• Kurt Hager über Wissenschaftsmissbrauch im Sozialismus – Ein sinnentstellender Fehler
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    Les Trotzkystes qualifient le socialisme de type stalinien comme règne de la bureaucratie. Ils ont raison. Voilà la preuve.

    19.11.2023 von Erhard Geißler| - Wie die Genossen das Politbüromitglied Kurt Hager ins offene Messer des Klassenfeinds laufen ließen.

    Vor fünf Jahrzehnten wurde die Gentechnik eingeführt. Sofort gab es nicht nur große Erwartungen, sondern auch erhebliche Bedenken. Genetic Engineering ist nicht nur mit Sicherheitsrisiken verbunden, sondern besitzt auch erhebliches Missbrauchspotenzial.

    In der DDR wurde das vor allem von einigen prominenten Schriftstellern artikuliert. Ernst Schumacher warnte in der Berliner Zeitung vor „kaltblütigen Genexperimentatoren“ und Jurij Brezan meinte, alle müssten nun „Angst vor Biologen haben“. Auch im Sozialismus?

    Wenn man wissen will, wie sich Partei- und Staatsführung der DDR zu den neuen Entwicklungen verhielten, bietet sich eine Lektüre der Werke des Chefideologen Kurt Hager an. Der hatte sich 1979 ausführlich zu Vorzügen und Nachteilen der Gentechnik in seiner Schrift „Philosophie und Politik“ geäußert. Die kann man noch heute ausleihen, beispielsweise in der Deutschen Nationalbibliothek.

    Sie residiert an zwei Standorten, in Frankfurt am Main und Leipzig, und verfügt folglich über zwei Hager-Broschüren. Im Leipziger Exemplar steht, was der informierte Leser von einem solchen Autor erwartet: Unter sozialistischen Produktions­verhältnissen sei der Missbrauch wissenschaftlicher Erkenntnisse ausgeschlossen.

    Ein sinnentstellender Fehler

    In der Frankfurter Ausgabe steht auf Seite 24 jedoch das glatte Gegenteil: „Gesellschaftliche Garantien zum Missbrauch von Forschungsresultaten bietet aber allein der Sozialismus“. So heißt es auch in der Broschüre, die man in Madison, Wisconsin, ausleihen kann. Wie das? Unterschiedliche Ost- und Westtexte?

    Ich stieß auf diese merkwürdige Tatsache erst neulich. Dirk Oschmann, Katja Hoyer, die Berliner Zeitung und andere hatten endlich eine breite Diskussion darüber angestoßen, wie überaus vielschichtig es in der DDR tatsächlich zugegangen war, und ich begann in diesem Zusammenhang über den sinnentstellenden Fehler in Hagers Broschüre zu recherchieren.

    Hagers Text ist das Schlußwort, das er im November 1979 auf dem V. Philosophen­kongress der DDR gehalten hatte. Es war von einer Arbeitsgruppe entworfen worden, welche die Abteilung Wissenschaften des Zentralkomitees der SED einberufen hatte. Die Gruppe legte einen 54-seitigen Entwurf vor.

    Etwa ein Viertel des Textes beschäftigt sich unter der Überschrift „Sozialismus und Wissenschaft“ mit neuen Entwicklungen in Naturwissenschaft und Technik, vor allem mit Mikroelektronik und mit den Pros und Kontras der Gentechnik. Und in diesem Zusammenhang ist der überraschende Satz über den im Sozialismus garantierten Wissenschaftsmissbrauch in den Text geraten, ganz sicher nicht absichtlich, sondern wohl beim Diktieren oder Abschreiben.

    Der Entwurf wurde dann gründlich überarbeitet und stark gekürzt. Aber die Passagen, die sich mit der Gentechnik und ihren Implikationen beschäftigten, wurden fast unverändert übernommen. Wer der Endkorrektor war, ist nicht überliefert. Das finale Manuskript ist im Bundesarchiv nicht in den Unterlagen des Büros Hager oder anderer Einrichtungen der SED-Führung archiviert, sondern in den Akten des Ministeriums für Hoch- und Fachschulwesen. Vielleicht war ein Wissenschaftler der Korrektor?

    Aber vielleicht war es auch Hager selbst. Dafür sprechen die wenigen, sehr speziellen Detailkorrektoren. Beispielsweise wurde hinter der ursprünglichen Formulierung, die „vielschichtige Problematik von Gesundheit und Krankheit“ sei eine Herausforderung der marxistisch-leninistischen Philosophie, hinter „Krankheit“ eingefügt: „und Sterben“ – also ein realsozialistisches Tabuthema. Das konnte sich eigentlich nur ein Politbüromitglied erlauben.

