• „Hauptstadt des Verbrechens“
    https://anwaltsblatt.berlin/hauptstadt-des-verbrechens-2

    Bemerkenswert: Verbrechen als Krankheit, von der Verbrecher befallen werden.

    Von Julia Steinmetz - Zeitreise zu den historischen Gerichts- und Gefängnisgebäuden der 1920er-Jahre.

    Schon der Treffpunkt der Reisegruppe, bestehend aus Mitgliedern des Berliner Anwaltsvereins und des Richterbunds, war am 14. Juni um 16 Uhr ein historischer: der #Tränenpalast an der #Friedrichstraße. Von dort aus sollte das diesjährige Sommerhighlight, die „Krimitour durch Berlin“, organisiert durch den Berliner Anwaltsverein, starten. Aufgrund einer kleinen Busverspätung (der Berliner Verkehr) stellen die beiden Referenten Arne Krasting und Alexander Vogel vor dem Einstieg in den Bus sich und auch die Idee zur gemeinsamen Tour vor.

    Arne Krasting ist Historiker und Autor zweier Bücher. Sein erstes Buch „Fassadengeflüster. Berliner Bauten der Weimarer Republik“ erschien 2021. Gemeinsam mit dem Juristen Alexander Vogel veröffentlichte er 2022 das Buch „Justizgeflüster. Gerichte und Gefängnisse in Berlin“. Um Letzteres sollte es bei der Kriminaltour gehen, in der ein Blick auf die „dunkle Seite“ von Berlin, auch inspiriert von der Kultserie „Babylon Berlin“, geworfen werden sollte. Die Gegend um den #Bahnhof_Friedrichstraße schien hierfür der optimale Startpunkt, war sie doch in den 1920er-Jahren ein Ort des Amüsements, aber auch der Kriminalität und Prostitution mit zahlreichen Theatern und Bars in der Nähe.

    „Die Geschichte Berlins ist eine Geschichte von Kriminalität“

    Die Tour beginnt mit dem zwischenzeitlich eingetroffenen Reisebus, welcher im Inneren mit großen Bildschirmen ausgestattet ist, auf denen die Referenten untermalendendes Bild- und Videomaterial zeigen. Passend zur Fahrt über die Berliner Friedrichstraße und der Straße #Unter_den_Linden berichten die Referenten von der Diebstahlsgeschichte der Quadriga auf dem #Brandenburger_Tor sowie über die weithin bekannte Geschichte des Betrügers Friedrich Wilhelm Voigt, dem Hauptmann von Köpenick. Vorbei an der #Marienkirche, die im 13. Jahrhundert das Zentrum des mittelalterlichen Berlins darstellte und damals Schauplatz eines berüchtigten Lynchmordes wurde, der einen päpstlichen Bann über Berlin nach sich zog und erst nach Zahlungen und dem Aufstellen eines Sühnekreuzes wieder aufgehoben wurde, geht es zum #Alexanderplatz. Vogel macht schon zum Beginn der Tour deutlich: „Die Geschichte Berlins ist eine Geschichte von Kriminalität“.

