuch, den Widerstand gegen Gentrifizierung im Kiez zu brechen.

    Was die Eigentümer mit den umkämpften Objekten vorhatten, spielte für die Unterstützung des Staates bei der Vollstreckung der Räumungstitel keine Rolle. Dass jedoch in den vergangenen zwei Jahren ausgerechnet unter einer rot-rot-grünen Landesregierung zahlreiche linke Projekte zerstört wurden, um die Profitinteressen privater Im­mo­bi­li­en­be­sit­ze­r*in­nen durchzusetzen, gilt in der außerparlamentarischen Linken als schwerer Verrat. Insbesondere Ver­tre­te­r*in­nen der Linkspartei zeigten sich zwar solidarisch, betonten jedoch immer wieder ihre Machtlosigkeit angesichts der gerichtlich angeordneten Räumungstitel.
    Häuser dem Markt entziehen

    Moritz Heusinger ist seit vielen Jahrzehnten Anwalt für linke Projekte, auch die Liebig34 gehörte zu seinen Klient*innen. „Bei Häusern in Privatbesitz hat das Land nicht so große Einflussmöglichkeiten“, sagt er zur taz. Machtlos sei es allerdings nicht. „Der Staat kann zum einen als Kaufinteressent auftreten und so die Häuser dem Markt entziehen.“ Auch könne das Land Anreize für Eigentümer setzen, um diese zu Zugeständnissen zu bewegen. Dies war etwa in den 90er Jahren der Fall, als an Runden Tischen die Legalisierung von rund 100 besetzten Häusern verhandelt wurde.

    Berliner Häuserkampf

    Besetzte Häuser gehören in Berlin seit den 70er Jahren zum Stadtbild dazu. Während sich in Westberlin Be­woh­ne­r*in­nen mit Besetzungen gegen den systematischen Abriss von Altbauten wehrten und An­ar­chist*in­nen, Künst­le­r*in­nen und Hippies alternative Lebensformen erprobten, war in Ostberlin die Praxis des „Schwarzwohnens“ zwar weniger sichtbar, aber durchaus verbreitet: Allein in Prenzlauer Berg gab es vor der Wende Hunderte besetzte Wohnungen.

    1980/81 kam es in Westberlin zu einer großen Besetzungswelle. Innerhalb weniger Monate wurden rund 160 Häuser besetzt. Die In­stand­be­set­ze­r*in­nen erfuhren dabei viel Unterstützung in der Bevölkerung. Der Senat reagierte mit Repression: Bis 1984 wurde fast die Hälfte der Häuser gewaltsam von der Polizei geräumt. Die Be­woh­ne­r*in­nen leisteten militanten Widerstand und es kam zu regelrechten Straßenschlachten.

    Zu einer weiteren großen Besetzungswelle kam es dann 1990 nach der Wende, bei der rund 120 Häuser besetzt wurden. Das durch den Zusammenbruch der DDR entstandene machtpolitische Vakuum bot im Osten der Stadt gute Voraussetzungen, sich leer stehende Räume anzueignen. In Mitte, Friedrichshain und Prenzlauer Berg entstanden zahlreiche Haus- und Kulturprojekte. Einen Wendepunkt markierte die Räumung von zwölf besetzten Häusern in der Mainzer Straße im November 1990, die zu einer Straßenschlacht mit zahlreichen Verletzten eskalierte.

    In beiden Besetzungswellen gab es immer wieder Bemühungen, die Häuser zu legalisieren. In den 80er Jahren wurden die Verhandlungen durch die immer wieder stattfindenden Räumungen zwar erschwert, dennoch konnten bis 1984 rund 100 Häuser durch Miet- oder Kaufverträge „vertragsbefriedet“ werden. In den 90er Jahren war die Bewegung stark in verhandlungsbereite Be­set­ze­r*in­nen und Nicht­ver­hand­le­r*in­nen gespalten. Nach der Räumung der Mainzer Straße orientierte sich dann die Mehrheit an Verhandlungslösungen. An runden Tischen konnten rund zwei Drittel der Häuser Nutzungsvereinbarungen abschließen.

    Seit den 90ern kommt es nur noch vereinzelt zu Besetzungen. Das änderte sich zwischenzeitlich im Zuge der Mie­te­r*in­nen­pro­tes­te, die Wohnungen wurden jedoch schnell geräumt.

    Heusinger konnte damals für viele Projekte dauerhafte Miet- und Pachtverträge zu günstigen Konditionen rausholen. Eines dieser Projekte ist die ehemals besetzte Brunnenstraße 6/7 in Mitte. Nachdem Ende der 90er Jahre ein Immobilienunternehmer den Gebäudekomplex übernahm und die rund 100 Be­woh­ne­r*in­nen rausklagen wollte, konnten an einem runden Tisch mit Senat und Bezirk Mietverträge verhandelt werden. Dies war laut Heusinger auch deshalb möglich, weil der Senat als Anreiz die Sanierung des Hauses finanziell unterstützte. Auch im nahe gelegenen Kultur- und Wohnprojekt Schokoladen konnte 2012 noch vor dem Räumungstermin eine Einigung erzielt werden, indem der Senat dem Eigentümer im Tausch ein anderes Grundstück in der Straße vermachte. Beide Hausprojekte gibt es nach wie vor und haben eine langfristige Perspektive.

    Das Hauptproblem sieht Heusinger darin, dass das Land Berlin jahrelang zu Schleuderpreisen Grundstücke verkauft hat – die es heute für ein Vielfaches des Verkaufspreises zurückzukaufen versucht. Die Bereitstellung von Ersatzgrundstücken sei dadurch zwar schwieriger geworden, es bleibe jedoch der Hebel des Bauplanungsrechts. „Man könnte sagen, du verkaufst mir das Grundstück, dafür bekommst du woanders eine Bauerlaubnis“, so der Rechtsanwalt.

    Auch das Hausprojekt Liebig34 befand sich auf einem der verscherbelten Grundstücke. Als es dann vom neuen Eigentümer rausgeschmissen wurde, habe sich der Senat weggeduckt, kritisiert Heusinger. „Im Fall der Liebig34 wurde politisch nichts unternommen, um es zu retten.“ Beim Köpi-Wagenplatz war das anders: Die städtische Wohnungsbaugesellschaft Howoge verhandelte bis zum Schluss intensiv mit dem Eigentümer, um das Areal zu erwerben. Als dann jedoch die Räumung anstand, hatte der Eigentümer kein Interesse mehr an einer Einigung.

    Statt an sozialen Maßstäben orientiert sich Stadtpolitik heute vor allem an privatrechtlichen und ökonomischen Kriterien. „Stadtpolitik wird von Eigentümern definiert“, meint der Stadtsoziologe Andrej Holm

    Auch hier sieht Heusinger politischen Handlungsspielraum: „Man muss die polizeiliche Unterstützung für Gerichtsvollzieher nicht so schnell gewähren, sondern kann die Räumung hinauszögern.“ Und so Verhandlungen in letzter Minute ermöglichen. Dazu fehle in der SPD-geführten Innenverwaltung jedoch der politische Wille. „Der Wind hat sich für politische Projekte verschärft“, beobachtet der erfahrene Anwalt. Nicht nur würden in Berlin immer mehr langjährige Projekte verschwinden, auch Neubesetzungen würden gnadenlos geräumt. Tatsächlich wurden in den vergangenen Jahren so gut wie alle Besetzungen gemäß der Berliner Linie – Hausbesetzungen innerhalb von 24 Stunden räumen zu lassen – innerhalb kürzester Zeit von der Polizei beendet.

    Der Stadtsoziologe Andrej Holm sieht in der Räumung der zahlreichen Projekte ein „über die Jahre aufgebautes Versagen“. In den 90er Jahren habe man vereinbart, dass Hausprojekte und andere alternative Freiräume zu Berlin dazu gehören und ihre Legalisierung auf den Weg gebracht. Über die Jahre habe sich der Senat dann aus seiner Verantwortung zurückgezogen und es versäumt, ihre Existenz zu sichern. Heute fühle sich die Landesregierung nicht mehr an die Vereinbarung gebunden und verstecke sich hinter Gerichtsurteilen, kritisiert Holm, der 2016/17 selbst kurzzeitig Staatssekretär in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen der rot-rot-grünen Berliner Landesregierung war.

    Mittlerweile sind die Spielräume für linke Freiräume und nachbarschaftliche Begegnung angesichts des steigenden Preisdrucks immer enger geworden. Dabei seien diese für die Gesellschaft wichtig, sagt Holm. „Es sind Möglichkeiten zur Selbstverwaltung und Selbstgestaltung alternativer Lebensstile jenseits des Konformitätsdrucks.“ Daran sollte auch die Berliner Landesregierung ein Interesse haben. „Die Stadt muss für alle da sein und allen Entfaltungsmöglichkeiten bieten.“ Der Kiezcharakter, der die Hauptstadt vielerorts noch ausmacht und durch eine Mischung an vielfältigen Lebensstilen geprägt ist, gehe verloren, wenn einem Teil dieser Vielfalt die Räume genommen werden.

    Statt an sozialen Maßstäben orientiert sich Stadtpolitik heute vor allem an privatrechtlichen und ökonomischen Kriterien. „Stadtpolitik wird von Eigentümern definiert“, meint Holm. Die Konsequenz sei eine Einschränkung von Entfaltungsmöglichkeiten: „Ökonomische Rationalität kann soziale und kulturelle Vielfalt niemals abbilden“, so Holm. Der Druck durch immobilienwirtschaftliche Profitinteressen werde in Berlin und anderen Städten in absehbarer Zeit jedoch nicht abnehmen – im Gegenteil. Durch die steigenden Zinsen seien Eigentümer noch stärker als bisher gezwungen, ihre Gewinne aus den Immobilien selbst zu erzielen, also durch Mieterhöhungen. Dadurch könnten weitere unkommerzielle Projekte verdrängt werden.

    Gleichzeitig werde der Wunsch nach subkulturellen Freiräumen nicht verschwinden, meint der Stadtsoziologe. Holm glaubt daher, dass es immer wieder neue Initiativen geben wird, die sich leer stehende Räume aneignen – die es in Berlin nach wie vor gibt. Ein Beispiel dafür ist die Habersaathstraße 40-48: In dem jahrelang leerstehenden Gebäudekomplex wurde nach Besetzung ein Hausprojekt für rund 50 Obdachlose geschaffen, das nach Verhandlungen zwischen Bezirk und Eigentümern seit einem Jahr geduldet wird.

    Was also kann Berlin tun, um solche Projekte zu schützen und die Stadt nicht privaten Immobilienunternehmen zu überlassen? Zuallererst brauche es einen „Artenschutz für bestehende Projekte“, sagt Holm. Und eine Politik, die die Entstehung neuer Freiräume als wichtigen Impuls für die Stadtpolitik begreift und diese unterstützt – statt sie als Störung zu begreifen.

    #Berlin #Köpenicker_Straße #Mitte #Hausbesetzung #Stadtentwicklumg #Miete #Kultur #Wohnen #Immobilien #Kapitalismus

  • Trailerpark in Ost-Berlin: Wenn nur ein Container zum Wohnen bleibt
    https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/trailerpark-in-ost-berlin-wenn-nur-ein-container-zum-wohnen-bleibt-


    So schnell kanns gehen. Scheidung. Depression, schwuppdiwupp bist du obdachlos. Trailerparks in Berlin sind eine teure Notlösung.

    26.10.2022 von Jenni Roth - Jennifer Nakamura lebt auf 21 Quadratmetern in einem Container in Karlshorst. Und auch dieses Zuhause ist bedroht. Berlin und die Wohnungsnot – unsere Serie.

    Die Tage mit Sonne sind die besten. Dann sitzt Jennifer Nakamura, eine schmale Person mit einem rotblonden Zopf und feinen Gesichtszügen, mit einem Kaffee zwischen ihren Traumfängern auf der Dachterrasse und lauscht dem Rauschen der Blätter des großen Lindenbaums über ihr. So ein Baumhausgefühl, sagt sie. Und keine Nachbarn in der Nähe. „Ich bin hier so nah an der Natur. Ein so schöner Ort.“

    Nakamura, 38 Jahre alt, lebt in einem Doppelstockcontainer in Berlin. Über eine Metallrampe gelangt man auf ihre Terrasse. Ihre Unterkunft misst 21 Quadratmeter, hat ein kleines Fenster mit einer pinkfarbenen Gardine, und der Blick geht auf ungefähr 50 andere Container und Wohnwagen: Hier am Hönower Wiesenweg in Karlshorst steht einer von vielen Trailerparks der Hauptstadt. Siedlungen, wie man sie aus den USA etwa schon länger kennt, wo die Menschen dauerhaft in Wohnmobilen leben, weil sie keine bezahlbare Wohnung finden. In Städten wie San Francisco gehören sie schon fast zum Stadtbild. In Berlin stehen sie abseits, halb versteckt, und gelten als Symbol für Verarmung oder sogar Verslumung. Für nichts Gutes jedenfalls, findet die Frau, die vor dem Nachbargrundstück den Bürgersteig vor ihrem Haus fegt. Sie wohne seit 51 Jahren in dieser Straße, und noch nie sei hier so viel Polizei patrouilliert. „Überhaupt Polizei!“

    Naja, sagt Nakamura, es sei eben kein Familienkranz auf dem Gelände. Wenn sie erzählt, klingt sie kindlich, offen, als würde sie über jeden Satz staunen oder über die ganze Welt. Und sie hat ihre eigene. Natürlich gebe es schon auch mal Streit auf dem Gelände oder Geschrei. Aber das sei doch in den besten Familien so – da sei ja auch immer jemand, den man nicht leiden kann. Aber verstehen kann sie das Misstrauen von draußen schon: Als sie zum ersten Mal hier war, im Sommer, um das Gelände zu besichtigen, seien ihr auch als Erstes die Sperrmüllberge auf der Straße aufgefallen. Der mit Graffiti besprühte Wellblechzaun. Aber drinnen sei es überraschend sauber gewesen. Ein bisschen wie in einem Western habe sie sich gefühlt, mit dem holzverkleideten Wohnwagen, auf den man als Erstes zuläuft. Mit den Containern, teils zwei übereinander, links und rechts, mit dem steinigen, staubigen Boden.

    Manche Wohnwägen haben kleine Vorgärten, mit Kletterpflanzen, Kunstrasen oder Gartenzwergen. An der Wand eines Containers hängt eine Dartscheibe, vor einem anderen stehen zwischen Plastikstühlen leere Bierflaschen und Schnapsgläser. Auf Nakamuras Terrasse steht nur eine Puppenküche für ihre Kinder, und an der Wand kleben ein paar Sticker von den Vorgängern. Im Container stehen – das ist die Standardmöblierung – Bett, Schrank, Fernseher, Sideboard. Dazu hat Nakamura einen Herd mit zwei Platten gekauft und einen Reiskocher: „Sushireis schmeckt sonst einfach nicht.“ Und alles Japanische sei nun mal ihre große Leidenschaft. Außerdem musste das Bücherregal mit, für ihre Buddha-Figuren und die Fantasy-Romane.