    Dieser Teil des Manuskriptes wurde also bei der Endkorrektur offensichtlich ganz genau, Wort für Wort, gelesen, von wem auch immer. Um so erstaunlicher ist, dass dabei der sinnentstel­lende Fehler übersehen wurde.

    Jedenfalls war es Hager selbst, der ihn während seines Vortrages übersah. Ich nahm damals am Kongress teil und hörte sehr gespannt zu, denn ich war von Anfang an bei der Einführung der Gentechnik in der DDR beteiligt. Kurz vor der Tagung war ich vom Gesund­heits­minister zum Vorsitzenden der Kommission zur In-vitro-Rekombination von DNA berufen und damit für die Sicherheit gentechnischer Experimente verantwortlich gemacht worden.

    Deshalb fiel mir auf, dass sich der Redner in diesem Zusammenhang nicht an sein Manuskript hielt und minuten­lang völlig frei sprach. Allerdings war manches davon fachlich nicht korrekt. Dies habe ich dann wenige Tage später meinem Chef, dem Genossen Direktor des Zentralin­stituts für Molekularbiologie, mitgeteilt. Hager habe sich „fast ausschließlich auf veraltete Informationen bezogen“. Man soll ihm das in geeigneter Form mitteilen, damit „vor einer eventuellen Veröffentlichung des Gesamttextes noch eine Durchsicht und Überarbeitung erfolgen“ könne.

    Aber mein Brief kam zu spät: Im Dietz-Verlag war man bereits dabei, den Druck des Schlusswortes vorzubereiten. Schon am 6. Dezember waren die Korrekturbögen fertig und wurden Hager – auf dessen ausdrücklichen Wunsch hin – übersandt, mit der Bitte, die „von dir bearbeiteten Fahnenabzüge so bald wie möglich“ zurückzuschicken. Zwei Tage später antwortete Hager – ohne Kommentar zu den Fahnen. Auch dieses Mal hatte er den Fehler also übersehen. Und deshalb ging der Druckauftrag ohne weitere Änderungen an die Druckerei Neues Deutschland.

    Bereits am 14. Dezember 1979 erhielt der Verlag die ersten 100 Exemplare der Broschüre. 25 wurden sofort an Kurt Hager weitergeleitet. Drei Tage später wurden 41.280 Exemplare an den Buchhandel ausge­liefert. Besondere Abnehmer wurden individuell versorgt: Je 500 Exemplare gingen ans Ministerium für Staatssicherheit, an die Nationale Volksarmee und an die Partei­hochschule. Inhaltsschwere Lektüre für die Weihnachtsfeiertage – oder für die Wache in der Stasi-Zentrale oder in den Objekten der NVA. Aber offenbar stieß nicht einer auf den sinnentstellenden Fehler – oder scheute davor zurück, ihn zu melden.

    Ich scheute mich nicht. Ich fand ihn, als ich um den Jahreswechsel herum den Wissenschafts­teil der Broschüre sehr genau, Wort für Wort las, auf der Suche nach Hagers Fehleinschätzungen. Die waren nicht übernommen worden. Wohl aber der peinliche Lapsus.

    Ich war zwar schon seit mehr als zwei Jahrzehnten kein SED-Mitglied mehr, war aber auch kein Dissident. Wenn dieses Zitat Richard Löwenthal, dem westdeutschen Pendant unseres „Sudel-Ede“ Karl-Eduard von Schnitzler, in die Hände fiele … Nicht auszudenken, wenn der die Haltung der Partei- und Staatsführung zur Gentechnik lächerlich machte.

    Also suchte ich gleich im Januar 1980 meine Vorgesetzen an der Akademie der Wissen­schaften auf. Mein Institutsdirektor hörte entgeistert zu, sah aber keine Handlungsmöglichkeit. Der Direktor des Forschungsbereiches Molekularbiologie und Medizin ebenso. Vermutlich aus Angst, als Überbringer der schlechten Nachricht bestraft zu werden, riskierten diese einflussreichen Genossen lieber, einen ihrer obersten Chefs ins offene Messer des Klassenfeinds stolpern zu lassen.