    DER ALEXANDERPLATZ – SCHON VOR 100 JAHREN EIN KRIMINALITÄTSHOTSPOT

    Da gegen Ende des 19. Jahrhunderts die Kriminalität um den Alexanderplatz immer mehr zunahm, wurde 1890 genau dort das große neue Polizeipräsidium von Berlin gebaut, welches sich vorher am #Molkenmarkt befunden hatte. In das neue Gebäude zog auch der berühmteste Kommissar der Zeit ein: Ernst Gellert, auch der „Buddha vom Alex“ genannt. Er leitete die erste modern arbeitende Mordkommission und erfand, laut Vogel und Krasting, die Tatortarbeit. Auch neu war ein Fernsehformat, was in den zahlreich eröffnenden Berliner Fernsehstuben ab 1935 gezeigt wurde. In „Die Polizei bittet um Mithilfe“ zog Gellert die Bevölkerung in seine Ermittlungsarbeit ein; ein Format, was auch heute noch im Fernsehen zu finden ist. Nach der Fahrt rund um den Alex kommt die Reisegruppe in der #Littenstraße an. Ziel ist hier das Gerichtsgebäude, der sogenannte „Justizpalast“, der 1904 fertiggestellt wurde. Der Architekt des Gebäudes, so erklärt Krasting, sei Otto Schmalz, der für die Architektur vor allem Elemente des Rokokos und des Jugendstils gewählt habe, darüber hinaus gebe es viele Einzelheiten, die Krasting den Teilnehmenden vor Ort und anhand von Bildern erläutert. Nachdem alle Teilnehmer wieder sicher im Bus sitzen, geht die Fahrt über den #Straußberger_Platz, im Mittelalter der als „#Rabenstein“ bekannte Hinrichtungsplatz vor den Toren Berlins, weiter in das #Scheunenviertel.

    DAS VERBRECHERVIERTEL DER 20ER-JAHRE

    Vogel erklärt, dass die Gegend in den 1920er-Jahren der Ort des organisierten Verbrechens in Berlin gewesen sei und daher auch in „Babylon Berlin“ immer wieder Ort des Geschehens ist. In den sogenannten Ring-Vereinen, die ursprünglich gemeinnützige Organisationen zur Wiedereingliederung von Strafgefangenen und ehemaligen Häftlingen sein sollten, entwickelten sich damals kriminelle Strukturen und Verbrecherbörsen. Ort der Planung für die nächsten Coups waren oft Bars und Kneipen wie die „Mulackritze“, in der sich Gestalten wie „Muskel- Adolf“ oder Adolf Leu (der Schränker) trafen.

    „In den sogenannten Ring-Vereinen entwickelten sich damals kriminelle Strukturen und Verbrecherbörsen“

    Wie sehr Verbrechen und Tod zu dieser Zeit zum Alltag der Bevölkerung dazugehörten, wird auch in der #Hannoverschen_Straße 6 deutlich, dem ehemaligen Leichenschauhaus. Hier war es laut Vogel in den 1920er-Jahren üblich, am Sonntag zur Leichenschau zu kommen, in der unbekannte Opfer von Tötungstaten hinter Glasfenstern ausgestellt wurden, damit Besucher diese identifizieren konnten.

    RUND UM DIE LEHRTER STRASSE

    Ziel der letzten Station der Tour sollte die Gegend um die #Lehrter_Straße sein, in der seit den 1840er-Jahren verschiedene Gefängnisgebäude entstanden waren, die heute nur noch teilweise bestehen. An das große Zellengefängnis in der Lehrter Straße erinnert nur noch der Geschichtspark Zellengefängnis #Moabit, der 2006 eröffnet wurde. Kriminalität wurde 1840 als ansteckende Krankheit angesehen, sodass Ziel des damaligen Gefängnisneubaus die Unterbringung der Gefangenen in Einzelzellen war, in der zwischenmenschliche Kommunikation nicht möglich sein sollte. Auch beim einstündigen Freigang am Tag kamen die Gefangenen durch die panoptische Architektur niemals mit ihren Mithäftlingen in Kontakt. Diese unmenschliche Art der Unterbringung bestand bis 1910. Nach dem Attentat auf Adolf Hitler 1944 wurden in dem Gefängnis verdächtigte Beteiligte festgehalten, unter anderem Albrecht Haushofer und Klaus Bonhoeffer, die im April 1945 dort erschossen wurden. Ersterer schrieb während seiner Gefangenschaft die „Moabiter Sonette“, 80 Gedichte, die heute im Park in einer nachempfundenen Zelle über Lautsprecher vorgelesen werden.