    Vor allem aber hat Jennifer Nakamura einen kleinen Luxus, ein Minibad: ein abgetrennter Raum mit Tür, Toilette und Waschmaschine. Den hätte ihr Fast-Nachbar auch gern. „Die hygienischen Bedingungen sind schwierig“, sagt der Mitfünfziger, zeigt auf die Containerreihe mit den Gemeinschaftsbädern, wie man sie von Campingplätzen kennt. Um seinen Wohnwagen hat er einen kleinen Zaun gezogen – wegen des Hundes, sagt er, eine Mischung aus Bulldogge und Rottweiler. Er sei arbeitslos und aus seiner Wohnung habe er ausziehen müssen, sein Untermieter gleich mit. Der wohne jetzt im Wohnwagen nebenan. Seit zwei Jahren. Er klingt verbittert und gleichzeitig resigniert. Eine „richtige Wohnung“ hätte er gern. Aber wie die meisten anderen hier hat er auf dem Wohnungsmarkt keine guten Karten. „Viele von den Leuten hier waren schon im Knast. Oder Obdachlose. Naja, Leute, die nicht klarkommen.“ Stolze 550 Euro zahle er für seinen Wagen, 500 Euro zahlt eine andere Frau ein paar Container weiter.

    „Luxuspreise!“, sagt Kevin Hönicke. „Ich finde das dreckig, dass man arme Menschen so ausnützt, anstatt nach einer sozialen Lösung zu suchen.“ Der Lichtenberger Bezirksstadtrat sagt, er müsse den Trailerpark in Karlshorst unbedingt auflösen. Er und sein Amt streiten sich mit dem Eigentümer, der das Gelände an verschiedene Vereine und GmbHs vermietet. Die betrieben illegale Geschäfte auf Kosten der Steuerzahler, sagt Hönicke.

    Illegal, weil die Trailer auf einem Gewerbegrundstück stehen, auf dem eine Vermietung nie genehmigt worden und rechtlich auch gar nicht möglich sei, sagt Hönicke: „Diese Art und Weise des Wohnens ist in Berlin einfach nicht erlaubt“. Wohnen müsse in Berlin in festen Häusern „zu gesunden Wohnverhältnissen“ stattfinden. Und auf Kosten der Steuerzahler, weil das Jobcenter die Miete für die meisten Anwohner übernimmt. 500 Euro für durchschnittlich 20 Quadratmeter sind zwar ein Festpreis, es kommen keine Strom- oder Wasserkosten dazu. Aber hochgerechnet würde das etwa für eine 50-Quadratmeter-Wohnung 1200, 1300 Euro bedeuten. Ein hübscher Verdienst jedenfalls für die Vermieter.

    Jennifer Nakamura weiß gar nicht genau, wie hoch die Miete für ihren Container ist. Auch ihre Miete zahlt das Jobcenter, seit sie im vergangenen Herbst ihre Arbeit in einem Schmuckgeschäft kündigte wegen ihrer Depressionen. Deshalb ist sie auch seit knapp einem Jahr krankgeschrieben.

    Dabei wirkte ihr Leben nach außen fast makellos: schöne Wohnung, zwei entzückende Kinder mit einem Mann, den sie liebte – ein Japaner. Den hatte sie bei einem Japanisch-Stammtisch kennengelernt: „Ich wusste schon immer, dass ich einmal einen Japaner heiraten würde.“ Es war Liebe auf den ersten Blick, sagt sie. Nach einem Jahr heirateten sie. Und dann lief doch alles anders, als sie sich das erträumt hatte. Erst zog sie von Berlin nach Stuttgart, wo er lebte, und wo sie eigentlich nie hinwollte. Nach zwei Jahren überredete sie ihn, zurückzuziehen, und fing an, eine Wohnung zu suchen. Monatelang. Bis sie diese Anzeige für eine Traumwohnung mit vier Zimmern und Garten entdeckte. Sie schrieb eine Mail, in der sie alles offenlegte: Die Familie wolle zurück nach Berlin. Sie hätten kaum Geld und keinen Job, würden sich aber kümmern. Sie bekam die Wohnung. Und mit der Eigentümerin, die im Haus unten wohnte, eine Ersatzoma für die Kinder gleich mit dazu.

    Ihre Kinder sind unter der Woche nicht bei ihr. Umso wichtiger ist Jennifer Nakamura ihr Hund Lucy.

    Aber Jennifer Nakamura wurde nur noch unglücklicher. „So ein toller Ort im Grünen – und ich fühlte mich wie im goldenen Gefängnis.“ Sie beschreibt Einsamkeit, die sie in der Ehe gespürt habe. Als dann noch ihr Hund starb, sei etwas in ihr zusammengebrochen.

    Ihre Depressionen wurden lebensbedrohlich, Nakamura lieferte sich selbst in eine Klinik ein. Als die Therapeuten sie fragten, was Zuversicht in ihr Leben bringen könnte, sei ihr klar geworden, dass sie sich trennen musste, sagt sie. Dann war sie diejenige, die nach der Trennung aus der Wohnung ausziehen musste: Die Vermieterin wollte nicht, dass das Jobcenter die Miete finanzierte.

    Erst wollte sie zusammen mit den Kindern, drei und fünf Jahre alt, ausziehen. Drei, vier Monate lang, sagt Nakamura, habe sie nichts anderes gemacht, als abends bis zum Umkippen das Internet zu durchforsten. Dann starb ihre Großmutter, die für sie, die als Heimkind ohne Eltern aufgewachsen war, alles bedeutete. Trotzdem wachte sie nachts auf und scannte neue Angebote. Verschickte Hunderte Anfragen. Zweimal wurde sie eingeladen. Aber da stand sie dann in einer Traube von 40, 50 Menschen.

    Die junge Mutter schraubte ihre Ansprüche nach unten. Drei Zimmer, zwei Zimmer, ein Zimmer, WG-Zimmer. Auf Ebay Kleinanzeigen fand sie nicht viel – außer übergriffigen Angeboten: „Ich habe ein Zimmer für dich und helfe dir bei allem. Nur leider geht die Tür nicht zu.“ Oder: „Du hast so schöne rote Haare.“ Sie weitete ihre Suche aus, auf Facebook-Gruppen zu alternativem Wohnen und das Stichwort „Container“.

    Dann ging alles ganz schnell. Anschauen, unterschreiben, drei Wochen später einziehen, Ende August war das. Nakamura wusste sofort, das passt. Nicht zuletzt war da Klaus, der Sozialarbeiter: „Der hat immer ein offenes Ohr. Und er ist sehr seriös, ohne Hintergedanken“, sagt sie. Und auch ihr neuer Hund war willkommen: ein Rauhaardackelmix, zwei Jahre alt. Lucy könne hier ohne Leine laufen und mit den anderen Hunden spielen. Und von denen gibt es einige, dazu Katzen.

    Die Haustiere sind für Wolfgang Ziegler, dem das Grundstück gehört, ein Sinnbild für das „fehlende soziale Fingerspitzengefühl der Obrigkeiten“, die Haustiere in anderen Unterkünften oft nicht gestatten. Er wolle, dass die Bewohner hier frei leben können, sagt er. Deshalb habe er auch Obdachlose aus dem Camp in der Rummelsburger Bucht hergeholt. Das Camp, dass der Bezirk Lichtenberg unter Stadtrat Kevin Hönicke vergangenen Winter räumen ließ. „Der hat die Leute da in der Kälte rausgeprügelt und in Unterkünfte verfrachtet, wo sie nicht bleiben konnten“, sagt Ziegler. Zumindest nicht selbstbestimmt: In Obdachlosenheimen etwa gibt es feste Türschlosszeiten, Tiere, Alkohol oder Drogen sind verboten.

    Man trifft im Trailerpark in Karlshorst auch mittags schon mal Bewohner, die sich nur noch lallend unterhalten. „Ja und“, sagt Nakamura: „Leben und leben lassen“, das sei ihre Haltung. Die rund 90 Mitbewohner seien schon nach wenigen Monaten eine Art Ersatzfamilie geworden. Sie fühle sich angekommen. Auch wenn ihre Kinder sehr fehlten. An den Wochenenden, wenn sie bei ihr sind, könnten sie mit in dem schmalen Bett schlafen. Eine Dauerlösung sei das nicht. Außerdem kümmere sich ihr Ex-Mann, sie seien ein „super Team“, sagt Nakamura. Wenn ihre Kinder sie besuchen, ermahne sie sie nur, sich bei Gewaltwörtern lieber die Ohren zuzuhalten. Böswillig sei hier keiner, im Gegenteil. Sie hätten schon ein Fahrrad geschenkt bekommen und Walkie-Talkies. Einer der Bewohner, ein Punk, habe im Sommer aus einem Schlauchboot einen Pool gemacht. Und dann sei auch noch ein alter Bekannter aus ihrer Ausbildungszeit in Kladow nebenan eingezogen, der lasse sich auch gerade scheiden.

    Aber womöglich werden sie alle bald wieder umziehen müssen. SPD-Politiker Hönicke jedenfalls glaubt fest daran, dass es nicht mehr lange dauert, bis das Gericht seinem Nutzungsverbot zustimmt. Andererseits: Es gibt diverse vergleichbare Wohnprojekte in Berlin, die zwar nicht offiziell genehmigt, dafür aber geduldet werden. Mehr als zehn Jahre hätten sich weder Bezirk oder Bauamt an ihn gewandt, sagt Wolfgang Ziegler, der Eigentümer. Bis vor zwei Jahren, bis zu dem Zeitpunkt, als der Immobilienriese Bonava begann, direkt gegenüber mit der „Parkstadt Karlshorst“ ein gigantisches Wohnprojekt hochzuziehen: Mehr als 1000 Eigentums- und Mietwohnungen, mit eigener Kita, Schule und 1000 Quadratmetern Grünfläche.

    Neben Bonava hätten ihm noch andere Projektentwickler Kaufangebote gemacht, sagt Ziegler, bis zu 1,6 Million Euro hätten sie ihm geboten. Aber genauso wenig wie die Frau, die seit 51 Jahren auf dem Nachbargrundstück nebenan lebt, will er verkaufen – das sei weder zeit- noch berlingemäß. Ziegler sagt, er sei sicher, dass der Bezirk nur wegen der Neubauten gegen sein Grundstück kämpfe: „Bewohner in so einem Luxusviertel wollen natürlich nicht auf einen Trailerpark mit Leuten gucken, die es im Leben vielleicht nicht so gut getroffen haben.“ SPD-Politiker Hönicke hält dagegen: Man beanstande das Projekt, seit ein Kollege es zufällig bei der Wohnungssuche entdeckt habe. Und der Trailerpark sei nun mal illegal.

    Zwar hat Hönicke versprochen, die Bewohner im Fall einer Räumung notfalls in Hostels unterzubringen. Aber da will Jennifer Nakamura auf keinen Fall hin. Für sie wäre das Ende des Trailerparks ein harter Schlag. Aber egal wie, von einem Wunsch wird sie nicht abrücken: Berlin, sagt Nakamura, verlasse sie nie wieder.

    #Berlin #Lichtenberg #Karlshorst #Hönower_Wiesenweg #SPD #Wohnungsnot #Armut #Wohnen #Immobilien

  • „Das ist schon gravierend“: So ernst sind die Schäden im U-Bahn-Tunnel unterm Alexanderplatz
    https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/das-ist-schon-gravierend-so-ernst-ist-der-tunnelschaden-unterm-alex

    18.10.2022 von Peter Neumann - Weil der Tunnel der U-Bahn-Linie U2 unter dem Alexanderplatz in Bewegung geraten ist, wurde ein Gleis gesperrt. Weiterhin können die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) nicht sagen, wie lange die Fahrgäste noch umsteigen und einen Pendelverkehr nutzen müssen. Doch nun zeichnet sich das Konzept ab, wie das unterirdische Bauwerk in der City Ost saniert werden könnte. Bekannt wurde auch, dass erste Schäden schon im August beobachtet wurden – und dass sie ein schwerwiegendes Ausmaß erreicht haben. „Das ist nicht zu unterschätzen“, sagte Ephraim Gothe (SPD), Baustadtrat von Mitte.

    Wie berichtet hat sich das Tunnelbauwerk der U2 im Bereich des U-Bahnhofs Alexanderplatz um fast vier Zentimeter gesetzt. Das bedeutet, dass sich die Betonkonstruktion gesenkt hat. Nach den Informationen, die Gothe vorliegen, bewegte sie sich bisher je nach Bereich um 3,1 bis 3,6 Zentimeter nach unten. „Das ist schon gravierend“, lautet die Einschätzung des Stadtrats, der Bauingenieur ist.
    Beton ohne Stahl auf der historischen „Centrumslinie“

    Für das Bauwerk bedeutet eine Setzung fast immer eine Belastung. In diesem Fall gilt das in besonderem Maße, denn der Beton ist unbewehrt. Das bedeutet, dass kein Stahl eingebaut wurde, der die Stabilität normalerweise erhöht. Der Abschnitt der damaligen „Centrumslinie“, der vom Spittelmarkt zum Alexanderplatz und zum Teil als Hochbahn weiter zum heutigen U-Bahnhof Schönhauser Allee führt, ist 1913 in Betrieb gegangen.

    Risse in den Tunnelwänden des Bahnhofs der U2 zeigen, wie stark das Bauwerk durch die Setzung belastet ist. Ende August seien sie erstmals gesichtet worden, berichtete der Stadtrat. Daraufhin habe die BVG mit der Covivio Kontakt aufgenommen, so Gothe. Das Immobilienunternehmen will nebenan ein Hochhaus mit Zwillingstürmen errichten, die über 33 ober- und drei unterirdische Geschosse verfügen. Dazu wurde neben dem Hotel Park Inn, in unmittelbarer Nachbarschaft des U-Bahnhofs, eine Baugrube ausgehoben, die mehrere Stockwerke tief in den Boden reicht. Weil sie im Wesentlichen fertig ist, gebe es dort inzwischen keine Arbeiten mehr, wie die Covivio bestätigte.
    Nicht mehr lange – und die BVG hätte den U-Bahn-Tunnel sperren müssen

    Dem Vernehmen nach hielt man es bei der BVG noch Anfang Oktober für möglich, den Verkehr auf der stark belasteten U-Bahn-Linie U2 in vollem Umfang aufrechtzuerhalten. Doch nach einem erneuten Gespräch mit Covivio zogen die Bauexperten des Landesunternehmens am 7. Oktober die Reißleine. „Da die Messung für das Gleis in Richtung Pankow sich nun einem Grenzwert nähert und Sicherheit oberste Priorität hat, lässt die BVG die U2 im Bereich des Alexanderplatzes bis auf weiteres vorsichtshalber nur noch auf dem gegenüberliegenden Gleis fahren“, teilte die BVG damals am Abend mit.

    Der U-Bahnhof Alexanderplatz ist mit drei Linien ein stark genutzter Knotenpunkt im Osten Berlins. Auf diesem Bild von 2020 ist die U2 nach Pankow zu sehen. Dieses Gleis ist seit dem Abend des 7. Oktober gesperrt.