    Also wandte ich mich eine Etage höher und informierte den Akademie-Präsidenten. Als ZK-Mitglied hatte der direkten Zugang zu Hager. Trotzdem wandte er sich nicht an den, sondern nur an den Leiter der Abteilung Wissenschaften des ZK. Der aber meinte, man solle die Sache besser auf sich beruhen lassen.

    Auslieferung der Exemplare wird gestoppt

    Hager wurde tatsächlich nicht informiert, aber die Auslieferung der restlichen 5700 Exemplare wurde am 5. Februar 1980 gestoppt. Die Mitarbeiter des Dietz-Verlags wurden über den „sinnentstellenden Fehler“ informiert und darüber, dass der „bereits im Manuskript enthalten“ war. Diesen peinlichen Befund konnte man Hager natürlich nicht mitteilen. Und vermutlich deshalb wurde auch keine Rückrufaktion der Broschüre gestartet, denn das hätte der Chef sicher gemerkt, vielleicht sogar selbst genehmigen müssen.

    Davon drang natürlich nichts nach außen. Und die fehlerhafte Schrift war weiter im Umlauf. Also fasste ich mir ein Herz und schrieb selbst an Kurt Hager, am 25. März 1980. Aber darauf gab es wochenlang keine Reaktion. Das war merkwürdig, denn auf Eingaben von Bürgern wurde gerade in Partei- und Sicherheitskreisen meist sehr aktuell und akkurat reagiert.

    Tatsächlich reagierte man – von mir unbemerkt – sofort auf mein Schreiben und beschloss, eine korrigierte Auflage der Broschüre zu drucken: Am 11. April wurde die Druckerei beauftragt, 10.000 Exemplare einer „zweiten Bindequote“ zu produzieren. Fünf Tage später begann deren Auslieferung. Hager selbst bekam diesmal kein Stück.

    Erst danach wurde mein Brief beantwortet. Ich wurde ins Haus des ZK der SED eingeladen, ins Büro Hager. Am 30. April erwarteten mich dort der Leiter des Büros sowie der Direktor des Dietz-Verlags. Man sei mir ja sooo dankbar, aber sie hätten bereits Bescheid gewusst. Zehn Genossen hätten Korrektur gelesen, aber ein elfter habe den Fehler dann doch noch gefunden.

    Druck und Auslieferung der Broschüre seien sofort gestoppt und eine korrigierte Ausgabe gedruckt worden. Die wurde mir in die Hand gedrückt. Es sei ihnen unvorstellbar, wieso ich trotzdem ein fehlerhaftes Exemplar in die Hand bekommen hätte. Aber nun sei die Sache aus der Welt, und den Genossen Hager, den wolle man damit gar nicht erst beunruhigen.

    Ich zog von hinnen – und merkte schon damals bald, dass ich nach Strich und Faden belogen worden war. Es gab nicht nur mein Exemplar. Die fehlerhafte Broschüre wurde immer noch im Buchhandel angeboten. Ich informierte den Verlagsleiter darüber am 16. Mai schriftlich. Der zeichnete meinen Brief ab und gab ihn in die Ablage. Eine Antwort blieb er mir schuldig.

    Und noch heute kann man Hagers verballhorntes Statement in mindestens 17 deutschen Bibliotheken unkommentiert lesen, allein im Bundesarchiv in fünf Exemplaren. Korrigierte Broschüren haben es in weit weniger Sammlungen geschafft, aber immerhin auch nach Los Angeles und nach Shanghai. In Hagers Nachlass befindet sich nur ein Exemplar, eines mit dem Fehler. Zu Lebzeiten hat er wohl nie von dem Vorfall erfahren.

    Notabene zur gleichen Zeit, als Hagers Rede veröffentlicht wurde, erschienen in der „West-Presse“ die ersten Meldungen, in der sowjetischen Waffenschmiede Swerdlowsk – dem heutigen Jekaterinburg – habe es in einer Biowaffeneinrichtung eine Explosion gegeben, die eine tödliche Milzbrandepidemie ausgelöst hätte. Missbrauch der Wissenschaft gab es tatsächlich im Sozialismus, unter brutalem Bruch völkerrechtlicher Verträge. Rechtssicher bewiesen werden konnte das aber erst nach der Wende.