    Zu Fuß ging es zum Schluss noch zum ehemaligen Frauengefängnis in der #Lehrter_Straße 60, in dem von 1945–1985 weibliche Gefangene aus Westberlin untergebracht waren. Ursprünglich war dieses Gebäude eine Militär-Arrestanstalt, nach dem Ersten Weltkrieg ein Gefängnis für Männer ohne Militärgerichtsbarkeit, in dem auch Kurt Tucholsky einsaß. 1973 und 1975 gelingt weiblichen Gefangenen zweimal der spektakuläre Ausbruch aus dem Gefängnis, sodass anschließend ein neues Frauengefängnis in Berlin-Charlottenburg gebaut wurde. Seit 2012 steht das Gebäude leer. Zukünftig geplant sei hier, laut Krasting, Proberäume für Musiker und Kunstateliers unterzubringen. Zudem diente das ehemalige Gefängnis als Drehort für „Babylon Berlin“.

    Auf dem Weg zurück zur Friedrichstraße und somit dem Endpunkt der gemeinsamen Tour erzählten die Referenten noch einen letzten Fall: die „Pleiten, Pech und Pannen-Karriere“ der Gebrüder Sass, Einbrecher, die als erstes auf die Idee kamen, Geldschränke nicht mehr aufzustemmen, sondern aufzuschweißen. Gegen 18:30 Uhr endete die sehr kurzweilige, höchst interessante Tour, an die alle Teilnehmenden sicher gern zurückdenken werden.

    #Berlin #Geschiichte #Kriminalität #Stadtführung #Sightseeing #Krankheit #Fernsehstube #Fernseh-Großbildstelle

  • Das Steinkreuz an der Marienkirche
    https://www.berlin-lese.de/streifzuege/sagen-und-maerchen/das-steinkreuz-an-der-marienkirche


    Stadtführer, kommst Du an die Marienkirche und die Kundschaft fragt nach dem Kreuz am Eingang, erzähle ihnen einfach die beste Grschichte. Was genau stimmt, weiß sowieso keiner mehr.

    1. Der Baumeister und der Teufel

    Am Turmeingang der Marienkirche steht ein Steinkreuz; das ist fast 600 Jahre alt. An demselben bemerkt man vorn fünf Löcher; darin waren früher die Eisenstäbe der „ewigen Lampe" eingelassen, die Tag und Nacht brennen musste. Über die Setzung des Kreuzes wird mancherlei erzählt. So soll einst der Baumeister, als die Kirche fast vollendet war, mit dem Teufel sich eingelassen und im Kartenspiel die gesamten Baugelder verloren haben. Der Teufel gab ihm zwar alles zurück; doch musste der Baumeister dafür versprechen, beim Bau der Gewölbe einen Fehler zu machen, so dass diese am Einweihungstage über den Gläubigen zusammenbrächen, denn der Teufel hasste die frommen Leute.

    Der Baumeister dachte aber, den Teufel zu betrügen, und führte die Gewölbe vorschriftsmäßig aus. Als nun die Einweihungsfeier vorüber war, lauerte der Teufel an der Tür. Zuletzt kam der Baumeister heraus; da griff der Teufel zu und drehte ihm den Hals um. Zum Andenken daran soll das Kreuz errichtet worden sein.

    2. Der Baumeister von St. Marien

    Andere erzählen, die Marienkirche sollte das schönste Bauwerk Berlins werden. Um das zu erreichen, schloss der Baumeister mit dem Teufel einen Bund und verschrieb ihm seine Seele. Der Teufel hielt auch sein Versprechen und baute die Kirche, so gut er konnte; darum ist sie die schönste von allen Kirchen Berlins. Als nun der Bau fertig war, stieg der Baumeister auf den Turm, um das Werk zu überschauen. In seiner Freude über die glückliche Vollendung sprach er ein herzliches Dankgebet. Der Teufel war ihm jedoch gefolgt, um ihn durch die Lüfte zu entführen. Als er nun den Namen Gottes anrufen hörte, verlor er seine Macht, und es gelang ihm nur, den Baumeister vom Turme zu stoßen. Doch geschah dem Manne kein Leid; denn ein Windstoß fasste seinen weiten Mantel und blähte ihn auf, so dass der Baumeister langsam niederschwebte .Zum Dank für seine wunderbare Errettung wurde das Kreuz dann errichtet.