    Der U-Bahnhof Alexanderplatz ist mit drei Linien ein stark genutzter Knotenpunkt im Osten Berlins. Auf diesem Bild von 2020 ist die U2 nach Pankow zu sehen. Dieses Gleis ist seit dem Abend des 7. Oktober gesperrt.imago/Rolf Zöllner

    Der Grenzwert für die Setzung, um den es geht, beläuft sich auf vier Zentimeter. Tiefer darf das Bauwerk nicht absacken. „Wenn der Wert überschritten wird, wäre die Vollsperrung des Tunnelabschnitts die zwangsläufige Folge“, sagte ein Insider.
    Zu früh an die Öffentlichkeit gegangen? Covivio schreibt kritischen Brief

    Um den Betrieb auf der U2 wenigstens zum Teil aufrechtzuerhalten und den Fahrgästen zusätzliche Unannehmlichkeiten zu ersparen, habe die BVG „verantwortungsvoll reagiert“. Das sieht manch einer bei der Covivio aber offenbar anders. Nach Informationen der Berliner Zeitung hat das Unternehmen vor Kurzem einen Brief geschrieben. Dass die BVG an die Öffentlichkeit gegangen sei, bevor der Grenzwert erreicht wurde, stößt darin auf ein negatives Echo.

    Auf der Arbeitsebene stellt Bezirksstadtrat Gothe eine gute Zusammenarbeit zwischen der BVG und den Hochhausbauern fest. Dies und die Tatsache, dass in der Baugrube nicht mehr gearbeitet werde, habe ihn und die Verwaltung dazu bewogen, von der behördlichen Anordnung eines Baustopps abzusehen. „Das ist nicht erforderlich“, sagte der Bezirkspolitiker. „Wichtig ist, dass an der Lösung der Probleme gearbeitet wird.“

    Das sei offensichtlich der Fall, so Gothe. Es gebe bereits ein erstes Konzept, wie das Tunnelbauwerk stabilisiert werden könnte. Seitlich von der Baugrube aus könnte Beton unter die Konstruktion injiziert werden, erfuhr der Ingenieur. Dadurch würde der U-Bahnhof wieder eine feste Grundlage bekommen.
    BVG kündigt für Ende dieser Woche neue Informationen an

    Wie lange die Teilsperrung andauere und Fahrgäste auf den nur alle 15 Minuten verkehrenden Pendelverkehr ausweichen müssten, teilt die BVG weiterhin nicht mit. Doch das Unternehmen möchte in absehbarer Zeit ein Update geben. „Die Prüfungen an den Anlagen der U2 am Alexanderplatz dauern an“, teilte BVG-Sprecher Nils Kremmin mit. „Wir gehen davon aus, dass erste Zwischenergebnisse Ende dieser Woche vorliegen. Sollte es Änderungen im Betriebskonzept geben, werden wir umgehend informieren.“

    Covivio-Sprecherin Barbara Lipka bekräftigte den Zeitplan. „Wir hatten letzte Woche eingeschätzt, dass es rund 14 Tage dauern würde, bis erste Ergebnisse der gemeinsamen Untersuchungen seitens BVG, Bauunternehmen und Covivio vorliegen würden“, teilte sie am Dienstag mit.

    Die Linke fordert, Hochhausbauten in der Nähe von U-Bahn-Tunneln zu stoppen. „Alle Hochhausbauten im Umfeld von genutzten U-Bahn-Tunneln müssen sofort angehalten werden“, verlangten die Abgeordneten Katalin Gennburg und Kristian Ronneburg. „Bevor diese weitergeplant oder weitergebaut werden können, müssen die Projekte hinsichtlich ihrer Risiken für den U-Bahn-Verkehr erneut untersucht und neu bewertet werden. Das gilt beispielsweise für weitere Planungen am Alexanderplatz und am Hermannplatz.“
    Investor Hines zahlt BVG 30 Millionen Euro für die Tunnelertüchtigung

    Am Alexanderplatz will auch das US-Unternehmen Hines ein Hochhaus errichten. Es nahm die Debatte zum Anlass, um darauf hinzuweisen, dass man sich mit der BVG 2021 auf ein Verfahren zum Schutz des darunter liegenden Tunnels der U5 geeinigt habe. 30 Millionen Euro würden investiert. „Zur bestmöglichen Optimierung der Tunnel-Sicherheit wird der alte Beton der Tunnelwand teilweise abgetragen und eine neue dichte, lasttragende Innenschale gesetzt werden. Das Verfahren kommt im Ergebnis einem Neubau des rund 90 Jahre alten U-Bahn-Tunnels gleich“, so Hines. Eine längere durchgehende Unterbrechung des U-Bahn-Verkehrs sei dafür nicht erforderlich, hieß es bei der BVG. Sperrungen in der Nacht oder am Wochenende reichten aus.

    #Berlin #Mitte #Alexanderplatz #Verkehr #ÖPNV #U-Bahn #Immobilien #Hochhaus #Privatisierung

  • Berlin’s failed rental revolution - Exberliner
    https://www.exberliner.com/berlin/berlins-failed-rental-revolution-crisis-expropriation-mietendeckel-entei

    8.8.2022 - How Berlin went from cheap rents to a housing crisis, saw its rent cap defeated and what will happen next with calls for expropriation.

    Nick saw it all coming. In the early 2000s, while some Berliners were spending less on rent than on beer, Nick and his partner took out a mortgage on an apartment in Kreuzberg. Friends were puzzled.

    “My German friends told me I was crazy for buying a flat when it was so cheap to rent,” says Nick, a Canadian importer. “They thought Berlin was immune to what was happening elsewhere. But I lived through one property boom in Vancouver. I knew what was coming.”

    Today Nick pays no rent, and his apartment is worth at least five times more than it cost. But his paper profit brings little comfort: selling would only require buying again at today’s fast-rising prices. And money can’t buy what doesn’t exist.

    Berlin’s housing drama is a story of knock-on effects: ignorant optimism – leaderless capitulation – ill-fated regulatory resistance – crushing legal defeat. But Berlin’s rental revolutionaries haven’t given up hope.

    Easy pickings

    Finding a rental apartment in Berlin in the early 2000s was as simple as walking down the street and ripping a tab off a “Zu vermieten” flyer. If you didn’t mind coal heating and shared hallway toilets, Berlin was your oyster.

    Most real estate investors were scared away by the lack of viable industry, and a militant anarcho-leftist scene which burnt cars to defend its territory. Cowed by a guilty conscience and an oversupply of flats, mainstream-voter landlords showed unusual pricing restraint.

    At the turn of the millennium, around five percent of Berlin flats were vacant (today it’s less than 1 percent). In 2002, the average rental price was €6.07 per m2 (it’s now €10.55 per m2). Demand was so low that the city’s public investment bank called for “necessary measures such as demolition and de-construction.”

    The sell-off

    Berlin’s leaders found another way of getting rid of property. The neoliberal SPD mayor Klaus Wowereit and his finance minister Thilo Sarrazin saw the city’s publicly-owned apartments as a piggy bank to pay off the city’s enormous debt.

    That strategy amounted to a fire sale of its assets. Between 2002 and 2007, Wowereit’s SPD, in coalition with Die Linke, sold off more than 110,000 flats – almost one third of the city’s housing stock. In one sale, 66,000 apartments were sold to investors including Goldman Sachs for €405 million – or €6000 for each flat.

    Only one regulation existed to control prices, capping increases at 20 percent over three years on existing contracts. But there were no limits on how much landlords could charge for new contracts. Sharp-eyed investors saw through the rhetoric of strong tenants’ rights, realising there was room for exploitation and no penalties for infringement.

    The buy-up

    With the Berlin Wall long gone, waves of international capital flooded the property market. The ‘tide that lifts all boats’ became a tsunami that smashed all cities, though the money took a little longer to wash up the Spree.

    In response to the 2008 global financial crash, governments printed trillions of dollars, euros and pounds and slashed interest rates, hoping investors would fund new job-creating activities. Instead they bought up undervalued assets with easy returns.

    Between 2009 and 2018, investors spent €139 billion purchasing old buildings in Berlin, and only €16 billion building new ones, according to research by Die Linke. During the same period, around 20 percent of the city’s properties changed hands.

    By 2017, Berlin was experiencing some of the biggest property price increases in the world. The following year, Berlin was declared the number one city in Europe for property investment.

    Rental prices were levelling up to match cities such as Madrid and Milan. But incomes had failed to keep pace. Even today, the majority of Berliners spend more than 30% of their income on housing – a rate economists consider to be both unaffordable and unsustainable.

    Too little, too late

    Politicians made moves to slow the spike. In 2013, Berlin limited maximum allowed increases on existing contracts to 15 percent over three years. In 2015, the Federal Government ruled new rental contracts could only be 10 percent above average official prices, though the law was largely ignored: one report found 95 percent of all new property listings were priced above the legally allowed amount.

    By 2018, Berliners were finally furious about property prices. A demonstration against Mietenwahnsinn (rental madness) drew thousands of participants – newspapers said 13,000; demo organisers counted 25,000. Among their demands? The expropriation of investors’ properties.

    The rent freeze

    Spooked Berlin politicians responded by offering a more moderate, yet still extraordinary reform: instead of seizing private property, they proposed freezing all rental prices for five years.

    The idea, first floated within the SPD, was endorsed by Berlin’s governing coalition parties, including the Greens and Die Linke, and despite internal disputes and heavy opposition, it made its way into law. On January 30, 2020, the Berlin parliament voted on the Act for the Restriction of Residential Rents in Berlin, better known as the Mietendeckel, or rent cap.

    “It’s the biggest and most important reform in the city since the fall of the Berlin Wall,” said Rainer Wild of the Berlin Tenants’ Association at the session.

    The Mietendeckel effectively suspended the free market for rental property in Berlin, a city where rentals dominate the property sector. It stopped most price increases for five years, except for flats built after 2014, to create an incentive for new developments. It mandated rent reductions for leases worth over 20 percent of average official prices. Cheating landlords were threatened with fines of up to €500,000.

    Opposition parties and the real estate lobby were astounded. They mounted a PR offensive using the slogan “Bauen Statt Deckeln” – build, don’t cap – which claimed, falsely, that the Mietendeckel discouraged investors from building new apartments. Opponents brought a case before Germany’s Federal Constitutional Court. For almost a year, Berliners endured a cliffhanger wait to see if judges would uphold or kill the great rent freeze experiment.

    The meltdown

    “The Mietendeckel is void” was the court’s April 15, 2021 verdict, declaring the city’s attempt to control rent prices unconstitutional because only the federal government was entitled to regulate rents. Gleeful landlords demanded rental back-payments, some worth thousands of euros.
    When the rent cap was overturned, acivists looked for other ways to combat rising rents. Photo: IMAGO / IPON

    Then, in November, came a second devastating legal decision. The Federal Administrative Court ruled that governments could no longer buy property using Vorkaufsrecht, or right of first purchase, which had allowed the city to forcibly acquire more than 12,000 private apartments and put them in public or cooperative hands. Within the space of months, Berlin had lost its two most powerful weapons to control property prices.

    Landlords strike back

    For more than a year, the Mietendeckel kept rents in check. During that time, some landlords kept their flats off the market, preferring no income to reduced profit while awaiting the court decision. One study found there were 60 percent fewer advertised flats during the Mietendeckel-era.

    Those have since bounced back – along with rental prices. Another analysis found Berlin had experienced the biggest rental price increases in all of Germany.

    Another impact of the Mietendeckel was to speed up the conversion of rental apartments into private residences. With prices at record highs, many owners decided to cash out and sell their properties rather than lease them, leading to a huge drop in potential rental properties.

    Potential buyers are paying high prices. In 2021, average buying prices hit €5416 per sqm, nine percent more than in 2020. But a bigger problem than cost is the highly competitive market.

    Every rental property listed is hotly contested, according to the portal ImmobilienScout24. Buying is also a battle: up to five interested owners register for each available property weekly, and most have to bid above the asking price to secure a purchase.

    The remains of the day

    What hope remains for Berlin’s tenants, now that the Mietendeckel is dead, and judges have barred the city from purchasing properties via Vorkaufsrecht?

    Germany’s top courts have made it clear: only federal government intervention is allowed in the property market. But the current governing coalition shows little appetite for major reform, mostly due to resistance from the neoliberal FDP party.

    The federal coalition agreement between the SPD, Greens and FDP promises only to maintain the existing Mietpreisbremse, or rent brake, the legislation that caps new rental contracts at 10 percent of average prices. For existing contracts, the maximum allowed rental increase could be set at 11 percent over three years (down from the current 15 percent).

    However, bringing legal action against deviant landlords will be up to tenants And even then, tenants are limited to reducing their rent to the legal maximum, but only from the date they lodge their complaint.

    A new dawn

    Housing activists weren’t satisfied with such incremental change. They’re now waging an even bigger battle to secure a truly ground-breaking revolution. The initiative Deutsche Wohnen & Co. enteignen is demanding that the Berlin city government use an obscure constitutional provision to forcibly acquire the property of any owner possessing more than 3000 apartments.

    Advocates say it could bring over 240,000 flats into public ownership to better control rental prices, and argue it should cost around €8 billion. Its opponents – including all political parties except Die Linke and the Greens – argue it would cost around €36 billion, which is a little over the city’s current annual operational budget.

    The idea captured the imagination of most Berliners. The enteignen campaigners collected tens of thousands of petition supporters and triggered a referendum. With the rent freeze melted, and little visible political appetite for reform, many Berliners saw mass expropriation as the only remaining solution to price spirals. In September 2021, the enteignen proposal received a greater percentage of votes than the winning coalition parties.

    Despite the overwhelming democratic mandate, the SPD under new mayor Franziska Giffey is staunchly against expropriation. Instead of implementing the idea as demanded by voters, a so-called expert commission was set up to examine the proposal and provide a recommendation. Few expect a positive outcome. Even if the city’s politicians obeyed voters and implemented Enteignung, the expropriations would almost certainly be challenged in the courts, which have a track record of supporting investors.

    Failure of the enteignen initiative could leave its million-plus supporters feeling defeated, disillusioned and disenchanted with democracy. Or it could spawn a new generation of outraged activists seeking even more radical means to fight investors. Win or lose, the enteignen campaign will reshape the city’s property politics for years to come.

    After two decades of property price hikes and political failures, activists have learned the lesson: if you want a minor reform, demand a revolution. And if you get your revolution, prepare for revenge.

    #Berlin #Wohnen #Immobilien #Mietendeckel #Gentrifizierung #Spekulation

  • Wohnungsnot: Es war lange nicht mehr so schwer, eine Wohnung in Berlin zu finden
    https://prod.berliner-zeitung.de/politik-gesellschaft/wohnungssuche-in-berlin-so-schwer-war-es-seit-jahrzehnten-nich

    29.5.2022 von Niklas Liebetrau - Der Tag, an dem Angelika Pietz erfährt, dass sich ihr Leben ändern muss, endet mit einer Tafel Milka und zwei Gläsern Rotwein. Das Schreiben mit der Eigenbedarfskündigung hat sie nur überflogen. Kurz aufs Datum geschaut, wann sie ihre kleine Wohnung in Pankow räumen soll: 28. Februar 2023. Dann schnell wieder alles weggelegt.