    #socialisme #DDR #bureaucratie #sciences #histoire #biologie #recherche_génétique #culture #polirique

  • Alexander King : Die Linke ist alleine nicht mehr in der Lage, das linke Wählerpotenzial abzudecken
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    Le parti Wagenknecht acceuille. surtout des politiciens professionnels pragmatiques qui optent pour une ligne modérée de gauche qu’ils appellent « populiste ». Ils reprochent au direction du parti Die Linke d’être désorganisé et incapable de comprendre les problèmes des gens. Ils ressemblent à un mouvement de gilets jaunes lancé par une organisation professionnelle. Cependant ils courent le même danger qui a mené au déclin de Die Linke : Ils constituent un groupe de politiciens professionnels sans racines dans le peuple, le prolétariat. Ils auront sans doute un succès relatif avant de perdre le soutien de celles et ceux qu’ils n’auront pas libérés de leur situation d’exploités et de laissés pour compte.

    27.10.2023 von Ramon Schack - Der Berliner Abgeordnete tritt aus der Linken aus, um Sahra Wagenknecht zu folgen. Im Interview erklärt er die Gründe, die ihn zu dieser Entscheidung geführt haben.

    Alexander King, Sie haben heute Ihren Austritt aus der Partei die Linke erklärt, nach über 25 Jahren Mitgliedschaft. War dieser Schritt von langer Hand geplant, oder erfolgte dieser spontan, initiiert von dem Austritt der Bundestagsabgeordneten um Sahra Wagenknecht?

    Weder noch. Er ist das Ergebnis eines Prozesses. Letztlich hat den Ausschlag gegeben, dass die Parteiführung der Linken keinerlei Nachdenken über die Ursachen für die schwachen Wahlergebnisse erkennen ließ und stattdessen die Schuld ausschließlich woanders suchte. Diese Unfähigkeit zur Selbstkritik ist gefährlich. Die politische Entwicklung in Deutschland steht nämlich Spitz auf Knopf.

    Sahra Wagenknechts Überlegungen sind richtig, für Menschen, die von keiner Partei mehr angesprochen werden, aber für linke Politik zu gewinnen wären, ein notwendiges politisches Angebot zu schaffen.

    Wird dieser Austritt begleitet, von einem Eintritt in das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW)?

    Ja, ich bin Mitglied im Verein Bündnis Sahra Wagenknecht.

    Die Linke hatte noch nie etwas dagegen, wenn Mandatsträger anderer Parteien mitsamt ihrem Mandat zu ihr wechselten.

    Für politische Beobachter ist es sicherlich keine Überraschung, dass Sie dem Wagenknecht-Lager zuzurechnen sind. Sie sind einer der Organisatoren der Friedensdemonstration am Brandenburger Tor im Februar dieses Jahres, Frau Wagenknecht, wie auch Frau Mohamed Ali, haben Sie öfter öffentlich unterstützt, bei Ihren Büroeröffnungen und im Wahlkampf beispielsweise. Befürchten Sie aber nicht trotzdem, eine Aufspaltung des linken Wählerpotenzials?

    Im Gegenteil. Die Linke ist alleine nicht mehr in der Lage, das linke Wählerpotenzial abzudecken. Die Landtagswahlen in Hessen haben das noch mal gezeigt. Insofern halte ich das BSW für eine notwendige Ergänzung, um wirklich wieder alle zu erreichen, die mit der herrschenden Politik unzufrieden sind und sich eine sozialere, wirtschaftlich und außenpolitisch vernünftigere Politik wünschen. Erste Umfragen zeigen ja, dass dem BSW das gelingen könnte.

    Nach den Austritten der Gruppe um Wagenknecht im Bundestag – hat Parteichef Martin Schirdewan die zehn ausgetretenen Bundestagsabgeordneten erneut dazu aufgerufenen, „ihre durch die Linke errungenen Mandate“ zurückzugeben. Andernfalls wäre dies ein „höchst unmoralischer Diebstahl“. Fühlen Sie sich auch als „Dieb“, da Sie ja jetzt das Gleiche im Abgeordnetenhaus vollzogen haben?

    Ich kann diese Reaktion emotional gut verstehen. Sie ist aber nicht ehrlich. Die Linke hatte noch nie etwas dagegen, wenn Mandatsträger anderer Parteien mitsamt ihrem Mandat zu ihr wechselten. In der Berliner Bezirkspolitik kam das zuletzt vor. Übertritte wurden sogar mit Posten belohnt. Früher gab es das hier und da auch auf Landesebene. Übrigens gilt dasselbe natürlich auch für alle anderen Parteien. Mir scheint, auch mit Blick auf den wenig beachteten Fraktionswechsel des MdB Lutze von der Bundestagsfraktion der Linken zur SPD, dass hier mit zweierlei Maß gemessen wird.