    3. Der Teufel und der Zinkenbläser

    Es wird aber auch gesagt, ein Zinkenbläser sei am ersten Sonntag nach Vollendung der Kirche in der Frühe auf den Turm gestiegen. Dort oben blies er ein Lied zu Gottes Ehre. Das ärgerte den Teufel; deshalb warf er den Mann vom Turme herab. Doch blähte ein Windstoß den Mantel des Zinkenbläsers auf, der nun sanft herniederglitt. Zur Erinnerung an die glückliche Errettung errichtete man später das Kreuz.

    4. Der Dachdecker

    Ferner wird erzählt, dass ein junger Dachdecker, der den Turm oder das Dach ausbessern sollte, jählings abgestürzt und zu Tode gekommen sei; zum Andenken habe man das Kreuz errichtet...

    5. Propst Nikolaus von Bernau

    Die meisten aber halten das Kreuz für ein Wahrzeichen aus der Zeit der Markgrafen und sagen, die Berliner hätten es zur Strafe oder Sühne setzen müssen, weil das Volk den Propst von Bernau erschlagen hatte. Das wird schon seine Richtigkeit haben; aber was den Zorn der Berliner so erregte, dass sie sich zu einer so unseligen Tat hinreißen ließen, darüber gehen die Meinungen auseinander. Propst Nikolaus von Bernau soll in Berlin den Zehnten mit großer Härte eingetrieben und sich dadurch verhasst gemacht haben. Doch heißt es auch, er sei ein Anhänger des Herzogs Rudolf von Sachsen gewesen, der nach Markgraf Waldemars Tode Ansprüche auf die Mark machte, während die Berliner zu ihren Landesherren, dem Markgrafen Ludwig dem Älteren, hielten. Da erschien Propst Nikolaus in Berlin, ging in die Marienkirche und hielt eine donnernde Rede gegen die Berliner, weil sie den Herzog Rudolf nicht anerkennen wollten. Dabei nannte er sie „Verblendete" und „Schurken". Es war aber an dem Tage gerade Markt in Berlin und viele Menschen hatten sich auf dem Platze bei der Marienkirche eingefunden. Bald pflanzte sich die Rede des Propstes von Mund zu Mund fort bis zu der Menge draußen auf dem Neuen Markte. Die Leute drangen in die Kirche, holten den Propst von der Kanzel, zerrten ihn bis zur Tür und erschlugen ihn. Dann errichteten sie auf dem Neuen Markte einen Scheiterhaufen und verbrannten die Leiche. Das geschah wahrscheinlich am 16. August 1325. Es wird auch gesagt, der Propst habe zwar noch Zeit gehabt, in die Propstei zu flüchten, sei aber von dem wütenden Volkshaufen herausgeholt und auf dem Neuen Markte lebendig verbrannt worden.

    Nun wurde der Bann über Berlin ausgesprochen; es durften keine Glocken geläutet, Brautpaare nicht getraut, Kinder nicht getauft werden, und kein Priester folgte dem Sarge. Erst 10 Jahre nach dem Morde wurde festgesetzt, dass die Berliner zur Sühne eine hohe Summe Geldes zahlen, in der Marienkirche einen neuen Altar bauen und an der Stelle des Mordes ein 2 Faden (3 bis 4 Meter) hohes Steinkreuz mit einer ewigen Lampe errichten sollten. Trotzdem lastete der Bann noch 12 Jahre weiter auf der Stadt.

    entnommen aus „Berliner Heimatbücher"
    Berliner Sagen und Erinnerungen
    Gesammelt von Otto Monke
    Verlag von Quelle und Meyer in Leipzig 1926

    Siehe auch
    https://de.m.wikipedia.org/wiki/Nikolaus_von_Bernau

    #Berlin #Mitte #Spandauer_Straße #Kart-Liebknecht-Straße #Marienkirche