    Bloß nicht zu nah an sich heranlassen. Bei Google gibt sie trotzdem gleich die Worte ein, die von nun an ihren Alltag bestimmen werden: Wohnung in Berlin, Wohnberechtigungsschein (WBS), Wohnungsamt. Bis spät in die Nacht sitzt sie vor ihrem PC, trinkt Wein und isst Schokolade. So erzählt sie es etwa eine Woche später.

    Es ist ein sonniger Morgen im Mai. Frau Pietz sitzt in einem hippen Café in Prenzlauer Berg. Um sie herum junge Leute. Alle trinken Chai Latte, Matcha Latte, Golden Latte. Frau Pietz trinkt stilles Wasser. Die kleine, bald 69 Jahre alte Rentnerin hat den gelben Kaschmir-Pullover an, den sie tags zuvor „aus Frust“ gekauft hat. Sie lacht, wenn sie davon erzählt. Aber innerlich, sagt Pietz, sei sie unruhig.

    22 Jahre lang hat sie in ihrer Wohnung gewohnt, hat gedacht, hier werde sie alt. Als das Schreiben ihrer Vermieterin kam, war das erst ein Schock. Dann habe sie gedacht, ein Neuanfang – könnte auch ganz nett sein. Geht eine Tür zu, öffnet sich eine andere.

    Wie damals, als sie nach der Wende ihren Job verlor und zur Altenpflegerin umschulte. Aber als ihr dann neulich bei der Mieterberatung jemand sagte, ohne WBS drohe ihr die Wohnungslosigkeit, „da war das wie ein körperlicher Schmerz“. „Ick“, sagt sie. „Ick und wohnungslos?“

    In Berlin häufen sich die Eigenbedarfskündigungen. Sicher geglaubte Lebenspläne ändern sich von einem Tag auf den anderen.

    Wohnraum in Berlin ist Mangelware. Wer umziehen will, oder wie Frau Pietz umziehen muss, der erfährt die ganze Härte des Marktes. Im Schnitt bewerben sich um jede freie Wohnung in der Stadt mehr als 200 Menschen. Als die Berliner Zeitung am Wochenende kürzlich die Vermietung einer 81-Quadratmeter-Wohnung in Wedding begleitete, waren es 656 Menschen.

    Parallel steigen die Preise so rasant wie nirgendwo sonst in der Republik. In den vergangenen zehn Jahren haben sich die Neuvertragsmieten mehr als verdoppelt. Sie liegen bei durchschnittlich 10,55 Euro pro Quadratmeter. Und sie haben sich von dem entkoppelt, was in bestehenden Mietverhältnissen bezahlt wird, im Schnitt nämlich 6,37 Euro pro Quadratmeter. Mehr als vier Euro Unterschied also zwischen denen, die eine Wohnung haben und denen, die eine suchen.

    „Eine bezahlbare Wohnung in Berlin zu finden war noch nie so schwierig wie heute“, heißt es daher auch im jüngst veröffentlichten Wohnmarktreport der Immobilienbank Berlin Hyp. Selbst Gutverdiener spüren das. Vor kurzem war es Kevin Kühnert, der mit der Aussage überraschte, er finde in Tempelhof-Schöneberg keine Wohnung mehr. Und das mit einem Monatsgehalt von über 10.000 Euro.

    Die Ursachen der Wohnungskrise liegen Jahrzehnte zurück

    Wie konnte es dazu kommen? Eine Antwort ist: Berlin ist begehrt. Zwischen 2012 und 2020 ist die Stadt pro Jahr im Schnitt um fast 29.000 Menschen gewachsen. Wegen Corona war die Entwicklung kurz rückläufig, künftig wird das Wachstum aber eher noch zunehmen. Allein der Krieg in der Ukraine wird 100.000 Menschen nach Berlin spülen, die dauerhaft bleiben werden. Damit rechnet der Berliner Senat.

    Hinzu kommen die politischen Fehler der Vergangenheit. Allen voran der Ausverkauf von städtischen Wohnungen seit der Jahrtausendwende. Damals hatte Berlin durch die Wiedervereinigung hohe Schulden. Gleichzeitig einen Leerstand von zeitweise über fünf Prozent. Für Mieter waren Wohnungen Schnäppchen. Für die Stadt waren sie ein einfaches Mittel, um Haushaltslücken zu schließen. Gab es 2001 noch 264.000 Sozialwohnungen in Berlin, sind es heute nur noch 92.000. Und die sind voll vermietet. Etwa ein Viertel der Wohnungen in der Stadt sind heute öffentlich, genossenschaftlich oder gemeinnützig verteilt. Der Rest gehört dem freien Markt.

    Spätestens seit der Finanzkrise 2008 sind Immobilien in Berlin für Anleger hochinteressant. Vor allem, solange die Zinsen niedrig sind. Ein Beispiel aus Friedrichshain: Dort, am Samariterplatz, schraubte sich der durchschnittliche Bodenpreis von 460 Euro im Jahr 2008 innerhalb von zehn Jahren auf 5500 Euro pro Quadratmeter. Ein Anstieg von mehr als 1000 Prozent. Und so sieht es in weiten Teilen der Stadt aus. „Wohnungen werden gekauft, damit sie Rendite abwerfen“, sagt der Sozialwissenschaftler Andrej Holm von der Humboldt-Universität, „das läuft dem Wunsch nach bezahlbaren Mieten völlig zuwider.“

    Jeder zweite Berliner hätte Anspruch auf eine Sozialwohnung

    Seit über 20 Jahren beschäftigt sich Holm mit Wohnungspolitik und Gentrifizierung. Er sagt: „Geht es so weiter, werden Haushalte mit geringen und mittleren Einkommen bald nicht mehr hier wohnen können.“ Oder nur unter hoher finanzieller Belastung. Schon jetzt gebe es einige Menschen, die mehr als 50 Prozent ihres Einkommens für die Miete zahlen würden. Beinahe jeder zweite Berliner Haushalt hätte, gemessen am Einkommen, Anspruch auf eine Sozialwohnung.

    Eine solche bekommt, wer einen WBS vorlegen kann. Ob man Anspruch darauf hat, entscheidet das Gehalt. In Berlin liegt die Einkommensgrenze für Ein-Personen-Haushalte bei 16.800 Euro. Je nach Fall wird davon noch etwas abgezogen. Doch einen WBS zu beantragen ist aufwendig. Oft dauert es Monate, bis das Amt dem Antrag zustimmt. Und das Angebot an Wohnungen reicht ohnehin nicht aus. Allein 2020 und 2021 kamen 85.000 neue WBS-Berechtigte hinzu. Im gleichen Zeitraum wurden etwa 3000 geförderte Wohnungen gebaut. „Die Wohnungskrise“, sagt Holm, „ist eine soziale Versorgungskrise.“
    Wohnungsnot gefährdet die Psyche

    Es ist eine Entwicklung, wie man sie aus New York, London und Paris kennt: In der Innenstadt leben die Gutverdienenden, am Rand die Geringverdiener, die Verdrängten.

    Angelika Pietz wird in Pankow wohl nichts mehr finden. Neulich habe ihre Tochter ihr ein Inserat geschickt – eine Wohnung im Märkischen Viertel. „Die könnt ick bezahlen“, sagt Pietz. „Aber will ick dit?“ Sie hat Sorge, dass sie sich dort nicht sicher fühlen wird, in dieser für sie völlig unbekannten Gegend im Norden von Berlin. „Aber wenn gar nichts geht, zieh ick och dahin“, sagt sie. Unterkriegen lasse sie sich nicht. Und ein bisschen Zeit habe sie ja auch noch.

    Frau Pietz versucht, optimistisch zu bleiben. Doch die Ungewissheit, die Angst vor der Wohnungslosigkeit, der Verlust des heimischen Viertels – all das belastet Menschen schwer, die von der Wohnungsnot betroffen sind. Micha aus Steglitz sagt: „Fast jede Nacht wache ich auf und frage mich: Wo soll ich hin?“

    Es ist ein lauer Abend in Kreuzberg. Kinder spielen auf der Straße Fußball, vor den Spätis sind die Tische voll. Micha, ein kleiner, drahtiger Mann von 64 Jahren, mit grünen Augen und schneeweißem Bart, erzählt seine Geschichte. Er will seinen Nachnamen nicht verraten und auch nicht seinen Beruf. Vielleicht ist er etwas misstrauisch. Nur, dass er im öffentlichen Dienst arbeitet und etwa 2000 Euro im Monat verdient, darf der Reporter schreiben.

    Erst Eigenbedarf, dann Zwangsräumung

    Auf den ersten Blick ähnelt sein Fall dem von Angelika Pietz. Auch Micha lebt schon lange in seiner 59-Quadratmeter-Wohnung. Er ist dort als junger Mann eingezogen, 40 Jahre ist das jetzt her. Dabei sei die Wohnung nichts Besonderes, sagt er. Dritter Stock ohne Aufzug, zwei Zimmer, klassischer Fünfzigerjahre-Bau. Linoleum, offene Rohre, „das Ding ist marode“, sagt er.

    2018 wird diese Wohnung von zwei Geschäftsmännern gekauft, für 110.000 Euro, wie Micha hört. Ein Jahr später kommt die Kündigung wegen Eigenbedarfs. Die Mutter des einen Eigentümers soll in die Wohnung ziehen. Eigentlich gibt es in Berlin eine Sperrfrist von zehn Jahren, ehe ein Käufer Eigenbedarf anmelden darf. Das gilt aber nur beim ersten Verkauf. In den Neunzigern hatte die Wohnung schon einmal den Eigentümer gewechselt. Doch Micha ist nicht bereit, auszuziehen.

    Eine Klage gegen die Kündigung verliert er. Am 30. November wird seine Wohnung zwangsgeräumt. Er will auch dann noch da sein. „Wo soll ich denn hin?“, sagt er noch mal. Seine 89-jährige Mutter, um die er sich kümmern muss, lebe nur 15 Minuten mit dem Fahrrad entfernt. „Wer macht ihren Einkauf, wenn ich weg bin?“ Etwas anderes in der Nähe finde er nicht. 500 Euro könne er maximal an Miete zahlen. Dafür gibt es in Steglitz bei Immoscout aktuell nur eine einzige Wohnung – eine Tauschwohnung.

    Micha glaubt, der Eigenbedarf sei nur vorgeschoben. Auch deswegen will er nicht raus. Er hat sich informiert. Die beiden neuen Eigentümer sind Inhaber eines Online-Handels für Luxusschuhe. 2019 habe das Unternehmen einen Umsatz von 18 Millionen Euro gemacht. „Und die wollen ihre Mutter in meine Bruchbude setzen?“, fragt er.

    Tausende Zwangsräumungen pro Jahr

    Manchmal hilft ihm die Wut. Doch die meiste Zeit sind da vor allem Fragen, auf die er keine Antworten findet. „Innerlich bin ich ein Wrack“, sagt er. Er sehe in seinem Leben nichts mehr, worauf er sich freuen könne. Er hat Briefe geschrieben an den Bausenator, an die Regierende Bürgermeisterin, sogar an den Bundespräsidenten. Niemand kann ihm helfen. Micha schaut ins Leere. „Wer hilft dir“, fragt er, „wenn dir keiner mehr hilft?“

    Jeden Tag werden in Berlin gleich mehrere Haushalte zwangsgeräumt. Es gibt keine verlässlichen Zahlen, aber Schätzungen sprechen von mehreren Tausend Räumungen pro Jahr. Allein in Berlin. Droht einem Menschen dieses Schicksal, ruft das oft ein linkes Bündnis auf den Plan, das sich „Zwangsräumung verhindern“ nennt und von dem der Verfassungsschutz sagt, es sei „linksextremistisch beeinflusst“. Die Aktivisten organisieren Demos, besuchen in größeren Gruppen die Eigentümer und blockieren am Tag der Räumung die Wohnung. Auch von Michas Fall hat das Bündnis gehört. „Wir haben schon einen Brief an die Vermieter geschrieben“, sagt einer vom Bündnis am Telefon, der sich David Schuster nennt. Jetzt folge die nächste „Eskalationsstufe“.

    Ein Tag später. Am Kudamm ist die Welt noch in Ordnung. Im Schuhgeschäft „Budapester“ sitzen Damen, trinken Sekt, vielleicht auch Champagner, und lassen sich Schuhe bringen. Sneaker von Givenchy, 650 Euro. Pumps von Aquazura, 995 Euro. Stiefel von Dolce & Gabbana, 1390 Euro. Plötzlich marschieren sieben Leute in den Laden. Sie tragen dunkle Sonnenbrillen und halten rote Schilder in die Höhe. „Stop Zwangsräumungen“ steht darauf. „Alle mal herhören“, ruft einer. „Die Eigentümer dieses Ladens und des Online-Shops MyBudapester wollen ihren Mieter rausschmeißen.“ Es geht um Micha. „Das finden wir scheiße“, ruft der Mann.

    Wohnungsnot ist sozialer Sprengstoff

    Es wird hektisch. Mitarbeiter eilen herbei. Sie bitten, man möge den Laden verlassen. Sie flehen fast. Die Inhaber seien nicht im Haus. Eine Kundin springt auf: „Die setzen ihren Mieter auf die Straße? Mit so einem Laden kann ich mich nicht identifizieren.“ Sie stürmt empört aus dem Geschäft. Später stellt sich heraus: Auch sie ist Teil des Bündnisses. Flyer fliegen. Dann drängen alle schon wieder nach draußen. Das Ganze dauert keine zwei Minuten. Am Abend veröffentlicht die Gruppe die Namen der Inhaber des Geschäfts auf ihrer Website. David Schuster sagt: „Spätestens jetzt wissen die, dass sie die Räumung nicht leise über die Bühne bringen werden.“ Weitere Aktionen seien geplant. Die Berliner Zeitung hat versucht, die Geschäftsinhaber zu ihrer Sicht der Dinge zu befragen, die Anfrage blieb unbeantwortet.

    Das Thema Wohnungsnot ist zum sozialen Sprengstoff geworden. Das zeigen nicht nur Aktionen wie die am Kudamm. Der Ton wird rauer. Am 1. Mai bewarf jemand die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey gar mit einem Ei, als sie eine Rede auf der Kundgebung des Deutschen Gewerkschaftsbundes hielt. Zuvor hatte die Menge lautstark gefordert, den Berliner Volksentscheid zur Enteignung von Wohnungsbauunternehmen umzusetzen.
    Hilft die Enteignung großer Wohnungsunternehmen?

    Sucht man in der Stadt nach Lösungen für die Wohnungskrise, kommt man immer wieder auf diesen Vorschlag: Wohnungsunternehmen mit mehr als 3000 Wohnungen sollen enteignet werden. Insgesamt wären das etwa 240.000 Wohnungen, die wieder in die Verwaltung der Stadt übergingen – wo sie ja einst bereits waren. Die Hoffnung: Mieten würden dadurch dauerhaft auf das kostendeckende Maß beschränkt, eine soziale Durchmischung von Arm und Reich wäre auch innerhalb des Berliner Rings weiterhin möglich. Wie viel die Übernahme der Wohnungen kosten würde, ob das verfassungsrechtlich überhaupt machbar wäre und welche Auswirkungen es tatsächlich hätte, all das ist höchst umstritten. Nur eines ist gewiss: Eine Entscheidung darüber wird noch Jahre dauern. Eine schnelle Lösung bringt der Vorschlag nicht..