    Das freie Mandat ist grundgesetzlich geschützt. Es ist allerdings trotzdem durchaus möglich, dass ich mein Mandat im nächsten Jahr aufgebe. Ich mache das aber nicht von den Forderungen der Linken abhängig, sondern davon, ob ich auch als fraktionsloser Abgeordneter mein Mandat im Sinne meiner Kandidatur und im Interesse der Wähler ausfüllen kann.

    Wird es weitere Austritte aus der Linken – beispielsweise auf der BVV-Ebene – in ihrem Bezirk Tempelhof-Schöneberg geben?

    Das kann ich nicht vorwegnehmen. Ich weiß, dass sehr viele Mitglieder im Bezirksverband die Positionen von Sahra Wagenknecht unterstützen. Wie viele davon jetzt austreten und sich einer neuen Partei anschließen werden, kann ich natürlich nicht voraussagen. Auf unserer letzten Mitgliederversammlung gab es dazu unterschiedliche Aussagen. Ich rechne damit, dass es durchaus einige sein werden. Über die BVV-Ebene entscheidet die Fraktion in Abstimmung mit dem Bezirksvorstand.

    Ich habe keinen Groll gegen Die Linke.
    Alexander King

    Was dürfen Ihre Wählerinnen und Wähler im Bezirk Tempelhof-Schöneberg von Ihnen zukünftig erwarten? Werden Sie versuchen, auch andere Milieus zu erreichen, beispielsweise durch eine veränderte Programmatik?

    Ich war über 20 Jahre Mitglied des Bezirksverbands Die Linke Tempelhof-Schöneberg, davon zwölf Jahre im Bezirksvorstand, davon fünf Jahre als Vorsitzender. Zweimal habe ich als Direktkandidat den Bundestagswahlkampf im Bezirk angeführt. Das heißt, die Politik der Linken im Bezirk trug in den letzten Jahren schon deutlich meine Handschrift. Die politische Ansprache der Linken in unserem Bezirk legte schon von jeher den Schwerpunkt auf soziale Fragen und Friedenspolitik.

    Ich werde den Schwerpunkt meiner Wahlkreisarbeit weiter in den Süden des Bezirks verlagern. In Marienfelde habe ich mein Wahlkreisbüro, in Lichtenrade unterstütze ich zudem einige lokale Projekte. Ich strebe dabei an, weiterhin mit der Linksfraktion in der BVV zusammenzuarbeiten. Rund um das Thema Meinungsvielfalt habe ich außerdem in der Zeit der Pandemie und dann anlässlich der Debatte um den Krieg in der Ukraine einen kritischen Gesprächskreis in Tempelhof etabliert. Mir ist wichtig, das Feld für freie Debatten wieder zu öffnen. Ich habe darüber auch in der Berliner Zeitung geschrieben. Diese Arbeit werde ich fortsetzen. Sie entspricht einem wesentlichen Anliegen des BSW.

    Die Lücke im Parteiensystem. Sollte Sahra Wagenknecht eine neue Partei gründen?

    Demoskopen und Politologen attestieren der entstehenden Partei, wie immer diese auch heißen mag, ein beachtliches Wählerpotenzial. Teilen Sie diese Einschätzungen und wenn ja, wie wird sich dieses auf die politische Landschaft in Berlin zukünftig auswirken?

    Ich bin kein Demoskop. Ich lese die Umfragen und bekomme viele Rückmeldungen aus dem persönlichen Umfeld. Diese deuten darauf hin, dass in der Tat viele Menschen auf eine Wagenknecht-Partei gewartet haben. Wenn ich an meinen Bezirk denke, hoffe ich, dass wir mit der neuen Partei diejenigen erreichen, die zuletzt gar nicht mehr oder aus Protest, aber ohne innere Überzeugung leider rechts gewählt haben, gerade in den Großwohnsiedlungen, wo viele Menschen mit den bestehenden Verhältnissen zu Recht unzufrieden sind.

    Betrachten Sie Ihren Austritt auch als eine Art persönliche Befreiung?

    Nein. Ich habe keinen Groll gegen Die Linke, schon gar nicht gegen Personen in der Linken. Meine politischen Überlegungen habe ich dargelegt. Persönliche Befindlichkeiten spielen keine Rolle bei diesem Schritt.

    Vielen Dank, Herr King.

    #Allemagne #polirique #gauche #populisme