    Stattdessen setzt die Stadt, allen voran die regierende SPD, vor allem auf eins: Neubau. Bis 2030 will der Senat 200.000 neue Wohnungen schaffen. Nur dadurch könne den steigenden Mieten Einhalt geboten werden. Aber ist das wirklich so? Andrej Holm, der Sozialwissenschaftler, sagt: „Rechnerisch fehlen Berlin schon jetzt etwa 50.000 Wohnungen.“ Auf 2,03 Millionen Haushalte kämen nur 1,98 Millionen Wohnungen. Bauen sei also ein richtiger Weg, so Holm. „Aber es müssen eben vor allem bezahlbare Wohnungen sein, die gebaut werden.“

    „Neubau wird die Mieten senken, natürlich.“
    Christian Gaebler, Staatssekretär für Bauen und Wohnen

    Ein Besuch bei Christian Gaebler, dem Staatssekretär für Bauen und Wohnen. Schlichtes Büro, Bauhelm und Warnweste auf dem Schrank, aus dem Fenster der Blick auf den Fehrbelliner Platz, es riecht nach Kaffee. Als Staatssekretär kommt Gaebler eine wichtige Rolle in der Bewältigung der Wohnungsnot zu. Wobei Wohnungsnot – seine Pressesprecherin und er reden lieber von einer Wohnungsknappheit. Eine Not sei ja doch noch mal was anderes.

    Herr Gaebler, wird Bauen die Mieten in Berlin senken? „Natürlich“, sagt er. Berlin sei seit längerem ein Vermietermarkt, die Nachfrage übersteige bei weitem das Angebot. Das treibe die Preise in die Höhe. „Das muss aufgelöst werden, auch Enteignungen nützen da nichts“, sagt er. Erhöhe man das Angebot, sänken die Mieten. Die Regeln der Marktwirtschaft. „Den Effekt werden wir spätestens in fünf Jahren spüren.“ Was Gaebler allerdings auch sagt: Die steigenden Baupreise machten es derzeit schwer, bezahlbare Wohnungen zu bauen.
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    Das eigentliche Problem sind die steigenden Baupreise

    Erst Corona, dann der Krieg in der Ukraine. Dazu immer strengere Vorgaben zur Einhaltung der Klimaziele – all das lässt die Baupreise rasant steigen. Möchte man wissen, ob es sich in dieser Situation überhaupt noch rechnet, bezahlbare Wohnungen zu bauen, muss man bei Susanne Klabe nachfragen. Klabe ist Geschäftsführerin des Berliner Landesverband der privaten mittelständischen Immobilienwirtschaft (BFW). Sie sagt: Sozialwohnungen, wie private Unternehmer sie zu 30 Prozent bauen müssen, könnten nur dann finanziert werden, wenn die Mieten der restlichen 70 Prozent entsprechend teurer seien.

    „Um einen Neubau stemmen zu können, sind die Unternehmen auf die Finanzierung von Banken angewiesen“, erklärt Klabe. „Wie hoch der Kredit der Bank ist, hängt davon ab, was man mit der Wohnung später einnimmt.“ Derzeit, so Klabe, brauche man für die Refinanzierung einer einfachen Wohnung „ohne Schnickschnack“, eine Miete von etwa 13 Euro pro Quadratmeter. Mit einer 65-Quadratmeter-Wohnung würde man demnach – ohne Betriebskosten – 845 Euro einnehmen. Dürfe man nun aber nur 6,50 Euro pro Quadratmeter Miete verlangen, weil es eine Sozialwohnung sei, entstehe eine Lücke.

    „Diese Lücke soll eigentlich die Förderung schließen“, sagt Klabe. Doch das Konstrukt der Förderung sei als Darlehen angelegt. Ein solches rechneten die Banken aber nicht auf den fehlenden Anteil „Miete“ an, weil ein Darlehen keine Einnahme sei.
    Wie die Mieten steigen

    Etwas kompliziert. Doch was am Ende relevant ist: Unternehmer verzichten in den meisten Fällen auf die staatliche Förderung und schrauben stattdessen lieber die Mieten der restlichen 70 Prozent der Wohnungen nach oben, um das Projekt zu finanzieren. Einfach, weil es einfacher ist.

    Wie stark die Mieten nach oben angepasst würden, das hänge vor allem von Grundstückskosten und den Baupreisen ab, sagt Klabe. Und letztere wiederum hingen insbesondere auch davon ab, wie lange ein Projekt brauche. „In Berlin ist da noch sehr viel Spielraum“, sagt sie.

    Klabe beklagt, dass es in Berlin viel zu lange brauche, bis überhaupt gebaut werden könne. So dauere es zum Beispiel im Schnitt ganze neun Jahre, bis ein Bebauungsplan festgesetzt werde. Dabei gebe die Stadt die Dauer für ein solches normales Verfahren mit etwa vier Jahren an. „Wir brauchen dringend mehr und auch entscheidungsfreudigeres Personal in den Ämtern“, sagt Klabe. Denn wenn die Baupreise alle zwei Monate stiegen, zähle jeder Monat. „Am Ende merken das vor allem die Mieter“, sagt Klabe.

    Eine Lösung für die Wohnungskrise ist nicht in Sicht

    Gegen die steigenden Mieten also, so die Ansicht des Senats, hilft vor allem das Bauen neuer Wohnungen. Wohnungsunternehmen zu enteignen schaffe ja keine einzige neue Wohnung. Kritiker sagen: Bauen, ja, aber eben vor allem günstige Wohnungen. Und die Bauindustrie sagt: Günstige Wohnungen bei den steigenden Preisen – das wird schwer. Vor allem, wenn die Verwaltung so lange braucht. Und so bleibt am Ende vor allem diese Erkenntnis: Jeder schiebt sich gegenseitig die Verantwortung zu, eine Lösung aber ist weiterhin nicht in Sicht.

    Was das bedeutet, kann man sehen, wenn man mit Angelika Pietz aus Pankow spricht. Oder mit Micha aus Steglitz. Beide werden nach vielen Jahren ihre Wohnungen verlieren. Dort, wo sie ihr halbes Leben verbracht haben, werden sie nicht bleiben können.

    Ein junges Drama auf dem Wohnungsmarkt

    Man sieht es aber auch an dem jungen Paar, das vor kurzem auf Ebay-Kleinanzeigen einen Hilferuf absetzt: Kristina, 22, und Jannis, 27, aus Moabit. Seit fünf Monaten, so erzählen sie am Telefon, sind sie nun auf Wohnungssuche. Bis heute sind sie zu keiner einzigen Wohnungsbesichtigung eingeladen worden. Dabei bewerben sie sich auf alles, was sie sich mit ihren knapp 900 Euro, die sie zusammen haben, gerade so leisten können.

    Kristina macht ihr Fachabitur. Jannis hat seinen Job verloren. Er ist wegen der Situation häufig krank. Nach einem Familienstreit mussten die beiden überstürzt ihre alte Wohnung verlassen, das war Mitte Januar. Seitdem kommen sie bei Freunden unter, mal hier, mal da. Allmählich aber merken die beiden, wie ihre Freunde ungeduldig werden. Wie das Angebot, die Couch zu nutzen, bislang ohne Wenn und Aber ausgesprochen, immer zögerlicher erfolgt. „Wo wir heute Abend schlafen sollen“, sagt Kristina, „wir wissen es noch nicht.“

    #Berlin #Wohnen #Immobilien #Politik #Wohnungsnot

  • Denkmalgeschütztes Liebhaberobjekt mit Leerstand in zentraler Steglitz-Lage
    https:// www.engelvoelkers .com/de-de/exposes/denkmalgeschuetztes-liebhaberobjekt-mit-leerstand-in-zentraler-steglitz-lage-1501666496.689917825_exp/

    Die Gentrifizierung schreitet voran. Wo jetzt noch das Café und Veranstaltungsräume der hellenischen Gemeinde Berlins der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, stehen Verkauf und anschließende Schließung der EInrichtung im Raum. In den 2000er Jahren verkaufte die Evangelische Kirche das Gebäude der ehemaligen konfessionellen Grundschule an einen Privatbesitzer, der es wenige Jahre später für ein Vielfaches weiterveräußerte. Der aktuelle Besitzer will nun richtig Kasse machen und bietet Haus und Grundstück für über drei Millionen zum Kauf an. Zusammen mit Grunderwerbssteuer, Notar- und Maklerkosten werden etwa vier Millionen fällig.

    DENKMALGESCHÜTZTES LIEBHABEROBJEKT MIT LEERSTAND IN ZENTRALER STEGLITZ-LAGE
    Investment / Wohn- und Geschäftshäuser, Kauf | Deutschland, Berlin, Berlin, Steglitz

    877,33 m²
    Gesamtfl. ca.

    1.569 m²
    Grundstück ca.

    2,800,000 EUR
    ca. 2,371,641 GBP
    Kaufpreis

    E&V ID BE-OU1XA8
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    E-Mail
    WAS SIE ÜBER DIESE IMMOBILIE WISSEN SOLLTEN
    Baujahr 1907 Wohnfläche ca. 254,52 m² Gesamtfl. ca. 877,33 m² Grundstück ca. 1.569 m² Stellplatz 8 Bürofläche 622,81 m²
    AUSSTATTUNG UND BESONDERHEITEN DIESER IMMOBILIE
    Das um 1907 erbaute Objekt überzeugt durch die ansprechende Architektur mit der verklinkerten Fassade, die großzügigen und ausladenden Räumlichkeiten oder Stilelemente wie schmiedeeiserne Treppengeländer oder Terrazzoböden. Der vordere Gebäudeteil gliedert sich in zwei Einheiten und wird gewerblich genutzt. Die Fläche im 1.OG des Gebäudes wird zum Jahresende leer übergeben. Gewisse Flächen und Räumlichkeiten im EG und im 1.OG dienen der gemeinsamen Nutzung und sind als solche in den jeweiligen Mietverträgen ausgewiesen. Der vordere Gebäudeteil wird über eine Öl-Zentralheizung mit dezentraler Warmwasseraufbereitung beheizt. Das sehr großzügige Dachgeschoss ist nicht ausgebaut und bietet unter Berücksichtigung der denkmalschutzrechtlichen Auflagen ggf. ein zusätzliches Flächenpotenzial. Im Hinterhaus befinden sich drei Wohneinheiten, von denen aktuell die Einheit im Dachgeschoss leer steht und sich einem sanierungsbedürftigen Zustand befindet. Die vermieteten Wohneinheiten werden über Gasetagenheizungen beheizt. Für einige Stellplätze auf dem Grundstück besteht ein Nutzungsrecht für das Nachbargrundstück. Das Objekt befindet sich insgesamt in einem technisch einfachen Zustand, bietet aber für einen Erwerber aufgrund der vakanten Flächen in der zentralen und ruhigen Lage in Steglitz interessante Nutzungsoptionen.

    Kein Milieuschutzgebiet
    Baudenkmal
    Ansprechende Architektur und Altbaustilelemente
    Gute und zentrale Wohnlage
    Öl-Zentralheizung und Gasetagenheizungen
    Ggf. Ausbaupotenzial im Dachgeschoss
    Pkw-Stellplätze
    Durchschnittsmiete Wohnen: 4,71 EUR/m²
    Durchschnittsmiete Gewerbe: 7,67 EUR/m²

    161708

    STEGLITZ: LAGE UND UMFELD DIESER IMMOBILIE
    Das Objekt liegt in einer zentralen und etablierten Lage des Berliner Stadtteils Steglitz. Das Herzstück des Quartiers und gleichzeitig einen Ort der Erholung bildet der nahe gelegene Steglitzer Stadtpark mit seiner schönen und weitläufigen Grünanlage. Das Objekt liegt in einer mit altem Baumbestand begrünten und verkehrsberuhigten Wohnstraße mit einer überwiegend offenen Bebauung aus sanierten Mehrfamilienhäusern. Einkaufsmöglichkeiten und Cafés sind vielfach fußläufig erreichbar. Zudem befindet sich die Schloßstraße, Berlins zweitgrößte Einkaufsmeile, mit zahlreichen Einkaufszentren nur wenige Gehminuten vom Objekt entfernt. Im näheren Umfeld befinden sich ein Gymnasium und mehrere Kitas. Die Anbindung an das Netz der öffentlichen Verkehrsmittel ist über diverse in unmittelbarer Nähe verkehrende Buslinien sowie über den S- und U-Bahnhof „Rathaus Steglitz“ optimal gewährleistet. Mit dem Pkw erreicht man in etwa drei Minuten die nahe gelegene Stadtautobahnauffahrt „Abzweig Zehlendorf“.

    #Berlin #Steglitz #Mittelstraße #Immobilien #Gentrifizierung #Privatisierung<;

  • Kapitalismus statt Kollektiv
    https://www.nd-aktuell.de/artikel/1163033.wombat-s-city-hostel-in-berlin-kapitalismus-statt-kollektiv.html

    15.4.202 von Christian Lelek - Das ehemalige »Wombat’s«-Hostel in Berlin soll Teil einer globalen Kette werden - die einstige Belegschaft wollte es genossenschaftlich betreiben.

    Nach fast drei Jahren Leerstand soll sich bald wieder etwas tun im ehemaligen »Wombat’s«-Hostel in Berlin-Mitte. Von außen wirkt es, als sei in der Alten Schönhauser Straße 2 die Tür der ehemaligen Filiale der kleinen Hostel-Kette gerade erst ins Schloss gefallen. Zur Erinnerung: Im August 2019 entschied sich die damalige Geschäftsführung, den Standort in Berlin zu schließen - trotz profitablen Betriebs.

    Mutmaßlicher Grund: Die Beschäftigten hatten in der elfjährigen Geschichte des Hostels einen Betriebsrat installiert und erfolgreich wiedergewählt sowie das Management dazu gebracht, den Branchentarifvertrag des Hotel- und Gaststättengewerbes anzuwenden. Erfolge, die die verbreitete These der Unorganisierbarkeit von meist jungen Hostel-Belegschaften, die die Arbeit nur als eine Episode sehen, widerlegten. Gekämpft wurde beiderseits mit harten Bandagen und es war klar, dass die Arbeiter*innen nicht aufgehört hätten, den Hostelbetrieb nach ihren Interessen zu gestalten. Immer öfter fanden sich Geschäftsführung und gewerkschaftlich Aktive vor Gericht wieder. Auf Dauer war dies dem Unternehmen offenbar sowohl finanziell wie auch nervlich zu herausfordernd. Und es war wohl auch nicht notwendig, da »Wombat’s« im europäischen Ausland eine Handvoll weiterer gut laufender Standorte betrieb.

    Den Beschäftigten erschien die Schließung damals als von langer Hand geplant. Gegenüber »nd« berichten die Gewerkschaftsaktivist*innen Ruth Kreuzer und Raphael Kamps, dass ab Anfang 2019 nur noch befristete Arbeitsverträge ausgestellt worden waren. Ende März des Jahres informierte das Management die Belegschaft erstmals über die anstehende Schließung zum Ende August 2019. Es folgten wiederholt rechtliche Auseinandersetzungen und öffentliche Kundgebungen gegen die Schließung. Der Betriebsrat konnte für die Belegschaft immerhin einige Abfindungen rausschlagen.

    Hinter den Kulissen wechselten einen knappen Monat vor der Schließung Anfang August die Geschäftsführung und der Sitz der Wombat’s Berlin GmbH. Der neue Sitz an einem Gewerbestandort in Charlottenburg ist zugleich der des größten europäischen Unternehmens für Büroimmobilien und mit Liegenschaften im Wert von 25 Milliarden Euro dem drittgrößten Immobilienunternehmen Europas überhaupt. Die in Luxemburg registrierte Aktiengesellschaft Aroundtown SA ist zudem seit November 2019 über zwei zypriotische Anschriften kleinster und größter Gesellschafter der Wombat’s Berlin GmbH. Mit dieser Übernahme gelangte auch die Immobilie in Mitte zu Aroundtown. Der Gründer und Inhaber der Wombat’s Holding, Sascha Dimitriewicz, bestätigt auf Nachfrage von »nd« den 2019 erfolgten Verkauf der Liegenschaft.

    Aroundtown wiederum, Hauptsponsor des aufstrebenden Berliner Fußball-Bundesligisten 1. FC Union, hat in der Vergangenheit unter anderem durch seine undurchsichtige Firmenstruktur mit 400 Tochtergesellschaften allein in Berlin, Verflechtungen nach Zypern und dem steuervermeidenden Geschäftsmodell der sogenannten Share Deals einiges an Kritik auf sich gezogen.

    Am ehemaligen »Wombat’s« Standort findet sich heute ein Briefkasten mit der Aufschrift »Selina«. Im Café »Tinman«, seit 2017 einziger weiterer Mieter in der Alten Schönhauser Straße 2, heißt es, dass über »Selina« seit der Schließung geredet werde, sich seitdem aber nichts merklich getan habe. In der Hotelbranche kursierten seit 2019 Informationen, denen zufolge der globale Hotelkonzern Selina Holding für das gleiche Jahr zwei Hotels in Berlin eröffnen würde - darunter eines an der Torstraße 34.

    »Selina« ist einer der neuen Sterne der Branche. Seit der Eröffnung des ersten Hotels in Panama 2014 wurden weltweit 90 Filialen eingeweiht, wofür 350 Millionen Dollar an Investorengeldern akquiriert worden sind. Noch in dieser Jahreshälfte will das Unternehmen über den Kauf durch ein Mantelunternehmen, das die Form einer Aktiengesellschaft hat, an der New Yorker Börse gelistet sein. »Selina« wirbt mit einem erwarteten positiven Geschäftsergebnis vor Steuern, Zinsen und sonstigen Abschreibungen ab 2023 und einem prognostizierten Umsatz von 1,2 Milliarden Dollar für 2025. Zum Vergleich: die »Wombat’s«-Hostel-Kette erwartet für 2022 einen Umsatz von 16,5 Millionen Euro.

    Das Geschäftskonzept ist relativ simpel. Da sich die klassische Hotellerie und Backpackerbranche nicht ausreichend auf die geänderten Bedürfnisse der heutigen Kundschaft eingerichtet hat, sollen Immobilienunternehmen unrentabel gewordene Standorte aufkaufen. Sie sollen auch 90 Prozent der Modernisierungskosten tragen. »Selina« will so möglichst schnell in die vermutete Marktlücke vorstoßen, in der sich auch bereits etablierte Konzerne tummeln wie die vor allem durch die »Ibis«-Kette bekannte französische Accor-Gruppe. Es geht um die im schönsten Marketingsprech als »Millenials, Generation Z & Remote Workers« bezeichneten Gruppen der derzeit bis 40-Jährigen sowie derjenigen, die für die Arbeit nur einen Laptop und einen Internetzugang brauchen, und nicht in einem Büro tätig sind. Weltweit wird ein jährliches Umsatzpotenzial von 350 Milliarden Euro prognostiziert. Statt Arbeits- und Übernachtungsplätzen soll ihnen ein kuratiertes Erlebnis inklusive Wellness, gastronomischen Highlights, Lokalkolorit, Partys und einem Gemeinschaftsgefühl verkauft werden. Eine Geschäftsbeziehung unter dem Mäntelchen von Freude und Freundschaft also.

    Spätestens im Herbst soll die ehemalige »Wombat’s«-Filiale in Mitte Teil dieses weltweiten Netzwerks für die einst als »digitale Nomaden« bezeichnete Zielgruppe sein, erklärt »Selina«-Mitbegründer Saurabh Chawla auf »nd«-Anfrage. Das »Selina Hotel Mitte and CoLive« soll demnach das Flagschiff in der Hauptstadt inklusive eigenem Radiosender, Ausstellungen, Co-Working Space, veganer Küche und lateinamerikanischen Cocktails auf der Dachterrasse werden. Und noch ein interessantes Detail verrät Chawla: Den Verkauf der Wombat’s Berlin GmbH an Aroundtown habe »Selina« entsprechend diesem Geschäftsmodell eingefädelt. Die dann über drei Jahre verzögerten Wiedereröffnungspläne begründet Chawla mit den wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie.

    Die ehemaligen »Wombat’s«-Aktivist*innen Ruth Kreuzer und Raphael Kamps halten das nur für einen Teil der Wahrheit. »Das Haus war völlig marode. Am Ende stand der Keller unter Wasser, was die Bausubstanz angegriffen hatte«, berichten sie. Ständig seien Rohre geplatzt. »Das Haus hat man 2008 richtig billig hochgezogen, wohl mit viel Pfusch am Bau«, vermuten sie. Eine Eröffnung bereits im Herbst scheint ihnen angesichts der baulichen Probleme daher überambitioniert. An einen Ausstieg von »Selina« aus dem Projekt glauben sie allerdings auch nicht.

    Es hätte auch ganz anders kommen können, meinen sie. »Die Belegschaft hatte eine Vision und einen Plan, was man mit dem Raum hätte machen können«, sagen die Aktivist*innen. In dem damaligen Kampf hatten sie an die Politik, an Mitglieder des Deutschen Gewerkschaftsbundes und weitere Akteure appelliert, sich für die Übernahme des Betriebs durch die Belegschaft stark zu machen und damit die gewerkschaftlich erkämpften Standards gegenüber Unternehmertum und Kapital abzusichern. Aber am Ende sei ihnen eigentlich auch klar gewesen, dass diese Forderung nach Enteignung von privatwirtschaftlichen Unternehmen zugunsten einer kleinen engagierten Belegschaft als utopisch verhallen musste.

    #Berlin #Mitte #Alte_Schönhauser_Straße #Streik#Arbeit #Hotellerie #Tourismus #Immobilien

  • Steglitz-Zehlendorf: Mieter müssen höhere Preie zahlen - digitaldaily.de
    https://www.digitaldaily.de/2022/03/20/steglitz-zehlendorf_immo_ddna-2022-03-20-03-110000000000

    20. März 2022 10:22 Berlin News, Immobilien, Steglitz-Zehlendorf

    In Steglitz-Zehlendorf sind die Mieten der aktuell angebotenen 337 Wohnungen im Vergleich zu den Angeboten der Vorjahreswoche im Durchschnitt um 9,2 Prozent gestiegen. Dies ergibt eine Auswertung für mehr als 90% der Angebotsmieten und Angebotspreise in dieser Woche.

    Unabhängig von der Wohnungsgröße beträgt die Miete in Steglitz-Zehlendorf 13,55 Euro pro Quadratmeter (Stand heute).

    Für den Stadtteil Steglitz-Zehlendorf sehen die Mietpreisveränderungen im Detail wie folgt aus:

    Wohnungen unter 40 Quadratmeter: durchschnittlicher Angebotspreis diese Woche 16,19 Euro pro Quadratmeter, in der Vorjahreswoche 13,32 Euro (+21,5 %)
    Wohnungen zwischen 40-60 Quadratmeter: durchschnittlich 12,09 Euro/Quadratmeter, Vorjahreswoche 11,23 Euro (+7,7 %)
    Wohnungen zwischen 60-90 Quadratmeter: durchschnittlich 13,69 Euro/Quadratmeter, Vorjahreswoche 11,74 Euro (+16,6 %)
    Wohnungen zwischen 90-120 Quadratmeter: durchschnittlich 13,58 Euro/Quadratmeter, Vorjahreswoche 13,04 Euro (+4,1 %)
    Wohnungen ab 120 Quadratmeter: durchschnittlich 13,17 Euro/Quadratmeter, Vorjahreswoche 14,40 Euro (-8,5 %)
    Weiterhin steigende Preise für Eigentumswohnungen in Steglitz-Zehlendorf
    5.813 Euro: So viel kostet der Quadratmeter zur Zeit für Eigentumswohnungen über alle Kategorien und Größen hinweg in Steglitz-Zehlendorf und damit 8,1 Prozent mehr als vor 12 Monaten.

    Für neugebaute Eigentumswohnungen werden in dieser Woche durchschnittlich 6.948 Euro pro Quadratmeter verlangt. Der Quadratmeterpreis für eine Altbauwohnung beträgt aktuell 5.563 Euro.

    Akuelle Hausangebote sind preiswerter
    In Steglitz-Zehlendorf gibt es zur Zeit nur vier Häuser zu kaufen. Deswegen sind Vergleichszahlen mit Vorsicht zu genießen.

    Vergleicht man diese Woche mit der vor einem Jahr, kommt man auf einen Preisunterschied von -25,8 Prozent: Durchschnittlich 3.640 Euro pro Quadratmeter werden für die Häuser in Steglitz-Zehlendorf verlangt, die in dieser Woche im Angebot sind. Aber auch bei Häusern gibt es Unterschiede je nach Zustand und Alter:

    Bestandshäuser (zurzeit nur 2 im Angebot): 4.772 Euro pro Quadratmeter
    Neu gebaute Häuser (zurzeit nur 1 im Angebot): 934 Euro pro Quadratmeter
    Sanierte Häuser (zurzeit nur 1 im Angebot): 4.082 Euro pro Quadratmeter
    Welche Veränderungen gibt es auf dem Markt für Miet- und Eigentumswohnungen?
    So hat sich das Angebot an Miet- und Eigentumswohnungen innerhalb der vergangenen 12 Monate in Steglitz-Zehlendorf entwickelt:

    Angebot an Mietwohnungen in dieser Woche und im Vorjahr: 337 zu 311 (+8,4 %)
    Angebot an Eigentumswohnungen in dieser Woche und im Vorjahr: 81 zu 122 (-33,6 %)

    #Berlin #Steglitz-Zehlendorf #Wohnen #Immobilien #Inflation #Teuerung

  • Benzinpreis Schockdoktrin revisited
    https://en.wikipedia.org/wiki/The_Shock_Doctrine

    Kein aktueller Link dieses Mal sondern eine Überlegung: Wie wäre es, wenn die Benzinsubventionen und anderen „Erleichterungen“ welche die deutsche Bundesregierung angesichts der Kriegs- und Spekulationsexzesse ausreicht, Teil des üblichen Drehbuchs wären, mit dem unerwünschtes Volk ausgekehrt und große Investitionen für noch größere Profite vorbereitet werden?

    Die geplanten Rüstungsausgaben in Höhe von 100 Milliarden Euro sprechen eine deutliche Sprache.

    Naomi Klein hat das bereits im Jahr 2007 in The Shock Doctrine, The Rise of Disaster Capitalism am Beispiel der Überschwemmung von New Orleans in #Louisiana, #USA beschrieben.

    Die Zerstörung des Taxigewerbes muss auch in diesem Zusammenhang betrachtet werden.

    Blank Is Beautiful, THREE DECADES OF ERASING AND REMAKING THE WORLD
    ...
    The news racing around the shelter that day was that Richard Baker , a prominent Republican congressman from this city, had told a group of lobbyists, “We finally cleaned up public housing in New Orleans. We couldn’t do it, but God did .”

    Joseph Canizaro, one of New Orleans’ wealthiest developers, had just expressed a similar sentiment: “I think we have a clean sheet to start again. And with that clean sheet we have some very big opportunities.”

    All that week the Louisiana State Legislature in Baton Rouge had been crawling with corporate lobbyists helping to lock in those big opportunities: lower taxes, fewer regulations, cheaper workers and a “smaller, safer city”—which in practice meant plans to level the public housing projects and replace them with condos. Hearing all the talk of “fresh starts” and “clean sheets,” you could almost forget the toxic stew of rubble, chemical outflows and human remains just a few miles down the highway.

    Over at the shelter, Jamar could think of nothing else. “I really don’t see it as cleaning up the city. What I see is that a lot of people got killed uptown. People who shouldn’t have died.”

    He was speaking quietly, but an older man in line in front of us overheard and whipped around. “What is wrong with these people in Baton Rouge? This isn’t an opportunity. It’s a goddamned tragedy. Are they blind?”

    Richard Baker verrät seine, in Kapitalkreisen weit verbreitete, Wahrnehmung der unsichtbaren Hand : Es ist die Hand Gottes, die für ein gut bestelltes, fruchtbares Feld sorgt, alle Schädlinge ausmerzt und Dollarblumen aus den faulenden Kadavern seiner Opfer sprießen läßt.

    Arme Menschen fragen, wie Gott millionenfache Schicksalsschläge zulassen kann. Millionär Richard Baker gibt ihnen die aufrichtige wie unbarmherzige Antwort. Gott ist der Herrschergott, der Gott seiner Klasse.

    Die aktuelle SPD-Bürgermeisterin Berlins steht mit oder ohne religiöse Begründung für exakt diese Politik: Mehr bauen, mehr teure, profitable Wohnungen, eine besser gekehrte, saubere, von ihren dreckigen Armen befreite Stadt.

    Richard Baker
    https://en.wikipedia.org/wiki/Richard_Baker_(American_politician)#Hurricane_Katrina

    Richard Baker Net Worth
    https://wallmine.com/people/20180/richard-a-baker

    The estimated Net Worth of Richard A. Baker is at least $7.03 Million dollars as of 31 October 2019. Mr. Baker owns over 50,000 units of Retail Opportunity Investments Corp stock worth over $5,192,955 and over the last 11 years he sold ROIC stock worth over $933,000. In addition, he makes $903,717 as Non-Executive Chairman of the Board at Retail Opportunity Investments Corp.

    #Krieg #Kapitalismus #Stadtentwicklung #Immobilien #Wohnen #Treibstoff #Diesel #Benzin #Taxi #Deutschland #Ukraine #Russland

  • Nach Sanktionen gegen russische Oligarchen: Linken-Politikerin fordert Baustopp des „Alexander Towers“ | rbb24
    https://www.rbb24.de/politik/thema/Ukraine/beitraege/ukraine-krieg-linke-forderung-baustopp-hochhaus-alexanderplatz.html

    Sa 05.03.22 - Nach Sanktionen gegen russische Oligarchen - Linken-Politikerin fordert Baustopp des „Alexander Towers“

    Die Berliner Linken-Politikerin Katalin Gennburg hat einen Baustopp für das Hochhaus eines russischen Investors am Alexanderplatz gefordert. Dort baut das Moskauer Unternehmen „Monarch“ den 150 Meter hohen „Alexander Tower“.

    Gennburg begründete ihre Forderung mit dem russischen Krieg gegen die Ukraine und die von der EU verhängten Sanktionen, unter anderem gegen sogenannte Oligarchen. „Darüber hinaus muss nun geprüft werden, ob sich Projekte russischer Immobilienunternehmen und -entwickler, die sich derzeit in Planung und Entwicklung befinden, nun stoppen lassen“, so Gennburg.

    Die Berliner Senatsverwaltung für Finanzen konnte auf Nachfrage des rbb nicht bestätigen, dass in Berlin zurzeit sanktionierte russische Unternehmer in Immobilien oder Bauprojekte investiert haben. Informationen dazu lägen nicht vor, hieß es.

    Berlin hat 2020 immerhin den BER eröffnet, im neuen Jahr warten weitere Großprojekte. Darunter sind auch viele Kulturbaustellen: Die umfassend umgebaute Neue Nationalgalerie soll etwa fertig sein. Und es gibt weitere Mammutvorhaben. Von Stefan Ruwoldt

    Der Alexander Tower wird seit November 2019 direkt neben dem Einkaufszentrum Alexa gebaut. In den unteren Geschossen sind laut der Sentasverwaltung für Stadtentwicklung Einzelhandels- und Büronutzungen geplant. Ab einer Höhe von 35 Metern sollen dann rund 370 Wohneinheiten entstehen. Die Gesamtbauzeit ist mit etwa vier Jahre veranschlagt. Mit 150 Metern Höhe soll der Alexander Tower Berlins erster Wolkenkratzer werden.
    Komplexe Firmengeflechte verschleiern oftmals Besitzverhältnisse

    Berlin ist schon länger ein Magnet für russische Investitionen, speziell in der Immobilienbranche. Die Besitzverhältnisse sind jedoch oft nicht eindeutig feststellbar, weil sich die Käufer hinter komplexen Firmengeflechten verbergen.

    Die Bundesregierung hatte kürzlich mitgeteilt, noch keine Übersicht zu Vermögenswerten in russischem Besitz zu haben. In Hamburg hatte es zuletzt Verwirrung über eine Yacht gegeben, die angeblich einem sanktionierten Oligarchen gehören soll [tagesschau.de]. Berichte, dass das Schiff beschlagnahmt wurde, stellten sich als falsch heraus.

    Gennburg fordert, dass der Senat prüft, welche Möglichkeiten das Land Berlin hat, um Sanktionen durchzusetzen. Dazu gehöre mehr Transparenz auf dem Immobilienmarkt. „Es braucht dringend ein Mieten- und Liegenschaftskataster sowie eine verwaltungsseitige Zusammenführung der bestehenden Register“, so Gennburg. Sie verwies auf den Verkauf eines Villenensembles im Jahr 2014 durch den russischen Unternehmer Arkady Rotenberg. Dieser stand zum Zeitpunkt des Geschäfts bereits auf einer Sanktionsliste der EU.

    #Berlin #Alexanderplatz #Immobilien #Hochhaus #Stadtentwiclung #Linke

  • Bedrohtes Kulturzentrum „Zukunft“ : No Future in Friedrichshain
    https://taz.de/Bedrohtes-Kulturzentrum-Zukunft/!5820380

    4.12.2021 von Andreas Hartmann - Die Verdrängung des alternativen Kulturzentrums „Zukunft am Ostkreuz“ hat Symbolcharakter für ganz Friedrichshain. Der Kiez wandelt sich radikal.

    Von sowas kommt sowas: Hinten Mediaspree, vorne Obdachlosigkeit Foto: Dirk Sattler/imago

    “Keine Zukunft ohne Zukunft“ steht auf den Protestplakaten, die gerade an diversen Friedrichshainer Szeneorten zu finden sind. Sie beziehen sich auf das alternative Kulturzentrum Zukunft am Ostkreuz im Rudolfkiez, dem der Mietvertrag seitens des Eigentümers nicht verlängert wurde und dem Ende März nächsten Jahres das Aus droht.

    Es macht Sinn, das wahrscheinliche Schicksal des Ortes “Zukunft“ nun mit der Frage nach der Zukunft des ganzen Bezirks zu verknüpfen. Und sich mal näher anzusehen, was denn so kommt nach dem Aus des “Zukunft“. Nicht nur direkt auf dessen Areal, denn darüber lässt sich nur spekulieren, schließlich lässt sich der Eigentümer bislang nicht in seine Karten blicken, sondern in der ganzen direkten Umgebung.

    Denn die voraussichtliche Verdrängung des “Zukunft“ hat großen Symbolcharakter für den radikalen Wandel eines ganzen Kiezes. Die Gegend zwischen Ostkreuz und Warschauer Straße wird sich nämlich in den nächsten Jahren – also schon in unmittelbarer Zukunft – so dermaßen ändern, dass man sie kaum wiedererkennen wird.

    Noch ist man im Pandemiemodus und hat ein wenig das Gefühl, die Zeit sei eingefroren und das einzige, was sich wirklich bewegt, sind die Viren im Raum. Aber in Wahrheit werden hier gewaltige Bebauungspläne vorangetrieben. Links und rechts neben dem “Zukunft“ wird das “A Laska“-Projekt entstehen, hochwertige Co-Working-Spaces. Löblich geplant mit nutzbarer Solarenergie vom Dach und viel Grün auf den Terrassen.
    Eine Zukunft nur mit sehr viel Kapital

    Aber wer sich die Animationen des Projektentwicklers dazu ansieht, weiß sofort: leisten können wird sich diese Büroflächen nur jemand mit wirklich sehr viel Kapital in der Tasche. Das gleiche gilt für den Ostkreuz Campus ums Eck, wo 10.000 Quadratmeter Bürofläche im Luxussegment entstehen werden.

    Bewegt man sich dann weiter in Richtung Warschauer Straße, kommt man am RAW-Gelände vorbei, das so schön ranzig und kiezmäßig wirkt mit dem Graffiti überall und dem netten Kulturangebot. Doch auch hier gilt: Aufwachen, liebe Friedrichshainer!

    Schon im Februar nächsten Jahres soll der Öffentlichkeit das Konzept für die Umgestaltung des Geländes präsentiert werden. Der Großteil der bestehenden Gebäude soll abgerissen werden, satte 150.000 Quadratmeter Geschossfläche neu entstehen und nebenbei noch ein 100 Meter hoher Büroturm. Der freilich wird dann im Schatten des Gebäudes nebenan stehen. Der Amazon-Tower an der Warschauer Brücke, der bereits gebaut wird, darf sich sogar 140 Meter in die Höhe strecken. Der Versandriese wird seinen Berliner Hauptsitz hierhin verlegen.

    Friedrichshain, der Kiez der Hausbesetzer und Studenten, wird dann ein ganz anderer sein. Die Zukunft von heute ist dann Gegenwart und man wird sich wahrscheinlich fragen, ob man sich diese wirklich so gewünscht hat.

    #Berlin Friedrixhshain #Kultur #Immobilien #gentryfication

  • Wie Berlins gigantische Autobahnüberbauung „Schlange“ entstand – und verfiel
    https://www.berliner-zeitung.de/open-source/wie-berlins-gigantische-autobahnueberbauung-schlange-entstand-und-v

    23.11.2021 von Frank Gaeth - In der Schlangenbader Straße erhebt sich ein 600 Meter langer Wohnkomplex über der Stadtautobahn. Unser Autor kennt den Alltag im einstigen Vorzeigeprojekt.

    Es war das Jahr 1971. Samstagabends sang Rex Gildo in Dieter Thomas Hecks ZDF-„Hitparade“, die Männer trugen Schlaghose mit Backenbart und Hornbrille, Frauen den Minirock. Willi Brandt regierte das Land, Christiane F. ging noch zur Schule und wie selbstverständlich musste für die autogerechte Stadt Berlin mitten durch Kleingärten und über den beschaulichen Breitenbachplatz im bürgerlichen Stadtteil Berlin Wilmersdorf eine Betonpiste für den Autoverkehr gezogen werden. Es war die Zeit der Trabantenstädte wie die des Märkischen Viertels oder der Gropius Stadt. Le Corbusiers Verständnis der Moderne mündete eloquent im Architekturstil des Brutalismus. Die Zukunft kannte keine Geschichte. Die neue Baukultur der umlandlosen Stadt Berlin kannte keine Grenzen: schon gar nicht finanziell.

    Unumstritten war die „Schlange“, wie die Autobahnüberbauung in der Berliner Schlangenbader Straße wegen ihrer Form bald genannt wurde, nie. War im Abgeordnetenhaus die SPD als Regierungspartei von Anfang an dafür und die CDU dagegen, war auf Bezirksebene die regierende CDU dafür und die SPD dagegen.
    270.000 Tonnen Beton

    Dabei glänzte der Entwurf der Architekten Georg Heinrichs, Gerhard und Klaus Krebs, alle drei Exponenten der West-Berliner Nachkriegsmoderne, mit technischen Superlativen: Auf einer Gesamtlänge von 600 Metern und einer maximalen Höhe von 46 Metern sollte eine Autobahnüberbauung entstehen, wie sie die Welt noch nie gesehen hatte. Zusammen mit der Randbebauung ergaben sich auf dem Areal 1758 Wohneinheiten mit 80.684 Quadratmetern Wohnfläche, welche in Stahlbeton-Schottenbauweise ausgeführt wurden.

    Das Gebäude zählt bis heute damit zu den größten zusammenhängenden durchgängig begehbaren Wohnkomplexen Europas. In einer fast zehnjährigen Planungs- und Bauphase wurden 270.000 Tonnen Beton und 14.000 Tonnen Stahl verbaut zu einem Gesamtpreis von insgesamt 418 Millionen D-Mark. Dass dies zu einer Kostenmiete von 27 DM pro Quadratmeter führte, die für das Wohnungsbauförderungsprogramm auf 5,80 DM pro Quadratmeter heruntersubventioniert werden musste, war egal, weil für den sozialen Wohnungsbau eben normal.

    Ebenso normal waren die kurzen Entscheidungswege: Über den Verlauf des nord-süd-orientierten Stadtautobahnabschnitts zwischen Schloßstraße und Fehrbelliner Platz fiel die Entscheidung in der Bauhauptverwaltung. Die Bezirksverwaltung von Wilmersdorf wurde von der Notwendigkeit „überzeugt“. Das reichte. Dass die Architektengemeinschaft Müller/Heinrichs auch nach der Berufung von Hans C. Müller zum Senatsbaudirektor bestehen blieb, garantierte einen ungewöhnlich direkten Draht zwischen Planungsbüro und oberster Stadtplanung. Im Berlin der Nachkriegszeit lebten schließlich zahlreiche Architekturbüros von den durch immense Steuerabschreibungen bewirkten Bundessubventionen für die Halbstadt.
    Millionen für Kleingärtner

    Ein geschicktes Steuerumgehungsmodell durch steuerfreien Ankauf von Genossenschaftsanteilen machte einige Kleingärtner der Kleingartenbaugenossenschaft „Rheingau“, die bis zuletzt ihren Parzellen treu geblieben waren, kurzfristig zu Großverdienern und sicherte den reibungslosen Verkauf der Baugrundstücke. „Aber warum sollen nicht Kleingärtner auch mal ein Millionending drehen“, so Ernst Seidel, leitender Mitarbeiter Arbeitskreis 6 der Mosch Gruppe, die den Bau zuerst übernahm.

    Eigenkapital in Höhe von 50 Millionen DM akquirierte die Fondsgesellschaft „Wohnpark Wilmersdorf Heinz Mosch KG“ durch geschickte Werbung. Im Emissionsprospekt der ersten Tranche fand sich außer einer winzigen Modellaufnahme kein Hinweis darauf, dass es sich bei der steuerbegünstigten Kapitalanlage in Wirklichkeit um den ersten Bauabschnitt handelte. Die Überraschung in der ersten Gesellschafterversammlung im Jahre 1973, zu der viele der 832 Kommanditisten anreisten, soll entsprechend groß und wortstark gewesen sein.

    Die technischen und finanziellen Probleme ließen nicht lange auf sich warten: Es kam zu Bodenabsenkungen des Erdreichs im Bereich der Überbauung, was durch umfangreiche Maßnahmen kompensiert werden musste. Bereits Mitte 1973 stiegen die Zinsen für Bauzwischenkredite auf bis zu 15 Prozent p.a. mit spektakulären Pleiten in der Berliner Abschreibungsbranche. Die Mosch-Gruppe war eine davon. Schon im Februar 1974 waren die westdeutschen Bauträgergesellschaften gezwungen, ihre Geschäfte einzustellen. Riebschläger sorgte dafür, dass das Objekt 1974 von der gemeinnützigen Degewo, deren Aufsichtsratsvorsitzender er selbst war, übernommen wurde. Ein „grundsolides“ Vorgehen“.

    Als nach fast zehnjähriger Planungs- und Bauzeit die Wohnungen für erste Mieter bezugsfertig waren, hatte längst eine Zeitenwende eingesetzt. Die 1970er-Jahre waren Geschichte. Der gewaltige Baukörper noch ganz in Form und Ästhetik des vergangenen Jahrzehnts wirkte antagonistisch. An monotonen Fluchtpunktperspektiven herrschte längst kein Mangel mehr. Diese standen längst als Sinnbild des Massenwohnungsbaus. Georg Heinrichs Bauten wie das Jugendgästehaus, das Evangelische Konsistorium, die Wohnbebauung Opernviertel in der Bismarckstraße, die IBA-Wohnbebauung, das Kreuzberghaus zum Alten Fritz, aber insbesondere die Wohnsilos des Märkischen Viertels wirkten schon wie aus der Zeit gefallen. An manchen dieser Fassaden fanden sich Berlins erste Graffitis: „Schade, dass Beton nicht brennt“ oder „bonjour tristesse“. Das Evangelische Konsistorium im Hansaviertel, erst 1971 fertig gestellt, wurde bereits 2011 wieder abgerissen.

    Vom Prestigeobjekt zum Brennpunkt

    Auch bestätigten sich nicht die Erwartungen der Architekten, wie die zukünftigen Mieter die Anlagen nutzen würden. Gemeinschaftsräume mit Teeküchen, diverse Hobbyräume, Jugendcafé, zwölf Kinderspielräume mit Tischtennisplatten und Spielgeräten und vieles mehr waren ursprünglich vorhanden. Statt dessen nutzten die ersten Mieter, als soziale Problemfälle vom Bezirksamt eingewiesen, die Angebote auf ihre Weise und für ihre eigenen Bedürfnisse. Schnell war die „Schlange“ in der Wahrnehmung der Berliner Öffentlichkeit vom Prestigeobjekt zum sozialen Brennpunkt herabgesunken.

    Schon zu Bauzeiten, kurz nach der Anfangsphase, hätte das Projekt zu keinem Zeitpunkt mehr eine positive Presse gehabt. Und wäre das Projekt auch nur fünf Jahre später gestartet, es wäre nie gebaut worden, so Ernst Seidel. Dass dennoch die „Schlange“ nie echten Leerstand zu verzeichnen hatte, wurde gerne als Beleg für die hohe Qualität der Architektur den Kritikern entgegengehalten. Den Bau selbst verteidigten die Architekten gegen die zahlreichen Anfeindungen mit ganz praktischen Argumenten: Sie hätten schließlich die fertige Sandaufschüttung für den Autobahnzubringer bereits vorgefunden. Die Überbauung sei daher nur folgerichtige Konsequenz. Und ökologisch sowieso.

    Längst ist die „Schlange“ in die Jahre gekommen, der Glanz verflogen, das Objekt in weiten Teilen stark sanierungsbedürftig, die teils recht unkonventionellen Grundrisse nicht mehr akzeptiert. Vom „dynamisch-skulpturalen Funktionalismus Erich Mendelsohns“ wie ihn Georg Heinrichs ins Werk gesetzt haben wollte, schwärmen heute bestenfalls noch die Nachrufe der Universität der Künste.

    Asbest in den Wohnräumen, das gesamte Rohrleitungssystem brüchig, die Fensterfronten der Terrassen im Sommer bis fast 60 Grad heiß bei fehlender Querlüftung, die verwendeten Materialien oft minderwertig, der mit Kieselsteinen versetzte Beton brüchig, Wassereinbrüche durch Decken und Wände, die Fahrstühle fallen schon mal komplett aus, die gesamte Frischwasserzufuhr unterbrach für ganze Tage, die Warmwasserversorgung sogar wochenlang, durch die erodierten Wasserleitungen verbreiten sich Ratten und hängen tot von der Decke. Müllräume, die als Ersatz für die stillgelegte Müllabsauganlage eingerichtet sind, werden nicht genügend gereinigt, durch die geborstenen Abwasserleitungen laufen schon mal nachts die Fäkalien in die Wohnungen.

    Mieter im täglichen Kleinkrieg

    Seit geraumer Zeit schon hat sich die Degewo nämlich nur noch auf das notdürftige Ausbessern beschränkt. Wenn überhaupt. So werden zum Beispiel geplatzte Rohre mit Fettlappen umwickelt anstatt sie auszutauschen, Reparatur schwerer Mängel so lange wie möglich verschoben, bis Gesundheitsämter vor Ort erscheinen, Baustellen werden nicht geschlossen, bis auch die Bauämter folgen. An Schönheitsreparaturen ist gar nicht erst zu denken.

    Seit dem überraschend vorzeitigen Ausscheiden von Kristina Jahn und ihrer Nachfolge durch Sandra Wehrmann als Vorstandsmitglied 2018 scheint man nicht einmal mehr zu wissen, wo welche Leitung hinführt oder herrührt. Und was sich darin befindet schon gar nicht. So wird mancher Defekt zu einem munteren Suchspiel. Geldmangel und fehlende fachliche Qualifikation trifft auf zunehmend sozialschwache Mieterschaft.

    Andere Mieter hingegen meiden den täglichen Kleinkrieg und ziehen schließlich weg. Die so gewonnene Selektierung der verbleibenden Mieterschaft entzaubert das Argument der hohen Retention. Neben dem baulichen droht somit auch der soziale Fall. Dank radikaler Sparpolitik an der falschen Stelle droht ein weiteres Pallasseum.

    Wie also ist das Projekt „Schlangenbader Straße“ heute zu werten? Auf jeden Fall als seit je her ungeliebtes Projekt. Aber sollte man so weit gehen, dem ehemaligen Regierenden Bürgermeister von Berlin, Richard von Weizäcker, beizupflichten, der gesagt haben soll: „Wenn der Teufel dieser Stadt etwas Böses antun will, lässt er noch einmal so etwas wie die ‚Schlange‘ bauen.“

    Man täte dem Bau und seinen Architekten Unrecht. Es waren die 1970er, die Zeit einer Tabula-rasa-Moderne, die noch mit den Ideen der 1920er bewaffnet und aus Abschreibungsmodellen des wilden West-Berlins finanziell üppig ausgestattet mit atemberaubender Geschwindigkeit und ohne jede Rücksichtnahme auf Gewachsenes die Gesellschaft neu gestalten wollte. Ein Um- oder Weiterdenken war für einen Georg Heinrichs nie infrage gekommen: „Mein Partner Hans Müller fragte irgendwann: ‚Willste nicht mal was anderes machen?‘ Er meinte damit Postmoderne – aber das wäre nur über meine Leiche gegangen.“

    Und so kam es auch: Heinrichs, der selbst in der Villa Bruno Pauls in Zehlendorf residierte, soll ab Mitte der 1980er-Jahre kaum noch Aufträge erhalten haben, der letzte wohl die Blockrandbebauung für die IBA im Jahr 1987 im Alter von 61 Jahren – 35 Jahre vor seinem Tod.

    Kaum ein Bau verkörpert den Geist der 1970er-Jahre so sehr wie dieser: als Denkmal und Mahnmal. Weder antikapitalistische Kritik am modernistischen Stadtumbau noch die postmoderne Verdammung der „Moderne“ als antistädtischer Bruch mit der Geschichte würden die Erinnerung an die Leistungen der Architekten belasten, so die Zeitschrift Bauwelt in einem Nachruf auf Heinrichs.

    Zumindest für den beklagenswerten Erhaltungszustand sind die Heinrichs und Krebs wohl nicht direkt verantwortlich. Und so viel steht auch fest: Die „Schlange“ wird uns in den Worten Riebschlägers als Unikat erhalten bleiben. Dem Denkmalschutz sei Dank.

    Der Autor ist Mieter in der Schlangenbader Straße und Mitglied im Mieterbeirat der Degewo. Der promovierte Statistiker hat als Dozent an der Freien Universität Berlin unterrichtet.

    https://m.kauperts.de/Strassen/Schlangenbader-Strasse-14197-Berlin

    https://de.m.wikipedia.org/wiki/Autobahn%C3%BCberbauung_Schlangenbader_Stra%C3%9Fe

    #Berlin #Wilmersdorf #Architektur #Stadtentwicklung #Wohnen #Immobilien #Stadtentwicklung

  • Alles neu

    Was für ein Bild. Im Zentrum Berlins, auf dem Schlachtfeld des kalten Kriegs entstehen Viertel so groß wie ganze Städte andernorts. Die freien Perspektiven verschwinden. Jeder Kubikmeter Beton, jedes neue Bauwerk des Investors senkt die Waagschale des Kapitals. Die Zwischenkriegszeit ist Geschichte. Der Kalte Krieg ist gewonnen. Heute streiten Grabräuber um Kleinodien, die einst dem Volk gehörten. Die Schlacht um Berlin tobt weiter im Verborgenen. Varus gibt mir meine Legionen zurück!

    Bild: Bebauungsplan am Humboldthafen unwirksam: Errichtete Gebäude trotzdem legal
    https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/bebauungsplan-am-humboldthafen-unwirksam-errichtete-gebaeude-trotzd

    Meldung:

    Nach dem Gerichtsurteil zur Gestaltung des Humboldthafens wird zwar wieder alles auf Anfang gestellt. Aber nicht zum Nachteil fertiggestellter Projekte.

    In der EU werden immer wieder Wohnhäuser nicht so begüteter Familien abgerissen, die ohne Baugenehmigung am Rand der großen Städte stehen. Ganz anders verschont die deutsche Politik illegale Betonklötze internationaler Investoren im Herzen der Hauptstadt Berlin.. Auf keinen Fall dem Standort schaden. Die #BRD muß Paradies der Schwarzfahrer großen Stils bleiben. Im Angesicht der internationalen Geldwäscher und Mafiakonzerne ist den Regierungen das Buckeln natürlicher Reflex.

    #Investitionssicherheit heißt das Kriterium, nach dem Geldflüsse aus Diktaturen und Kleptokratien gelenkt werden. Her mit der Kohle für Deutschlands Elite, als Fiat-Money oder Goldbarren, Hauptsache das mehrt Vermögen hier, in Deutschland. #Betongold.

    #Heidestraße #Berlin #Hauptbahnhof #Invalidenstraße
    #Europa-City #Lehrter_Straße #Poststadion #Photo #Luftbild #Humboldthafen #Mitte #Moabit #Mafia #Immobilien #Politik #Wirtschaft

  • Bye bye Bundesverfassungsgericht
    https://www.rbb24.de/politik/beitrag/2021/04/bundesverfassungsgericht-berlin-mietendeckel-entscheidung.html

    Im Westen nichts Neues, genauer gesagt in Karlsruhe, Baden-Württemberg, beim Bundesverfassungsgericht. Wer die BVG-Richter immer noch für die Guten hielt, die dafür sorgen, dass niemand benachteiligt wird und das Leben der kleinen Leute in Deutschland erträglich bleibt, der, die oder auch das sollte jetzt verstanden haben :

    Das Bundesverfassungsgericht steht auf Seiten der Besitzenden. Wer nichts besitzt, darf nicht auf Hilfe durch top bezahlte Karlsruher Roben hoffen. Hoffen bleibt natürlich erlaubt, ist aber eine sehr trügerischen Angelegenheit.

    Die nächste Runde ist eingeläutet. Es geht um die erste Phase im Volksentscheid über die Enteignung der fettesten Miethaie.

    Das Bundesverfassungsgericht hat den Berliner Mietendeckel für nichtig erklärt. Das Mietendeckel-Gesetz verstoße gegen das Grundgesetz, teilte das Gericht in Karlsruhe am Vormittag schriftlich mit.

    Nach Ansicht des Verfassungsgerichts hat Berlin nicht die rechtliche Kompetenz, Regelungen für Miethöhen auf dem frei finanzierten Wohnungsmarkt zu treffen. Dieses Mietrecht sei seit seinem Inkrafttreten vor mehr als 120 Jahren im Bürgerlichen Gesetzbuch geregelt, weshalb die Länder hier keine Zuständigkeit hätten, so die Richterinnen und Richter in ihrer Begründung.

    Scheel zeigt sich enttäuscht

    Der Berliner Stadtentwicklungssenator Sebastian Scheel (Linke) zeigte sich enttäuscht. Er habe mit einer anderen Entscheidung gerechnet. Es sei nun Aufgabe des Bundes, entweder ein wirkungsvolles Mietpreisrecht zu schaffen, das die soziale Mischung in den Städten sichere oder aber den Ländern die Kompetenz dafür zu übertragen, so Scheel in einer Mitteilung.

    284 Bundestagsabgeordnete von Union und FDP hatten den Normenkontrollantrag gegen den Mietendeckel eingereicht. Daneben zogen auch mehrere private Vermieterinnen und Vermieter vor das Verfassungsgericht.

    Das Gericht in Karlsruhe hatte gestern überraschend seine Entscheidung angekündigt. Eine mündliche Verhandlung hatte es zuvor nicht angesetzt.

    Der Berliner Mietendeckel war Ende Februar vergangenen Jahres in Kraft getreten. Seitdem sind die Mieten von rund 1,5 Millionen Wohnungen in der Hauptstadt eingefroren. Ab November mussten außerdem Mieten, die nach dem Gesetz als überhöht galten, abgesenkt werden.

    Nun drohen Nachzahlungen

    Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen erklärte nach dem Karlsruher Urteil: „Für die Mieterinnen und Mieter bedeutet dies, dass sie wieder die mit ihren Vermieterinnen und Vermietern auf Grundlage des Bürgerlichen Gesetzbuches vereinbarten Mieten zu entrichten und gegebenenfalls auch die Differenz zwischen der Mietendeckelmiete und der Vertragsmiete nachzuzahlen haben.“ Scheel kündigte an, der Senat werde am Dienstag über sozial verträgliche Lösungen für Mieterinnen und Mieter beraten.

    Nachforderungen werden unter anderem auf Mieter der Deutsche Wohnen zukommen. Das kündigte der Immobilienkonzern in Düsseldorf an. Für die Begleichung des Restbetrags der fälligen Miete biete die Deutsche Wohnen den vom Karlsruher Urteil betroffenen Mietern Möglichkeiten von Einmal- über Ratenzahlungen bis hin zu Stundungen an. Nach eigenen Angaben besitzt der Konzern im Großraum Berlin rund 116.000 Wohnungen.

    Der größte deutsche Wohnungskonzern Vonovia will dagegen nach eigenen Angaben auf Mietnachforderungen verzichten. Den Mietern sollten „keine finanziellen Nachteile aufgrund getroffener politischer Entscheidungen entstehen“, hieß es in einer Mitteilung. Vonovia besitzt in Berlin etwa 42.000 Wohnungen.

    #Berlin #wohnen #Miete #Immobilien #Recht

  • Real I.S. vermietet in Berlin und Amsterdam - Finanznachrichten auf Cash.Online
    https://www.cash-online.de/sachwertanlagen-immobilien/2021/real-i-s-vermietet-in-berlin-und-amsterdam/561669

    22.03.2021 - Der Immobilien und Asset Manager Real I.S. AG meldet den Abschluss neuer Mietverträge im Einkaufszentrum „Forum Steglitz“ in Berlin sowie in einer 23-stöckigen Multi-Tenant-Büroimmobilie in den Niederlanden.

    Die Real I.S. AG hat im Berliner „Forum Steglitz“ einen langfristigen Mietvertrag mit der Baumarktkette Bauhaus abgeschlossen, die künftig 2.671 Quadratmeter Einzelhandelsfläche nutzen wird, teilt das Unternehmen mit. Damit sind 94 Prozent der Gesamtfläche des zur Mixed-used-Immobilie umstrukturierten historischen Einkaufszentrums im Berliner Bezirk Steglitz-Zehlendorf vermietet: 100 Prozent der Büro- und 88 Prozent der Einzelhandelsflächen.

    Das multifunktionale „Forum Steglitz“ hat eine Gesamtfläche von rund 36.500 Quadratmetern, darunter auch circa 10.900 Quadratmeter Bürofläche im zweiten und dritten Obergeschoss. Die Eröffnung des innerstädtischen Bauhaus-Standorts erfolgt planmäßig im Herbst dieses Jahres. Das „Forum Steglitz“ wurde unsprünglich im Jahr 1970 eröffnet.

    „Dieser Vertragsabschluss ist ein weiterer Meilenstein, denn das City-Konzept von Bauhaus ist eine hervorragende Ergänzung zu dem bestehenden Mietermix. Ein ausgedehntes Nahversorgungsangebot bildet zusammen mit modernen Bürowelten sowie einem etablierten Fitnesscenter ein innovatives gemischt genutztes Ensemble. Diese sich gegenseitig stimulierenden Nutzungen steigern die Attraktivität des Forums“, erklärt Maximilian Ludwig, Head of Asset Management Retail, Hotel & Logistics bei der Real I.S. AG.


    Aufnahme ca. März 1972

    #Berlin #Steglitz #Schloßstraße #Walther-Schreiber-Platz #EInzelhandel #Immobilien #Stadtentwicklung #Titania_Palast #Forum_Steglitz #1972